Die Woche in Berlin – ein Kommentar : Endspurt, Endspiel und Auslaufen
Endspurt, Endspiel und Auslaufen
BERLIN. Endspurt für die einen, Endspiel für die anderen und ein Bundeslandwirtschaftsminister beim lockeren Auslaufen - das sind die Vorzeichen für die letzte Woche vor der Bundestagswahl am 23. Februar. Zumindest die Agrarpolitiker der Union im Norden, Süden und Westen werden die Ziellinie aller Voraussicht erfolgreich überqueren, droht in ihren ländlich-konservativen Wahlkreisen kein Überholmanöver von rechts - anders als in den östlichen Teilen der Republik. Mit dem Niedersachsen Albert Stegemann, dem Württemberger Hermann Färber und dem Mittelfranken Artur Auernhammer dürfte ein bewährtes Landwirtschaftstrio sein Mandat in der Tasche haben.
Deutlich stärker gefordert sind die Mitläufer beim Lieblings-Koalitionspartner. Ist die Agrarfraktion ohnehin kein Sehnsuchtsort für Sozialdemokraten, müssen die zuletzt Verbliebenen auch noch gehörigen personellen Aderlass verkraften, darunter die stets bemühte Sprecherin Susanne Mittag. Um so mehr ist die tapfere Franziska Kersten auf den letzten Metern gefordert. Das gilt erst recht, da ihr Wiedereinzug in den Bundestag aller Voraussicht weniger von ihrem persönlichen Ergebnis als vielmehr von dem ihrer Partei in Sachsen-Anhalt abhängt. Und der fehlt bekanntermaßen gegenwärtig diesmal nicht nur im Osten das Zugpferd.
Kein Spaziergang
Vorbei die Zeiten, in denen die Grünen schwarze Agrarherzen höher schlagen ließen und die Aussicht auf eine schwarz-grüne Liaison für agrarpolitische Aufbruchstimmung sorgte. Selbst die Ankündigung von Renate Künast, sich nun doch - zunächst einmal - aufs Altenteil zurückzuziehen, ändert daran nichts. Sollte es gegen alle Wahrscheinlichkeit zu einer wie auch immer gearteten Koalition von Union und Grünen kommen, dürften die Gespräche im Agrarbereich kein Spaziergang werden. Der Riege der altgediente Landwirtschaftspolitiker von CDU und CSU könnten ähnlich tickende Partner auf grüner Seite nur spärlich gegenüber sitzen.
Die Liberalen stehen derweil auf der Zielgeraden vor der schweren Aufgabe, nach verkorkstem Zwischenspurt und Seitenwechsel noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren, um im Verfolgerfeld doch noch die Nase vorn oder zumindest über der Hürde zu haben. Mit ländlichem Rückenwind ist nach gegenwärtigem Stand dabei nicht zu rechnen, trotz unermüdlichem Einsatz von Frontfrau Carina Konrad. Ein solcher Rückenwind könnte eher schon der nicht nur im Bundestag am rechten Rand sitzenden AfD unter die Arme greifen. Erstaunlich angesichts von Europaskepsis, Förderabbau und Absage an die Energiewende in der Partei.
Ein anständiger Kerl
Derweil hat Cem Özdemir die Ziellinie überquert und befindet sich bereits auf der Ehrenrunde. Einst eher notgedrungen, fachlich unbeleckt und keineswegs auf eigenes Verlangen ins Landwirtschaftsministeramt gelangt, hat er für sich das Beste draus gemacht. Anerkennung in Agrarkreisen ist ihm gewiss, „ein anständiger Kerl“, ein ernüchternder Arbeitsnachweis allerdings auch, „wenig hinbekommen“.
So lässt er’s austrudeln, der gute Mensch aus dem Schwabenland, und erfreut sich, so scheint es, an der seltenen Gelegenheit, gleich zwei Ministerhüte auf dem Kopf zu haben, wobei ihm der Forschungshut zunehmend besser zu Gesicht zu stehen scheint. Für seine weiteren beruflichen Ambitionen muss das kein Nachteil sein, im Gegenteil. Es gab schon mal einen Politiker, dem reichte bereits ein Ministerhut für den Sprung zum Ministerpräsidenten. Allerdings war der von der CSU und kam aus Bayern. AgE