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Roggen wird in Deutschland bevorzugt auf sandigen Böden angebaut, weil er dort mit seinem verzweigten Wurzelnetz anderen Getreidearten überlegen ist. Foto: agrar-press
10.11.2016
Schule & Wissen

Roggen: Vom Brotgetreide zum Multitalent

Ertragssicherste Fruchtart auf schwachen Böden

Der kräftige, aromatische Geschmack ist typisch für Backerzeugnisse aus Roggenmehl. Roggen- und Mischbrote erweitern die Auswahl in Bäckereien enorm. Die überwiegende Menge des hierzulande angebauten Roggens geht allerdings ins Tierfutter sowie in die Bioethanol- und Biogaserzeugung. Das bis zu 2 Meter hohe Getreide ist hart im Nehmen – kalte Winter, trockene Sommer und sandige Böden können ihm nichts anhaben. Auf Braunrost reagiert es aber empfindlich.

Wissenswertes

Roggen bringen wir automatisch mit Brot in Verbindung. Dabei ist das Backen nicht so einfach wie mit Weizen, unserem mit Abstand wichtigsten Backgetreide. Ohne Zusatz von Sauerteig fällt Teig aus Roggenmehl zusammen. Die Milchsäurebakterien und Hefepilze im Sauerteig fördern die Bildung einer gelockerten Backware mit elastischer Krume, aromatischem Duft und Geschmack sowie längerer Frische.

In Deutschland stieg Roggen im 12. und 13. Jahrhundert zum Hauptbrotgetreide auf. In der Dreifelderwirtschaft war er ein Fruchtfolgeglied neben Gerste oder Weizen und Brache. Bis zum Zweiten Weltkrieg übertraf seine Anbaufläche noch die des Weizens. Mittlerweile bauen Deutschlands Landwirte aber sechsmal so viel Weizen wie Roggen an. Im Mittel der letzten Jahre schwankten die Erntemengen zwischen 3 und 4 Millionen Tonnen. Davon werden nur rund 0,75 Millionen Tonnen zu Mehl vermahlen. Etwa die Hälfte der Ernte geht hingegen ins Tierfutter, die übrige Menge überwiegend in die Bioethanol-Produktion. In den Raffinerien werden den Treibstoff-Sorten „Super“ 5 Prozent und „Super E10-Benzin“ 10 Prozent beigemischt. Außerdem dient ein kleiner Anteil der Roggenernte der Branntweinherstellung (Wodka, Korn, Rye-Whisky) und als Kaffeeersatz.

Durch den Biogasboom in Deutschland ist Roggen wieder häufiger auf den Feldern zu sehen. Sogenannter Grünroggen ergänzt in vielen Biogasanlagen die gängigen Substrate wie Mais, Schweinegülle oder Rindergülle. Die Landwirte nutzen dafür die ganze Pflanze. Spezielle Sorten bilden große Blatt- und Halmmassen und sind deswegen durchaus lukrativ.

Herkunft und Ansprüche

Die Heimat des Roggens (Secale cereale) befindet sich wahrscheinlich am Schwarzen Meer. Seit 4000 v. Chr. wird er systematisch angebaut. Ab 500 n. Chr. fand er nach Mitteleuropa. Heute ist er in Deutschland vor allem in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zu finden. In diesen Bundesländern gibt es viele sandige Böden mit schlechter Wasserversorgung. Hier kann der Roggen seine Stärke ausspielen: Dank seines tiefenreichenden und verzweigten Wurzelnetzes bringt Roggen selbst in trockenen Jahren im Vergleich zu anderen Kulturen sichere Erträge. Er verträgt Temperaturen bis minus 25 Grad Celsius und ist damit das frosthärteste Getreide.

Anbau

Roggen ist überwiegend als Wintergetreide im Anbau. Im Herbst ausgesät, benötigt er den Kältereiz im Winter, um im Frühjahr schossen und Ähren mit Körnern bilden zu können. Typisch für Roggen ist der hohe Anteil von Hybridsorten. Die Züchterfirmen kreuzen zu diesem Zweck ganz gezielt Inzuchtlinien miteinander. Die daraus hervorgehenden Pflanzen sind leistungs- und widerstandsfähiger als ihre Eltern. Der Effekt hält aber nur eine Generation an.

Pflanzenschutz und Düngung

Im Vergleich zu anderen Wintergetreidearten hat Roggen eine geringere Anfälligkeit gegenüber Ährenfusariosen und Blattkrankheiten. Eine Ausnahme sind Rostkrankheiten, die immer sehr genau beobachtet und bei Bedarf bekämpft werden müssen. Mutterkorn kommt heute nur noch selten vor. Die Anbauer verringern das Risiko, indem sie unempfindliche Sorten wählen, auf gleichmäßige Bestände achten und diese ausgewogen düngen. Roggen hat aufgrund des gut ausgebildeten Wurzelsystems das beste Nährstoffaneignungsvermögen aller Getreidearten. Trotzdem muss er gezielt nach Bedarf gedüngt werden, damit er sein Ertragspotenzial ausschöpfen kann.

Ernte und Lagerung

Mähdrescher ernten die Roggenfelder im Juli und August. Ab einer Kornfeuchte von 14 Prozent ist das Getreide dauerhaft zu lagern. Falls es feuchter geerntet wird, muss es getrocknet werden. Grünroggen ernten Anbauer hingegen schon im Mai, wenn die Ähre sichtbar wird. Sie decken das Erntegut luftdicht ab. Die Milchsäuregärung konserviert die Pflanzenteile für den Einsatz in der Biogasanlage. Weil die Äcker schon sehr früh frei werden, können Landwirte danach noch eine zweite Kultur, wie zum Beispiel Mais, anbauen und im Herbst ernten.

Zahlen

2016 wuchs auf rund 0,58 Millionen Hektar Roggen (Weizen: 3,22 Mio. Hektar). Die Durchschnittserträge lagen von 2014 bis 2016 bei 57,8 Dezitonnen pro Hektar (Weizen: 81,3 Dezitonnen; Quelle: Destatis). Aus einem Hektar Grünroggen (11,2 Tonnen Trockenmasse) werden ungefähr 2877 Kubikmeter Methan (Silomais: 17,8 Tonnen Trockenmasse, 5038 Kubikmeter; Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe). Etwa 3,4 Prozent der deutschen Getreideernte wurde 2015 zu Bioethanol verarbeitet (Quelle: Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft).

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