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Leere Puppen von Hermetia-Fliegen. Foto: Catrin Hahn
02.02.2021
Umwelt & Verbraucher

Fliegende Pflanzenschützer und Futtermittel

Insektenproduktion für verschiedene Nutzungszwecke

Beim Wort Insekten denken die wenigsten Menschen an nützliche Helfer. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass sie sogar eigens gezüchtet werden. Doch die Firma Katz Biotech in Brandenburg produziert Insekten, die als Nützlinge Schadinsekten vertilgen oder als Futtergrundlage für Haus- oder Nutztiere dienen.

Die Firma produziert Insekten für verschiedenste Zwecke. Gegründet wurde sie 1992 von den Brüdern Heinrich und Peter Katz mit dem Ziel, Antagonisten wie Florfliegen, Schlupfwespen und Raubmilben zu erzeugen, die Schädlinge im Zaum halten können. Die biologische Schädlingskontrolle wurde damals vor allem im Gewächshaus-Gartenbau immer bedeutsamer, ebenso die Verwendung von Hummeln zur Bestäubung.

Nachdem das Unternehmen im Jahr 2003 von Baden-Württemberg ins südlich von Berlin gelegene Baruth/Mark umgezogen war, machte es sich international einen Namen mit der Erzeugung von Insekten und Milbenarten zur biologischen Schädlingsbekämpfung, Hummelvölkern für die Bestäubung und Organismen für Pflanzenschutzmittelversuche. In einem firmeneigenen Forschungszentrum in Berlin, dem „Insektentechnologiecenter“ befassen sich Wissenschaftler mit der sogenannten Insektenbiotechnologie, auch Gelbe Biotechnologie genannt. Sie untersucht unter anderem Milben- und Insekteninhaltsstoffe hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten.

Neuzugang Soldatenfliege

Seit 2006 erforscht man bei Katz Biotech auch die Potenziale der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) als Proteinquelle für Nutz-und Heimtiere. „Wir haben als erster in Europa die großtechnische Zucht hinbekommen“, erinnert sich Heinrich Katz. Für die industrielle Erzeugung wurde die Tochterfirma Hermetia Baruth GmbH gegründet; seit 2014 können hier Insekten im Tonnenmaßstab produziert werden.

Der Produktionsprozess für das Larvenprotein ist extrem effizient: Erwachsene Fliegen schlüpfen aus Puppen und nutzen ihr gesamtes, etwa zwölftägiges Leben zur Fortpflanzung. Die Weibchen legen Eigelege, die gesammelt und in großen Behältern „ausgebrütet“ werden. Die kleinen Larven bekommen für einige Tage nährreichen „Babybrei“ aus Legehennenmehl, bevor sie in größere Reaktoren umziehen und dort fertig gemästet werden. Sie leben bei angenehmen Temperaturen in einer dicken Futter-Schicht, also ganz ähnlich wie die sprichwörtliche „Made im Speck“.

Ist die Mastphase beendet und die Larve kurz vor der Verpuppung, ist es Zeit für die Weiterverarbeitung. Die Larven werden ausgesiebt, mithilfe von Hitze getötet und getrocknet. In nicht einmal einem Monat entstehen auf etwa 300 Quadratmeter Zelt- und Reaktorfläche aus 5 Kilogramm Eigelegen stolze 30 Tonnen Larven-Frischmasse.

Hunde- statt Fischfutter

Zwar ist die ursprünglich angedachte Nutzung als Fischfutter bis heute aus rechtlichen Gründen nicht möglich; um den Absatz ihrer Fliegenmaden müssen sich die Gebrüder Katz aber dennoch keine Sorgen machen. Die etwa 200 Tonnen Insektenmehl, die die Anlage in Baruth jährlich herstellt, werden ihnen praktisch aus den Händen gerissen. Großes Interesse haben zum Beispiel die Produzenten von Hundefutter. Insektenprotein hat kein allergenes Potenzial und das Eiweiß ist sehr gut verträglich. Um den riesigen Bedarf in diesem Bereich zu decken, war eigentlich die Fertigstellung einer großen Produktionsanlage nördlich von Berlin geplant. Der Fund der roten Zauneidechse auf dem künftigen Werksgelände hat das Projekt jedoch gebremst.

Was darf ein Futtermittel fressen?

Noch ungeklärt ist auch die Frage, was die Fliegenlarven fressen dürfen. „Es ist ja eigentlich Aufgabe von Insekten im Kreislauf der Natur, Reststoffe zu beseitigen“, erklärt Katz. Doch hier gerät der Kreislauf der Natur in Konflikt mit dem Gesetz. Insekten, vor allem solche, die als Lebens- oder Futtermittel erzeugt werden, gelten als „Nutztiere“ und dürfen nur zugelassene Futtermittel erhalten: „Das ist natürlich suboptimal. Wirklich nachhaltig wird es ja erst, wenn wir Reststoffe verfüttern dürfen“. Um den Hürden der Lebens- und Futtermittelverordnungen aus dem Weg zu gehen, haben sie auch die Nutzung im technischen Bereich untersucht. Katz zeigt Fläschchen mit klaren Flüssigkeiten: „Das sind Kerosin und Diesel aus Insektenfett. Wir haben zum Beispiel die Idee, auf dem Münchener Flughafen alle Lebensmittelabfälle zur Fliegenlarvenproduktion einzusammeln und aus dem Fettanteil Diesel für die Flughafenfeuerwehr herzustellen“.

Landwirte als Fliegenzüchter

Ein Produktionsprozess, für den man Wärme braucht und den man mit Reststoffen betreiben kann? Da kann doch das Interesse der Landwirte nicht weit weg sein. Und richtig: Katz Biotech hat bereits zwei Besuchstage mit Landwirten veranstaltet, die Interesse an der Produktion der Fliegenlarven haben. Allerdings stocken auch hier die Planungen wegen der Schwierigkeiten der Futtermitteldeklaration und baurechtlicher Probleme. Dennoch ist Katz guter Dinge, dass sich hier ein interessanter Betriebszweig entwickeln wird: „Landwirte sind extrem kreativ bei der Suche nach Alternativen!“

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