Ob Tempranillo, Syrah oder Chardonnay – deutsche Winzer bieten immer häufiger Weine aus südländischen Rebsorten an. Ursache dafür ist der Klimawandel. Der ermöglicht mittlerweile auch Weinanbau in den nördlichen Bundesländern. Die Anbauer müssen sich allerdings auf neue Krankheiten und Schädlinge einstellen.
Klimawandel bietet deutschen Winzern mehr Chancen als Risiken
1,7 Grad wärmer
Die Grundlage für erfolgreichen Weinbau ist ein geeignetes Klima. Zu den Mindestanforderungen gehören unter anderem eine Jahresmitteltemperatur von 9 Grad Celsius, 1300 Sonnenstunden und 600 bis 700 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Während diese Voraussetzungen bis vor einigen Jahrzehnten nur an milden Standorten überwiegend in der Südhälfte Deutschlands gegeben waren, findet der Weinbau in Deutschland mittlerweile vereinzelt auch in den nördlichen Bundesländern gute Bedingungen.
Vor allem die höheren Temperaturen kommen den Winzern entgegen. Seit Beginn der amtlichen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 ist es in Deutschland bis 2022 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes um 1,7 Grad Celsius wärmer geworden. Der Austrieb und die Reife der Reben verschieben sich deutlich nach vorne, im Verlauf des Sommers bilden sich durch intensivere Sonneneinstrahlung höhere Zuckergehalte in den Trauben.
Klimawandel verändert deutschen Weinbau tiefgreifend
„Der Klimawandel ist bei uns angekommen“, sagt Henrik Schweder. Der Winzer aus Hochstadt (Rheinland-Pfalz) erklärt: „Wärmeliebende Sorten wie der Syrah, der bislang vor allem im Rhonetal zuhause war, können mittlerweile erfolgreich bei uns in der Südpfalz angebaut werden. Sie werden selbst in unserer Cool Climate Region reif. Vor 20 Jahren wäre ihr Anbau noch zu riskant gewesen“.
Winzer reagieren auf die neuen Gegebenheiten mit einem angepassten Sortenspektrum. Zwar dominieren beim Weißwein mit Riesling und Müller-Thurgau und beim Rotwein mit Spätburgunder und Dornfelder nach wie vor traditionelle Sorten. Hohe Zuwachsraten gibt es aber besonders bei wärmeliebenden Reben. Von 2012 bis 2022 verzeichneten die Flächen von Sauvignon blanc ein Plus von 162 Prozent, Chardonnay von 83 Prozent, Merlot von 69 Prozent oder Cabernet von 43 Prozent (Quelle: destatis).
Mit der größeren Sortenauswahl, den besseren klimatischen Voraussetzungen und dem damit einhergehenden höheren Potenzial für bessere Qualitäten ergibt sich für die hiesigen Betriebe eine große Chance: Sie können ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber bedeutenden Weinproduzenten wie Spanien, Italien und Frankreich verbessern.
Neben Chancen gibt es auch Risiken
Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite. Die deutschen Winzer müssen sich auf andere Schädlinge und Krankheiten einstellen. „Die eingewanderte Kirschessigfliege breitet sich immer stärker aus. Sie schädigt vor allem die roten Rebsorten“, so Schweder. Pilzkrankheiten wie Esca würden vermehrt auftreten und besonders ältere Anlagen schädigen. Viele Schaderreger könnten mit gezieltem Pflanzenschutzmittel-Einsatz im Griff behalten werden, Esca jedoch leider nicht. „Wir stellen außerdem fest, dass Pilze allgemein robuster gegenüber Fungiziden geworden sind. Deswegen probieren wir pilzwiderstandsfähige Rebsorten wie Cabernet blanc und Sauvignac aus“.
Kritisch für den heimischen Weinbau seien die höheren Temperaturen in Kombination mit immer häufiger auftretenden mehrwöchigen Trockenphasen. „Auf Südhängen mit kargen Böden kann das Wasser knapp werden. Hier muss gegebenenfalls bewässert werden, um noch gute Ernten erzielen zu können. Auf unseren bindigen Lößlehm-Böden ist das nicht erforderlich“, erklärt der Südpfälzer. Bewässerung ist in vielen südeuropäischen Anbauregionen Standard. Wegen des knappen Wassers wird in manchen Regionen der Weinanbau bereits in Frage gestellt, wie zum Beispiel in Andalusien oder rund um Murcia.
Anbaugrenze wandert nach Norden
Im Nordrand der Anbauzone gewinnt der Weinbau hingegen Flächen dazu. Mittlerweile gibt es in allen deutschen Flächenländern Weinberge. Selbst in Schweden wurden 2023 auf 150 Hektar Reben kultiviert (Quelle: Falstaff).
Lisa und Markus Schäfer aus Vlatten (Nordrhein-Westfalen) haben 2020 den Einstieg in den Weinbau gewagt. Auf 3,8 Hektar ihres Ackerbaubetriebs am Nordrand der Eifel wachsen Sauvignac oder Cabernet Jura. „Wir haben nach einem weiteren Standbein für unseren landwirtschaftlichen Betrieb gesucht. Generell macht uns der Klimawandel zwar Sorgen, aber er bietet die Chance für den neuen Betriebszweig“, so der junge Landwirt. Wichtig sei vor allem, dass sich Zahl und Intensität der Spätfröste vermindert hätten: „Denn bei stärkeren Frösten ab April können die Knospen abfrieren. Das wäre ein K.o.-Kriterium für den Anbau. Die Blüte ist normalerweise nicht gefährdet, weil sie erst spät ab Mitte Mai beginnt“.
Nachdem sie zunächst vieles im Weinberg und Keller mit einem befreundeten Winzer ausprobiert haben, soll mit dem 2024er Jahrgang der Einstieg in die Vermarktung gemacht werden. Die Reben wachsen an einem Südhang auf 300 Meter Meereshöhe. Wenn sich der Klimawandel weiter fortsetze, werde in der Region der ein oder andere weitere neue Weinberg entstehen. „Die Eifel wird aber vorerst nicht als Weinanbaugebiet aufblühen“, so Schäfers Einschätzung. Zumal nach dem Weingesetz derzeit nur jährliche Neupflanzungen im Umfang von 0,3 Prozent (ca. 309 Hektar) der Gesamtfläche in Deutschland genehmigt werden.
Augenmaß bewahren
Bei allen Chancen durch die neuen Rahmenbedingungen spricht sich der Südpfälzer Winzer Henrik Schweder für Augenmaß aus: „Die Trauben werden süßer. Das ermöglicht höhere Alkoholgehalte. Wenn sie aber zu hoch werden, leidet darunter der Trinkspaß. Wir wollen auch weiterhin typisch deutsche Weine produzieren, die sich durch Frische, Fruchtigkeit und Spritzigkeit auszeichnen".
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