Die Woche in Berlin - ein Kommentar : Aller Anfang ist leicht
Aller Anfang ist leicht
BERLIN. Für Alois Rainer ist die alte Woche noch nicht zu Ende, da fängt die neue schon an. Bereits am Sonntagabend (18.5.) reist der Bundeslandwirtschaftsminister nach Paris, um am Montagmorgen seine französische Amtskollegin Annie Genevard zu treffen. Das Signal ist eindeutig, es gilt, die schon seit geraumer Zeit quietschende deutsch-französische Achse zu ölen, rechtzeitig bevor es ans Eingemachte geht, mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Man darf gespannt sein, wie groß die deutsch-französischen Schnittmengen sein werden zwischen nationalen Agrarinteressen und europäischer Gemeinsamkeit, zwischen Marktorientierung und Staatsvertrauen sowie bäuerlichen Anliegen und gesellschaftlichen Erwartungen.
Rainer kann einigermaßen beruhigt seinen Ausflug ins Nachbarland antreten, hat er doch am vergangenen Donnerstag (15.5.) mit seiner ersten Ministerrede die Hoffnungen der Agrar- und Forstwirtschaft auf einen Politikwechsel zumindest verbal fürs Erste erfüllt. Fehlen nur noch die Taten über den Agrardiesel hinaus, die alsbald den Worten folgen müssen. Klar ist allerdings schon mal, mit einem erfahrenen Metzgermeister und einem bewährten Veterinär an der Ministeriumsspitze sind Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit ab sofort Chefsache. Keine gute Nachricht für Erreger von MKS, ASP, Blauzunge und Vogelgrippe sowie andere unangenehme Zeitgenossen. Für sie wird es künftig hierzulande noch ungemütlicher als ohnehin. Bleibt zu hoffen, dass Ähnliches auch für weitere Plagen gilt wie überbordende Bürokratie, fehlendes Vertrauen in Politik, verbreitete Investitionsunsicherheit, ausbleibende Planungssicherheit sowie ineffiziente und übergriffige staatliche Vorgaben.
Agrarpolitisches Neuland
Zumindest die parlamentarischen Weichen dafür sind gestellt, ist der neue Fraktionsvize der CDU/CSU, Albert Stegemann, doch nicht nur vom Fach, erfahren und überaus engagiert, sondern auch „ins Gelingen verliebt“. Fehlt bloß noch die Einsicht, dass ein abgestimmtes, fachlich fundiertes, breit akzeptiertes und von der Union in der Vergangenheit immer wieder angemahntes Tierhaltungskonzept wie das der Borchert-Kommission dafür bessere Chancen bietet als eine weitgehend unkonditionierte Investitionsförderung.
Bliebe noch die auch im Agrarbereich zum Regieren unverzichtbare SPD. Sie versteht die gemeinsam im Koalitionsvertrag gefundenen Formulierungen zur Tierhaltung und deren Förderung erstaunlicherweise ganz anders als Stegemann und Fraktion. Dass ausgerechnet die emsige SPD-Agrarpolitikerin Franziska Kersten ihre Unionskollegen daran erinnert, ihre Fraktion habe noch im Januar einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie die Umsetzung des Borchert-Konzepts anmahnt, ist agrarpolitisches Neuland. So viel scheint schon jetzt klar: Langweilig wird es mit Schwarz-Rot auch in der Agrarpolitik nicht.
Erst fangen sie ganz langsam an
Auch die Abstimmungen im Bundesrat versprechen, in der neuen Konstellation spannend zu werden. Schwarz-Rot ist in der Länderkammer ein gehöriges Stück von der Mehrheit entfernt. Die Länder mit CDU/SPD-Koalitionen Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin kommen zusammen auf weniger als die Hälfte der benötigten 35 Stimmen. Selbst unter Einbeziehung des von CSU und Freien Wähler regierten Bayern, des SPD-Saarlandes und des Rot-Rot geführten Mecklenburg-Vorpommern reicht es nicht. Da wird man noch andere ins Boot holen müssen, um zustimmungspflichtige Gesetze durchzubringen. Dazu zählen beispielsweise Länder, in denen die Wundertüte BSW mitregiert.
Wandel durch Aushandeln - auch im Bundesrat werden die Stunden der „Teppichhändler“ schlagen, wenn es demnächst darum geht, Mehrheiten zu organisieren, überraschende Koppelgeschäfte eingeschlossen. Die noch unlängst aufkeimende Euphorie auf Unionsseite, mit neun Agrarministern in den Ländern, einem im Bund sowie einem dem Ländlichen zugetanen Kanzler werde durchregiert, dürfte sich als gelinde gesagt übertrieben erweisen. Auch in der Agrarpolitik herrscht die Kunst, zu Mehrheiten zu kommen. Noch nicht bei der Bundesratssitzung am kommenden Freitag (23.5.), aber dann ... AgE