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Die erste Triticale-Sorte wurde in Deutschland 1968 zugelassen. Foto: Matthias Wiedenau
22.07.2022
Schule & Wissen

Triticale: halb Weizen, halb Roggen

Inhaltsstoff der Herbstzeitlosen machte gezielte Züchtung möglich

Ertrag- und proteinreich, winterhart und auch für weniger gute Standorte geeignet – Triticale hat viele Stärken. Die ersten Sorten wurden ab 1968 zugelassen. Doch wie sieht Triticale eigentlich aus?

Wissenswert

Menschen, die mit offenen Augen durch die Kulturlandschaft laufen, stellen sich sicherlich oft die Frage, was für ein Getreide auf dem Feld vor ihnen steht. Gerste oder Hafer sind vor der Ernte leicht zu erkennen, die langen Grannen beziehungsweise der rispenartige Aufbau des Fruchtstands verraten sie. Auch das ist einfach: Weizen ist überwiegend unbegrannt und Roggen nur kurz begrannt und deutlich größer als die anderen Arten. Schwieriger wird es bei Triticale: Sie hat den kleineren Wuchs vom Weizen, die langen Ähren und die Grannen vom Roggen.

Die Ähnlichkeit zu Weizen und Roggen kommt nicht von ungefähr. Triticale ist nämlich eine Kreuzung aus Weizen als Mutter und Roggen als Vater. In der Pflanzenzüchtung wird der weibliche Kreuzungspartner immer zuerst genannt. Daher auch der Name, der aus Silben der botanischen Bezeichnungen für Weizen (Triticum aestivum) und Roggen (Secale cereale) zusammengesetzt wurde. Nach dem Willen der Züchter soll in dem neuen Getreide das Beste aus zwei Welten kombiniert werden: die Ertragsfähigkeit und die Kornqualität vom Weizen mit der Robustheit und Eignung für schlechtere Böden vom Roggen. Eigentlich also das ideale Getreide. Doch leider lässt die Backeigenschaft zu wünschen übrig, die unter anderem durch die Verkleisterungsfähigkeit der Stärke, die Fallzahl und den Sedimentationswert beeinflusst wird. Nur ein kleiner Teil der Ernte wird daher als Vollkorn- oder Fladenbrot oder in Mischbroten für die menschliche Ernährung genutzt. Mehr als 50 Prozent gehen in die Schweine- und Geflügelfütterung. Weil die Körner stärkereich sind, eignen sie sich außerdem für die Bioethanol-Erzeugung. Ein Teil der Triticale-Flächen wird bereits vor der Körnerreife geerntet. Die sogenannte Ganzpflanzensilage dient der Erzeugung von Biogas oder der Rinderfütterung.

Triticale wird daher besonders in Regionen mit hoher Viehdichte angebaut. Aufgrund des vom Roggen geerbten intensiven Wurzelnetzes kann das Getreide die Bodennährstoffe besser erschließen als Weizen. Deshalb zeigt es auf nährstoffärmeren Böden oder zu Trockenheit neigenden Lagen höhere und stabilere Erträge. Typische Standorte sind zudem Mittelgebirgslagen.

Triticale ist ein ganz junges Getreide. Einige wenige fruchtbare Kreuzungen zwischen Weizen und Roggen gelangen dem deutschen Züchter Wilhelm Rimpau bereits im Jahr 1888. Wenn die Kreuzungen nicht fruchtbar sind, muss Triticale immer wieder aufs Neue aus Weizen und Roggen gekreuzt werden. Der Durchbruch in der Züchtung markierte 1937 der Einsatz des Alkaloids Colchizin, einem Inhaltsstoff der Herbstzeitlosen. Colchizin beeinflusst bei der Teilung des Zellkerns die Chromosomenzahl und sorgt für fruchtbare Nachkommen, die sich untereinander wieder kreuzen lassen. So können die Züchter gezielter Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften selektieren. In der Folgezeit wurde vor allem in Polen und Ungarn an erfolgsversprechenden Sorten gearbeitet. Die erste Sorte wurde 1968 zugelassen.

Herkunft und Ansprüche

Triticale (x Triticosecale Wittmack) ist eine Pflanze der gemäßigten Zone mit einer großen ökologischen Streubreite. Sie ist besonders in Europa verbreitet. Wegen der Winterhärte kann sie aber auch in kontinentaleren Klimaten wie in Russland angebaut werden. Eine in unseren Breiten weniger ertragreiche Sommerform gibt es ebenfalls. Vereinzelt wächst sie sogar auf Äckern in den Tropen und Subtropen. Im Idealfall steht Triticale auf tiefgründigen, regelmäßig mit Wasser versorgten Lehmböden mit einem pH-Wert zwischen 5,5 und 6,5.

Anbau

Die Wintervariante sollte vor der Vegetationspause zwei bis vier Bestockungstriebe gebildet haben. Je nach Standort muss die Saat dann ab Mitte September bis Ende Oktober erfolgen. Der Landwirt bringt 220 bis 350 Körner pro Quadratmeter 2 bis 3 Zentimeter tief aus. Roggenähnlichere, langstrohige Sorten weisen zur Ernte 450 bis 500 Ähren pro Quadratmeter auf, weizenähnlichere Sorten hingegen 500 bis 600, die aber dann weniger Körner pro Ähre enthalten.

Pflanzenschutz und Düngung

In den ersten Jahren galt Triticale als gesunde Kultur. Mittlerweile haben sich die Schaderreger wie Gelbrost jedoch auf die Kultur eingestellt. Der Pflanzenschutz-Aufwand für Unkraut-, Krankheits- und Insektenbekämpfung ist ähnlich wie beim Weizen. Die Stickstoffdüngung kann aber aufgrund des dichteren Wurzelnetzes etwas reduziert werden.

Ernte und Lagerung

Das Ertragspotenzial ist bei guten Bedingungen mit über 12 Tonnen pro Hektar ähnlich hoch wie das vom Weizen. Die Körner sind erntereif, wenn sie hart sind und weniger als 14,5 Prozent Feuchtigkeit aufweisen. Dann sind sie auch ohne Trocknung über viele Monate lagerfähig.

Zahlen

Triticale erzielte in Deutschland 2019 bis 2021 einen mittleren Ertrag von 5,97 Tonnen pro Hektar. Bei Weizen waren es 7,51 Tonnen. Allerdings wuchs Triticale im Mittel auf schlechteren Böden. Der Anbauumfang sank in den letzten Jahren kontinuierlich von mehr als 500 000 Hektar (2002) auf 328 300 Hektar (2021). Zum Vergleich stand Weizen 2021 auf 2 939 000 Hektar. (Zahlen: destatis). Die weltweit größten Triticale-Produzenten 2020 waren Polen mit 6,1, Deutschland mit 2,0, Belarus mit 1,5 und Frankreich mit 1,3 Millionen Tonnen (Quelle: FAO).

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