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Cassava (Maniok) ist Grundnahrungsmittel für fast eine Milliarde Menschen und wird hauptsächlich in tropischen Regionen angebaut. Die Pflanze stammt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika, wächst auf kargen Böden und kann sowohl Trockenheit als auch Überschwemmung vergleichsweise gut überstehen. Foto: Falco / Pixabay
18.02.2023
Forschung & Technik

Tef, Cassava, Okra: Nutzpflanzen der Zukunft?

Bisher wenig erforschte Pflanzen des globalen Südens könnten an Bedeutung gewinnen

Viele Nutzpflanzen, die im globalen Süden von regionaler Bedeutung sind, wurden bisher auf dem Weltmarkt und von der Wissenschaft wenig beachtet. Das könnte sich ändern.

Diese Nutzpflanzen werden aufgrund der wenigen Beachtung, die ihnen bislang geschenkt wurde, auch als Orphan Crops bezeichnet, als Waisenpflanzen. Zu ihnen gehören etwa Tef, Enset, Yams oder Cassava (Maniok). Allerdings sind viele dieser Kulturen nährstoffreich und robust. Und: im Zusammenhang mit dem Klimawandel wächst auch außerhalb ihrer bisherigen Anbaugebiete das Interesse an ihnen.

Konzentration des Anbaus

Heute kommt die Hälfte aller von Menschen konsumierten Kalorien von nur drei Getreidesorten: Weizen, Mais und Reis. Zudem werden diese drei Sorten überwiegend nur in einer Handvoll Länder produziert: USA, China, Brasilien, Indien und in Europa. Diese Konzentration auf nur wenige Getreidearten, die in großem Stil in wenigen, besonders geeigneten Regionen angebaut werden, trägt zwar einerseits zur globalen Ernährungssicherheit bei. Andererseits und gleichzeitig gefährdet sie diese aber auch: Sind doch etliche Länder, darunter viele der ärmsten, auf Importe dieser Grundgetreide angewiesen. Gehen Produktion oder Handel zurück – so wie während der Corona-Pandemie und des Ukraine-Konflikts – steigen die Preise und mehr Menschen hungern.

Klimawandel gefährdet die Erzeugung

Zu diesen Problemen gesellen sich die Folgen des zunehmend spürbaren Klimawandels: Wetterextreme gefährden die Ernten weltweit. Die intensive Landwirtschaft ist dabei nicht nur Opfer des Klimawandels, sondern auch Verursacher, indem sie klimaschädliche Gase emittiert und zu Wasserverschmutzung und dem Verlust an Biodiversität beiträgt. So sind sich Agrarexperten weltweit einig, dass Lebensmittelsysteme umgestaltet werden müssen, um die Ernährungssicherheit langfristig zu sichern. Wird doch die Weltbevölkerung zum Jahr 2050 schätzungsweise auf knapp zehn Milliarden Menschen anwachsen. Am stärksten wächst die Bevölkerung dabei in den Ländern des globalen Südens.

Eine der notwendigen Maßnahmen ist aus diesem Grund die Stärkung der regionalen Lebensmittelproduktion. Und dazu gehört eben der verstärkte und verbesserte Anbau der sogenannten Orphan Crops und auch deren züchterische Bearbeitung. Ihre Vielfalt ist groß und umfasst Hülsenfrüchte, Getreide, Gemüse und Wurzelknollen. Manche von ihnen ernähren Millionen Menschen, darunter die stärkehaltige Cassava-Wurzelknolle (Maniok) und die Zwerghirse Tef. Einige haben es auch schon in die Supermarktregale der Industrieländer geschafft, zum Beispiel Hirse, Süßkartoffeln, Kichererbsen und Quinoa.

Mehr Interesse, mehr Forschung

Trotz ihrer teilweise großen landwirtschaftlichen Bedeutung wurden Orphan Crops bisher wissenschaftlich vernachlässigt. Weil die wirtschaftliche Bedeutung für den Weltmarkt als gering eingeschätzt wurde, fand nur wenig Forschung an ihnen statt. Daher sind viele Sorten genetisch kaum charakterisiert, häufig ist das Erbgut nicht entschlüsselt. Wichtige Informationen, um die Pflanzen hinsichtlich des Ertrags, der Nährstoffzusammensetzung und möglicher Schädlingsresistenzen zu verbessern, sind nicht erfasst. Nun aber wächst das Interesse, unter anderem auch deshalb, weil diese Arten an schwierige Wachstumsbedingungen angepasst sind.

Zum Beispiel die Zwerghirse Tef: Das Getreide stammt aus Äthiopien, wo es seit rund 6000 Jahren angebaut und zum traditionellen Fladenbrot Injera verarbeitet wird. Tef ist reich an Nährstoffen und weist einen hohen Eisen- und Zinkgehalt auf. Und es hat einen geringen glykämischen Index und enthält kein Gluten, auch aus diesem Grund steigt das globale Interesse. Aber: Ertrag und Standfestigkeit des Getreides sind gering. Ein Team um den Biologen Zerihun Tadele an der Universität Bern hat inzwischen bereits mehrere Sorten für unterschiedliche Anbaubedingungen entwickelt. Unterstützt von der Syngenta Stiftung für nachhaltige Landwirtschaft, konnten seit 2017 fünf Sorten für den Anbau in Äthiopien zugelassen werden.

Bei Cassava (Maniok) ist einem US-amerikanischen Team gelungen, unterstützt von der Bill and Melinda Gates-Stiftung, mithilfe gentechnischer Methoden eine Resistenz gegen das Braunstreifen-Virus einzuzüchten. Die Pflanze, die mit Trockenheit und mageren Böden zurechtzukommen vermag, ernährt weltweit beinahe eine Milliarde Menschen. Sie toleriert Trockenheit und gedeiht auch in kargen Böden, aber sie ist anfällig für Viruserkrankungen, die die Ernte empfindlich schmälern können. Wissenschaftler Wilhelm Gruissem von der ETH Zürich hofft, dass weitere Resistenzen mithilfe moderner Züchtungstechniken editiert werden können. Voraussetzung dafür ist allerdings die vollständige Entschlüsselung der Genome. Hier gibt es bereits Initiativen, unter anderem das African Orphan Crops Consortium, welches das Erbgut von 101 afrikanischen Nutzpflanzen entschlüsseln möchte. Bei 80 Pflanzen wurde mit dem Sequenzieren begonnen, acht Genome wurden veröffentlicht, vier weitere stehen kurz davor. Gleichzeitig wurden moderne Züchtungstechniken an verschiedenen Pflanzen getestet: Neben Cassava und Tef wurde die Gen-Schere CRISPR/Cas bereits an Kichererbse, Banane, Kochbanane, Aubergine und Physalis angewendet.

Ob nun Methoden des Genome Editing oder die klassische Züchtung angewendet werden, sollte von der am besten geeigneten Methode abhängig gemacht werden, fordern Züchtungswissenschaftler. Unterschiedliche Gentechnik-Einschätzungen der Länder stehen allerdings der unvoreingenommenen Erforschung und Entwicklung von Orphan Crops im Weg.

Quelle: transgen.de

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