Die hierzulande weitgehend unbekannte Yams (Dioscorea spec.) ist wahrlich eine würdige Vertreterin unserer neuen Serie (siehe Teil 1, Teil 3, Teil 4, Teil 5). Tatsächlich ist das ursprünglich aus Westafrika stammende Gewächs die Urahnin der Antibabypille.
Teil 2: Yams - Familienplanung per Sprossknolle
Westafrika gilt als Herkunft der Yams, einer staudenartigen Pflanze mit etwa 800 bekannten Arten. Bereits 50 000 v. Chr. wurde sie dort nachweislich gegessen, seit etwa 3000 v. Chr. wird sie angebaut und ist bis heute ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Größte Erzeugerländer sind aktuell Nigeria, Ghana und die Elfenbeinküste. Heute ist die Gattung jedoch beinahe weltweit in tropischen und gemäßigten Klimazonen verbreitet.
Die gewundene Staude mit den herzförmigen Blättern wird bis zu 6 Meter hoch. Essbar sind die stärkereichen Rhizome oder Wurzelknollen, die geschmacklich der Süßkartoffel ähneln. Die oft länglichen Knollen werden gekocht oder frittiert und sind auch als Einlage in Eintöpfen und Suppen beliebt. Zudem lässt sich aus ihnen ein beruhigender Tee zubereiten.
Die unterirdische Apotheke
Denn schon lange gilt die nahrhafte Knolle auch als Heilmittel. So wird ihr etwa in Asien und auf dem amerikanischen Kontinent eine verjüngende Wirkung nachgesagt. Anderenorts wird sie auch als Kolik- oder Rheumawurzel bezeichnet, soll sie doch Rheumabeschwerden, Gallenkoliken und Magen-Darm-Krämpfe lindern helfen. Sogar als Mittel gegen Senilität, Unfruchtbarkeit oder Impotenz wird sie empfohlen. In Mitteleuropa verkauft sie sich hingegen gut als Bestandteil einer Hormontherapie zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden.
Letzterer Verwendung ging die Erkenntnis voraus, dass einige Yams-Arten einen hohen Gehalt an Diosgenin, einer chemischen Verbindung aus der Gruppe der Sapogenine, aufweisen. Diosgenin ist dem körpereigenen Geschlechtshormon Progesteron so ähnlich, dass es als bioidentisches Hormon aufbereitet werden kann. Das wiederum ist keine Erfindung der modernen Medizin; Schon vor Jahrtausenden wussten indigene Frauen um die verhütende Wirkung von Yams.
Selbstbestimmung aus Yams und Stuten-Urin
Der Weg zum Weltveränderer wurde für die Yams schließlich frei, nachdem es 1936 in Japan gelungen war, Progesteron aus Yams-Diosgenin herzustellen. Es dauerte dann noch bis in die 1960er Jahre, bis die ersten Anti-Baby-Pillen auf den Markt kamen. Yams-Progesteron und Östrogen aus Stuten-Urin haben das (Liebes-)Leben, die Selbstbestimmung der Frauen und die Familienplanung in großen Teilen der Welt für immer verändert.
Superfood für deutsche Felder
Inzwischen wird der Anbau der Yams auch hierzulande untersucht. Neben Hirse, Maniok, Enset und Tef gehört sie zu den „Orphan Crops“, vielversprechenden Nutzpflanzen, die auf dem Weltmarkt und in der Wissenschaft noch eine eher untergeordnete Rolle spielen. Ein Forschungsprojekt an der Universität Münster unter Leitung von Dr. Janina Epping befasst sich nun damit, Grundlagen für die züchterische Bearbeitung und irgendwann vielleicht einen Anbau der Chinesischen Yams zu schaffen. Diese Spezies gedeiht auch in gemäßigten Klimazonen wie Zentraleuropa und könnte unser Lebensmittelspektrum um eine interessante Kultur erweitern. Sind doch sowohl die unterirdischen Knollen als auch die in den Blattachseln sitzenden kleinen Luftknollen (Bulbillen) reich an Stärke und Mineralien und beinhalten gesundheitsfördernde Substanzen, die zur Behandlung von Diabetes und Bluthochdruck sowie zur Regulation des Cholesterinspiegels eingesetzt werden könnten. Beste Voraussetzungen also für ein regional produziertes „Functional Food“.
Größtes Hindernis für einen Anbau der Chinesischen Yams ist bisher, dass ihre langen und dünnen Knollen bis 1,5 Meter tief in die Erde wachsen und nur von Hand geerntet werden können. Die Beteiligten in besagtem Forschungsprojekt namens MARVEL haben also zunächst das Genom der Pflanze sequenziert und wollen nun mittels Marker-gestützter Züchtung Arten entwickeln, die für einen kommerziell attraktiven Anbau hierzulande geeignet sind. Gleichzeitig entstanden bereits Kontakte ins wichtigste Anbauland Nigeria, wo man helfen will, die dortigen Sorten resistenter gegen Schädlinge oder Krankheitserreger zu machen.
Quelle: pflanzenforschung.de / Uni Münster
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