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Das Wintergemüse Grünkohl erlebt eine Renaissance in der Gastronomie. Foto: Thomas Wagner, BDG
30.11.2011
Umwelt & Verbraucher

Wintergemüse will Kultstatus – der Grünkohl

Wächst nur auf kleiner Fläche und ist doch in aller Munde

Ostfriesische oder Oldenburger Palme, exotische Kosenamen für ein durch und durch bodenständiges Gemüse, den Grünkohl. Er gilt als „Vitaminbombe“ und erlaubt zahllose schmackhafte Zubereitungsvarianten. Zum Kultstatus tragen Grünkohlkönige und eine Grünkohlakademie bei. Wer ihn mit Erfolg anbauen will, braucht gute Kenntnisse in Gemüsebau und Pflanzenschutz. 

Er gehört zu Norddeutschland ebenso wie der Rettich zu Süddeutschland. Besonders in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist er zuhause. Grünkohl wurde 2011 bundesweit auf gerade einmal 940 Hektar angebaut. Zum Vergleich: Kartoffeln wuchsen dagegen auf 259 400 Hektar*. Trotzdem erreicht das Gemüse nahezu Kultstatus. Woher kommt die Beliebtheit? 

Lecker und gesund

„Lieber heimischen Kohl kauen als teure Tabletten schlucken.“ Das rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Grünkohl ist wegen seines hohen Gehalts an Vitamin C, Provitamin A (Beta-Carotin) und Vitamin E sehr wertvoll. Die Pflanze ist reich an Mineralstoffgehalt wie Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen sowie an Ballaststoffen. Außerdem ist Grünkohl sehr eiweißreich. Damit ist das Gemüse ideal, um den Speiseplan im Winter zu ergänzen. Dass Grünkohlgerichte oft sehr energiereich sind, liegt hingegen an den Zutaten, die ihnen die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen verleihen. Geräucherter Speck, Schweinebacke, Schweineschmalz, Pinkel (geräucherte Grützwurst) oder Kohlwurst haben es „in sich“. Deshalb empfiehlt die DGE, das Gemüse stattdessen beispielsweise mit magerem Kasselerkotelett zuzubereiten. Gegenwärtig erlebt der Grünkohl in der Gastronomie eine Renaissance. 

Merkel und Wulff für Kohl

Für den Grünkohl sprechen aber nicht nur die inneren Werte. Am Kult basteln auch PR-Strategen. Die niedersächsische Stadt Oldenburg beispielsweise kürt regelmäßig prominente Politiker zu Grünkohlkönigen, um für die Region und ihr Erzeugnis zu werben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff zählen unter anderem zu den gekrönten Häuptern. Oldenburger waren es auch, die auf die Idee kamen, eine Grünkohl-Akademie zu gründen. Seit dem Wintersemester 2011/2012 werden im Internet die drei „Kohloquien“ „Kohltourgeschichte“, „Kohlografie“ und „Kohlinarik“ angeboten. Als Belohnung winkt ein nicht ganz ernst gemeintes Grünkohl-Diplom.   

Gemüse vor Schaderregern schützen, um Qualität zu sichern

Besonders bei der Frischvermarktung achten Verbraucher auf hohe Qualität. Gelbe oder vertrocknete Blätter sind ebenso wenig marktfähig wie Blätter mit Eiern, Raupen oder Fraßspuren von diversen Schaderregern, die Grünkohl sehr zu schätzen wissen. Deshalb achten die Anbauer sehr genau auf die wertvolle Kultur und setzen bei Bedarf Pflanzenschutzmittel ein, die sie entsprechend den Anwendungsbestimmungen anwenden müssen. Kohlweißling, Kohl- und Minierfliegen, mehlige Kohlblattlaus und die Weiße Fliege können andernfalls so große Schäden anrichten, dass die Ware nicht mehr verkäuflich ist. Gegen die Kohlhernie sind die Pflanzenschutzmittel machtlos. Die Krankheit, bei der die Pflanzen kümmern und welken, wird durch einen im Boden lebenden Pilz ausgelöst. In diesem Fall helfen nur mehrjährige Anbaupausen und eine gute Kalkversorgung des Bodens (pH 7).  

Frostfrei geht auch

Herbst- und Winterzeit ist Grünkohlzeit. Die Ernte beginnt im Oktober und reicht bis in den Winter hinein. Grünkohl für die Frischvermarktung wird von Hand geerntet. So können die krausen Blätter sauber von den festen und wenig schmackhaften Rippen getrennt werden. Entgegen der landläufigen Meinung braucht „moderner“ Grünkohl keinen Frost, um gut zu schmecken. Denn die neuen Sorten enthalten kaum noch Bitterstoffe und mehr Zucker. Der süße Geschmack wird zusätzlich durch kühle Temperaturen verstärkt, weil diese den Zuckerabbau in den Blättern hemmen. Das Gemüse braucht besonders im Sommer reichlich Wasser, damit es üppig wächst. Zur Ernte wünschen sich die Anbauer trockene Witterung, damit der Kohl seine Qualität behält und länger lagerfähig bleibt. 

Gemüse mit Geschichte

Grünkohl wurde erstmalig im Jahr 400 vor Christus in einer griechischen Quelle beschrieben. Der krausblättrige Blattkohl zählte später in der römischen Küche zu den Delikatessen. Heute wird er in Mittel- und Westeuropa, Nordamerika sowie Ost- und Westafrika angebaut. In Deutschland beanspruchen Oldenburg und Bremen für sich, die Zentren des Grünkohlanbaus zu sein. Grünkohl ist eine zweijährige Pflanze. Er bildet im zweiten Jahr große gelbe Blütenstände, wenn er nicht – wie im Regelfall – schon vorher geerntet wird.

* Quellen Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI),

   Bundesministerium für Ernährung. Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)

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