Der Klimawandel wird in den letzten Jahren immer offensichtlicher. Die Entwicklung wird sich nach aktuellen Berechnungen fortsetzen und damit immer weitreichendere Konsequenzen nach sich ziehen. Wie kann unsere heimische Landwirtschaft reagieren, um auch in Zukunft die ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen?
Versorgungssicherheit erfordert Anpassungsmaßnahmen
Statistik bestätigt gefühlten Wandel
2018, 2019, 2020 und 2022 waren von teils extremer Sommertrockenheit und 2021 von Starkregenereignissen geprägt. Das ist kein Zufall und passt in die bereits seit vielen Jahren bekannten Prognosen der Klimaforscher. Demnach erwarten uns zukünftig häufiger mildere und feuchtere Winter sowie heißere Sommer mit längeren Trockenphasen und gelegentlichen Starkregenereignissen.
Laut Statistik des Deutschen Wetterdienstes ist die mittlere Temperatur in Deutschland seit 1881 um 1,6 Grad Celsius angestiegen. Besonders in den letzten Jahrzehnten nimmt die Erwärmung Fahrt auf. So hat sich beispielsweise die Zahl der heißen Tage mit über 30 Grad Celsius seit den 1950er Jahren von drei auf neun verdreifacht und die Eistage mit Tageshöchsttemperaturen unter 0 Grad Celsius von 28 auf 19 Tage verringert. Die durchschnittlichen Niederschläge pro Jahr weisen eine leicht steigende Tendenz auf, wobei der Anteil der Winterniederschläge zunimmt.
Wann Pflanzen besonders unter Wassermangel leiden
Überdurchschnittliche Temperaturen und Sonnenschein-Stunden wie im Frühjahr und Sommer 2022 lassen die Böden in Kombination mit trockener Witterung schneller austrocknen und wirken damit auf das Pflanzenwachstum. Vor allem auf sandigen Böden, die maximal 90 Liter pflanzenverfügbares Wasser pro Kubikmeter speichern können. Pflanzen zeigen bereits nach zehn bis 14 Tagen Trockenheit Wassermangel an. Besser sieht es auf Lehmböden aus. Sie können mindestens 210 Liter speichern und halten 18 bis 24 Tage durch.
Je nach Länge und Zeitpunkt der Trockenheit sind unsere Kulturpflanzen unterschiedlich stark betroffen, was von Jahr zu Jahr und von Region zu Region zu schwankenden Ernteerträgen führt. Entscheidend ist das Wetter in der Phase, in der die Pflanze ihren Ertrag bildet. Beim Getreide vollzieht sich das im Frühsommer. Ist der trocken und heiß, leidet darunter die Kornbildung. Die rund drei Wochen vor dem Weizen abreifende Gerste ist in solchen Jahren weniger stark betroffen, weil sie die Winterfeuchtigkeit besser nutzen kann. Ein trockener Hoch- und Spätsommer beeinflusst besonders Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais, die erst im Herbst geerntet werden.
Längere Vegetationszeit, mehr CO2, neue Schaderreger
Mit den höheren Temperaturen setzt die Vegetationszeit früher ein und reicht länger in den Spätherbst hinein. Die Natur hat darauf bereits reagiert. Nach Beobachtungen des Deutschen Wetterdienstes beginnt die Apfel- und Rapsblüte rund 20 Tage früher als noch vor 50 Jahren. Neben dem steigenden Risiko durch Spätfröste berichtete ein Forscherteam des Thünen-Instituts von einer weiteren Gefahr: Blüten und die bestäubenden Insekten könnten sich zukünftig verpassen, weil sich Insekten in ihrer Aktivität von der Tageslänge leiten lassen.
Der höhere Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre ist nicht nur ein Auslöser für den Klimawandel, sondern wirkt heute bereits auf das Pflanzenwachstum. Die Pflanze braucht den Kohlenstoff aus den Gasmolekülen, um organische Substanz aufzubauen. Ein höheres Angebot wirkt ähnlich wie eine Düngung. Der Effekt durch den gestiegenen Gehalt in der Atmosphäre ist aber noch gering.
Mildere Winter bescheren uns üblicherweise mehr Schaderreger wie Blattläuse, Gelbrostpilze oder Weizenverzwergungsviren. Höhere Durchschnitttemperaturen lassen Pflanzen und Insekten wie Samtpappel oder die Asiatische Tigermücke einwandern. Aufgrund der komplizierten Wechselwirkungen mit ihren Gegenspielern ist eine generelle Aussage über die Auswirkungen auf den Kulturpflanzenanbau allerdings kaum möglich.
Wasser sparen, Humus aufbauen, zielgerichtet züchten
Wie können Landwirte und Gärtner auf diese sich verändernden Rahmenbedingungen reagieren? Für alle sichtbar sind die immer mehr werdenden Beregnungseinrichtungen. Doch Wasser wird knapper. Beregnungskanonen sollten verstärkt in der Nacht laufen, weil dann weniger Wasser verdunstet und mehr in den Boden einzieht. In Gemüse- oder Obstkulturen ist eine sparsamere Tröpfchenbewässerung sinnvoller.
Um mehr Wasser im Boden zu halten und ihn widerstandsfähiger gegen Erosion zu machen, hat der Humusgehalt eine Schlüsselfunktion. Durch Düngung mit Kompost und Stroh oder eine angepasste Bodenbearbeitung kann die Landwirtschaft dazu beitragen.
Das Anbauspektrum wird sich verändern. So wandert die Grenze des Weinanbaus weiter nach Norden. Rebsorten, die bislang in Südeuropa zuhause waren, sind jetzt in Mitteleuropa heimisch. Wärmeliebende Soja- und Maispflanzen werden höhere Erträge als bislang liefern. Im Gemüseanbau werden im Freiland mehrere Kulturen in einer Vegetationszeit reif. Die Pflanzenzüchter legen ihren Fokus noch stärker auf neue Sorten, die mit einer hohen Toleranz gegenüber Trockenheit und Schaderregern ausgestattet sind.
Wichtig ist auch eine ständige Begrünung der Flächen. Sie reduziert im Winterhalbjahr die Nitratauswaschung ins Grundwasser oder die Abschwemmung von Boden bei Starkregenereignissen. Aufgrund der kaum abzuschätzenden Folgen beim Schaderregeraufkommen brauchen Landwirtschaft und Gartenbau einen ausreichend großen Werkzeugkasten im Pflanzenschutz, um die Ernten sichern zu können.
An übermorgen denken
Aktuell sind die Auswirkungen des Klimawandels auf den Anbau in Mitteleuropa spürbar, aber größtenteils durch entsprechende Anpassungsmaßnahmen beherrschbar. Falls der Klimawandel weiter ungebremst voranschreitet, werden gravierendere Ereignisse und Folgen auf uns zukommen.
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