Kontrollen in Frankreich mangelhaft
BRÜSSEL/PARIS. In Frankreich werden die Abfüller von Mineral- und Quellwasser durch die Behörden nur sehr unzureichend kontrolliert. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Untersuchung der Europäischen Kommission. Nachdem im Januar Betrugsvorwürfe gegen bekannte Hersteller aufgekommen waren, hatte die Generaldirektion Gesundheit (DG SANTE) vom 11. bis zum 22. März das offizielle Kontrollsystem vor Ort unter die Lupe genommen.
Im Zuge ihrer Untersuchungen hat die DG SANTE „ernste Mängel“ festgestellt. So sind laut dem Bericht keine regelmäßigen, risikobasierten Inspektionen bei den Abfüllern vorgesehen. Als „unzulänglich“ wird die Zusammenarbeit sowohl innerhalb als auch zwischen den zuständigen staatlichen Stellen beschrieben. Den verantwortlichen Kontrolleuren fehlt es laut der Generaldirektion oftmals an der notwendigen Erfahrung, insbesondere im Hinblick auf Gefahrenanalyse nach dem Konzept des Systems kritischer Kontrollpunkte (HACCP).
Gemäß dem Bericht sind nach Beanstandungen zudem keine unmittelbaren Maßnahmen vorgesehen. Es werde weder sichergestellt, dass sich die Verstöße nicht wiederholten, noch das die betreffenden Produkte nicht auf den Markt gelangen könnten, schreibt die DG SANTE. Auch Rückrufe und Geldbußen seien nicht Teil des Systems.
Das offizielle Kontrollsystem Frankreichs sei nicht dazu geschaffen, Betrug bei Mineral- und Quellwasser aufzudecken oder zu beenden, so das Fazit der Brüsseler Behörde. Da auch Mängel bei der Umsetzung bestünden, könne nicht garantiert werden, dass alle Produkte auf dem Markt den gesetzlichen Anforderungen entsprächen.
Klage von foodwatch
Nach EU-Recht muss Mineralwasser bestimmten Anforderungen entsprechen. Vorgaben bestehen unter anderem hinsichtlich der erlaubten Behandlungen, beispielsweise zur Reinigung beziehungsweise Filterung. Im Januar war bekannt geworden, dass in Frankreich jahrelang verunreinigtes Mineralwasser mit unzulässigen Methoden desinfiziert wurde und auch Leitungswasser als Mineralwasser abgefüllt worden war.
Aufgedeckt worden waren die Vorgänge von Journalisten der Tageszeitung „Le Monde“ und des Radiosenders „franceinfo“. Betroffen waren Nestlé Waters und Sources Alma. Nestlé hatte die Vorwürfe eingeräumt und angegeben, im Interesse der Lebensmittelsicherheit gehandelt zu haben.
Der französische Arm der Verbraucherorganisation foodwatch hatte Klage gegen die Unternehmen eingereicht. Noch keine Konsequenzen sind bislang für die politischen Verantwortlichen in Sicht. Laut den Recherchen von franceinfo waren die Verstöße bei offiziellen Stellen lange bekannt. Erste Untersuchungen soll es 2020 gegeben haben, 2021 sollen sich Beamte des Wirtschaftsministeriums vertraulich mit Konzernvertretern getroffen haben.
Warnung vor „Lücken im System“
Nach Einschätzung von foodwatch bestehen auch in Deutschland „gefährliche Lücken im System“. Dazu zählt die Organisation den Personalmangel bei den Behörden sowie die Struktur der auf kommunaler Ebene organisierten Lebensmittelüberwachung. „Wir sollten uns nicht einbilden, dass Intransparenz und lückenhafte Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung ein rein französisches Problem sind: Der Nestlé-Skandal hätte wohl genauso gut auch in Deutschland passieren können“, sagte Andreas Winkler vom deutschen Ableger der Organisation. AgE