Die wilden Verwandten unserer Nutzpflanzen
Die Gewöhnliche Wegwarte nehmen wir heute zum Beispiel als hübsche blaue Blume am Wegesrand wahr. Häufig ohne darüber nachzudenken, dass Zichoriengewächse wie Endivie, Radicchio, Chicorée oder der Zuckerhutsalat aus ihr entstanden sind und ihre Wurzeln auch heute noch zur Herstellung von Kaffee-Ersatz dienen. Oder kennen Sie die Urform der Wassermelone, die Tsamma-Melone? In Afrika wächst sie noch heute, wo ihre großen Samen zu Mehl vermahlen und zum Brotbacken verwendet oder in Öl geröstet werden. Das Fruchtfleisch dagegen ist nicht rot, süß und saftig, sondern weiß bis hellgrün und sehr bitter. Ähnlich verhält es sich mit einigen anderen Wildpflanzen, die erst durch Züchtung zu den Obst- und Gemüsearten geworden sind, die wir kennen und lieben.
Karotte, Möhre oder Mohrrübe
Die orangefarbenen Rüben mit den verschiedenen Namen gehören heute zu unserer täglichen Ernährung einfach dazu – ob pur geknabbert, gedünstet oder gekocht. Ihre Wildform, die Wilde Möhre, ist dagegen weiß, sehr klein und verzweigt. Außerdem hat sie weniger gesunde Inhaltsstoffe als ihre junge Verwandte. Denn die Karotte liefert durch ihre Farbe viel mehr ß-Carotin, die Vorstufe von Vitamin A. Die ersten Möhren tauchten im 16. Jahrhundert in Europa auf. Wahrscheinlich war es Zufall, dass sie sich durchgesetzt haben.
Die Deutschen lieben Bananen
Bananen sind nach Äpfeln das beliebteste Obst der Deutschen. Ihre wilden Vorfahren waren dagegen alles andere als appetitlich. Sie hatten nur wenig Fruchtfleisch, dafür aber sehr viele dicke und ungenießbare Kerne. Unsere modernen Kulturbananen haben zum Glück keine Kerne mehr. Allerdings werden sie deswegen rein vegetativ vermehrt. Dass heute fast alle Bananenstauden genetisch identische Klone sind, macht sie anfällig für Krankheiten.
Tepin – die Mutter aller Chilis
Tepin ist eine kleine und sehr scharfe Chili, die rund um Mittelamerika heimisch ist. Die Beere gilt als "die Mutter aller Chilis“ und hat eine riesige Vielfalt an Farben, Formen und Aromen hervorgebracht: Alle Sorten der Art Capsicum annuum stammen von ihr ab, sowohl die Gemüsepaprika als auch verschiedene Chilis und Co. Auch heute ist Tepin noch sehr beliebt. Meist wird sie jedoch von wildwachsenden Sträuchern gepflückt, da die Pflanze schwer zu kultivieren ist.
Von Teosinte zum Mais
Teosinte, die Wildform unseres goldgelben Maises, ist auf den ersten Blick nicht als Verwandter zu erkennen, obwohl er sich nur in einer Handvoll Gene von diesem unterscheidet. Während der Mais seine Körner offen zur Schau trägt, versteckt Teosinte seine wenigen Körner in einer harten Schutzhülle. Mais hat zwar vergleichsweise wenige Kolben pro Pflanze, dafür sind diese ungefähr 20 Mal größer als die seines dünnen, grünen Vorfahrens.
Wildgras wird zum Weizen
An der Entwicklung von Weizen, unserer wichtigsten Getreideart, waren verschiedene Wildgräser beteiligt. Vor schätzungsweise 500 000 Jahren vereinigten sich der wilde Einkorn und das Gänsefußgras Aegilops speltoides zum Wildemmer. Daraus entstand der Hartweizen, aus dem zum Beispiel Nudeln hergestellt werden. Als sich der Vorläufer des Hartweizens vor etwa 10 000 Jahren mit einem anderen Gänsefußgras hybridisierte, war die genetische Grundlage für unseren Brotweizen gelegt.
Beeindruckende Vielfalt der Kohlfamilie
Die Mitglieder der Kohlfamilie sind zahlreich und sehen völlig unterschiedlich aus. Dabei stammen sowohl Kohlrabi, Blumenkohl und Brokkoli als auch Rosenkohl, Wirsing und viele Varietäten mehr vom Wildkohl, dem Gemüsekohl (Brassica oleracea L.) ab. Das Besondere: Sie alle können miteinander gekreuzt werden. Interessant ist auch, dass je nach Kohlvertreter verschiedene Pflanzenteile als Gemüse gegessen werden: Beim Grünkohl sind es die Blätter, beim Blumenkohl die Blütenknospen und beim Kohlrabi ist es die verdickte Sprossachse. Auch der Raps gehört zur Gattung Kohl (Brassica) und ist eine Kreuzung vom Wildkohl mit einer weiteren Kohlart, der Rübse (Brassica rapa). Wer schon einmal an einem blühenden Rapsfeld vorbei kam, erkennt die Ähnlichkeit der Pflanzen mit dem Gemüsekohl. Doch anders als beim Kohlgemüse werden hier die Samen zu einem der ernährungsphysiologisch wertvollsten Pflanzenöle verarbeitet.
Zuckerrübe
Lange war Zucker ein Luxusgut, das aus Zuckerrohr aus den Tropen gewonnen wurde. Im Jahr 1747 entdeckte der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, dass auch Futterrüben Saccharose enthalten. Jahrzehnte später gelang es seinem Schüler Franz Carl Achard, Rüben mit höherem Zuckergehalt zu züchten. Er entwickelte auch das Verfahren, um Zucker daraus zu gewinnen.
Quelle: pflanzenforschung.de