Die Landwirtschaft steht unter einem enormen gesellschaftlichen Veränderungsdruck und muss gleichzeitig zur Bewältigung multipler Krisen beitragen. Einerseits steigt der Bedarf an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, in einer Welt mit wachsender Bevölkerung, zunehmenden politischen Krisen und weiterhin auftretenden Hungerkatastrophen. Anderseits verringert der Klimawandel die verfügbaren Anbauflächen und sorgt für zunehmenden Wassermangel. Zeitgleich wird der verfügbare Werkzeugkasten für landwirtschafte Betriebe stetig verkleinert – etwa durch den Wegfall von Pflanzenschutz-Wirkstoffen oder durch politisch gewollte Reduktionsziele für Pflanzenschutz- und Düngemittel, zum Schutz von Natur und Artenvielfalt.
Die Transformation der Landwirtschaft kann nicht durch das isolierte Drehen einzelner Stellschrauben gelingen. Ebenso dürfen die unterschiedlichen Herausforderungen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr wird ein intelligentes Zusammenspiel sämtlicher Betriebsmittel und Techniken zur Senkung der Emissionen in die Umwelt, bei gleichzeitigem Erhalt der Produktivität, benötigt. Modernes Saatgut ist dabei ein wichtiger Schlüssel im integrierten Pflanzenbau. So können beispielsweise, dank moderner Sorten mit höherer Krankheitsresistenz, besserer Stresstoleranz und Nährstoffeffizienz, Pflanzenschutz-Reduktionsziele leichter erreicht und Erträge trotz erschwerter klimatischer Bedingungen und schrumpfenden Ackerflächen gesteigert werden.
Welche Züchtungsmethoden gibt es?
Kombinationszüchtung
Bei der Kombinationszüchtung werden Pflanzen gleicher Art, aber verschiedener Linien, also mit unterschiedlichem genetischem Material, miteinander gekreuzt. Die besten Pflanzen werden selektiert und zurückgekreuzt. Der Züchtungsprozess bis zu einer marktreifen Sorte dauert, abhängig von der Kultur, zehn bis 15, teils sogar 30 Jahre.
Bei der Kombinationszüchtung macht man sich unter anderem Methoden des sogenannten SMART-Breeding zunutze. Dabei steht SMART als Abkürzung für Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies (Selektion mit Markern und fortgeschrittenen Reproduktionstechnologien) und beinhaltet Technologien wie Marker assisted selection (Marker gestützte Selektion, MAS). Bei MAS werden bestimmte Sequenzen (zum Beispiel sich wiederholende Basen wie ATTATTATTATT) der DNA genutzt, um anhand des Sorten-spezifischen Musters einen genetischen Fingerabdruck zu erstellen. Dieser ermöglicht die Untersuchung der Pflanzen auf bestimmte Eigenschaften, die mit den Sequenzen korrelieren.
Mutationszüchtung
Durch verschiedene Stressoren wie radioaktive Strahlung oder chemische Substanzen können Pflanzen in ihren Eigenschaften beeinflusst werden, da es zu Mutationen kommt. Wird bei den behandelten Pflanzen eine neue, interessante Besonderheit, beispielsweise ein kurzer Stiel oder bessere Hitzetoleranz, identifiziert, wird diese Eigenschaft durch Selektion und Rückkreuzung in bestehende Kultursorten eingebracht.
Gentechnik
Bei der klassischen Gentechnik wird eine Erbinformation, die beispielsweise eine Resistenz gegen einen Schadorganismus bewirkt, von einem anderen Organismus in die Zielpflanze übertragen. Der Spenderorganismus kann dabei eine resistente Sorte der gleichen Art oder auch artfremd sein. Beispielsweise kann auf das Genmaterial anderer Pflanzenarten, Pilze oder Bakterien zurückgegriffen werden. Bei der Insertion (Einbringung) von artfremdem Material spricht man auch von Transgenese. Ein bekanntes Beispiel dieser Technik stellt die Entwicklung des Goldenen Reises (Golden Rice) dar, in welchen Gene für die Produktion von Beta Carotin eingebracht wurden, um einem Vitamin A-Mangel, und somit früher Erblindung, in Ländern mit Reis als Grundnahrungsmittel, vorzubeugen.
Genome Editing-Methoden
Mit neuen biotechnologischen Verfahren wird das Erbgut einer Pflanze gezielt verändert und somit auch ihre Eigenschaften beeinflusst. Dabei wird die DNA des Zielorganismus mit einem Enzym, zum Beispiel der Genschere CRISPR/Cas9, aufgeschnitten und die zelleigenen Reparaturmechanismen schließen den Schnitt wieder. Dabei kommt es aber häufig zu Fehlern, die bei der Pflanze zur Ausprägung neuen Eigenschaften führen können. Auch das Einfügen kleiner DNA-Fragmente ist möglich.
Genome Editing-Methoden sind besonders schnell, präzise, kostengünstig und sicher. Für die Nutzung der Potenziale und die prinzipielle Verfügbarkeit von innovativem Saatgut für Landwirte wird allerdings dringend ein neuer, wissenschaftlich fundierter Zulassungsrahmen benötigt.
Wie wird modernes Saatgut in der Praxis entwickelt?
Das Wissen über Pflanzengenetik hat besonders in den vergangenen Jahrzehnten rasant zugenommen und dazu geführt, dass die Forschung neue Züchtungsmethoden entwickeln konnte. Dazu gehört auch die gezielte Mutagenese durch Genome Editing, welche schneller und effizienter ist als Kombinationszüchtung, aber am Ende zu keinem anderen Ergebnis als die klassische Mutagenese kommt, die schon seit Mitte der 1960er Jahre angewendet wird und als sicher eingestuft wurde. Dabei können genetische Veränderungen punktgenau an vorher bestimmten Stellen ausgelöst werden, denn die Gene und ihre Funktionen sind bekannt. Die Methode ist präziser, schneller, einfacher und deutlich kostengünstiger als bisherige Verfahren.
Zusätzlich gehört auch die Nutzung von großen genetischen Datensätzen und Künstlicher Intelligenz (KI) zum Bereich der modernen Züchtung. Diese Innovationen ermöglichen die schnellere sowie kostengünstigere Züchtung im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden.
Wofür setzt sich der Fachbereich Pflanzenzüchtung ein?
Seit der Gründung des IVA-Fachbereichs Pflanzenzüchtung im Mai 2022, neben den Fachbereichen Pflanzenschutz, Pflanzenernährung und Biostimulanzien, setzen sich die derzeit vier Mitgliedsfirmen (Stand: Dezember 2022) für eine verantwortungsvolle Gestaltung der Landwirtschaft von morgen ein. Sie unterbreiten im Dialog mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft pflanzenzüchterische Vorschläge zur Bewältigung bestehender Herausforderungen. Dazu gehört unter anderem die Förderung der modernen Züchtung und Nutzung der Potenziale von innovativem Saatgut, eine innovationsorientierte Regulierung, der effektive Sortenschutz mit einer adäquaten Patentregulierung sowie der freie und regelbasierte internationale Handel.
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