Keimung löst Umwandlungsprozesse in Samenkörnern aus
Sprossen verfeinern Salate, Suppen, Frühlingsrollen, Eintöpfe, Aufläufe, Müslis oder einfach nur das Käsebrot. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Denn der Geschmack der verschiedenen Sprossenarten ist sehr vielseitig. Die Keimlinge aus Gerste, Hafer oder Weizen schmecken mild bis lieblich. Hülsenfrüchte sind mild bis nussig. Kresse, Zwiebel oder Rettich sorgen für pikante bis scharfe Gaumenfreuden.
Die Sämlinge der meisten Nahrungspflanzen sind essbar und sehr bekömmlich. Ausnahmen bilden jedoch Nachtschattengewächse wie Kartoffeln, Tomaten oder Paprika aufgrund ihres hohen Alkaloidgehalts. Rohe Bohnen, Linsen, Bockshornklee, Sojabohnen oder Erbsen sollten zumindest erhitzt werden, um damit das gesundheitsschädigende Phasin zu zersetzen.
Keimung stellt alles auf den Kopf
Nicht umsonst haben Sprossen so ein gutes Image. Sie enthalten nämlich wertgebende Inhaltsstoffe in bemerkenswerten Konzentrationen, die deutlich über denen in ausgewachsenen Pflanzen liegen. Vitamin B1, B2, C, E, Niacin, Mineral- und Ballaststoffe sowie sekundäre Inhaltsstoffe zählen dazu. Das Verblüffende daran ist, dass die Samen, aus denen die Keimlinge hervorgehen, eine ganz andere Zusammensetzung aufweisen. Gelangt Wasser an das Samenkorn, quillt und keimt es. Eine Kettenreaktion setzt ein. Verdauungshemmende Substanzen verschwinden. Pflanzenhormone und Enzyme entstehen. Sie wandeln die eingelagerten Reservestoffe Stärke, Fette und Proteine in Einfachzucker, Vitamine sowie essenzielle Amino- und Fettsäuren um. Wie zum Beispiel in Omega 3-Fettsäuren. Alles das, was die junge Pflanze für ihr Wachstum benötigt und was für die menschliche Ernährung überwiegend nützlich ist.
Klar sollte sein, dass ein paar Keimlinge zur Verzierung auf dem Brot natürlich nicht ausreichen, um den täglichen Bedarf der wichtigen Nahrungskomponenten zu decken. So sind beispielsweise 60 Gramm Weizenkeime oder alternativ 500 Gramm Kichererbsensprossen für die empfohlene Vitamin B1-Menge erforderlich.
Noch relativ neu bei uns
Sprossen erlebten in den 1980er Jahren bei uns einen regelrechten Boom. Die geschmacklich so vielseitigen und gleichzeitig so gesunden Keimlinge durften in keiner guten Küche fehlen. Den besonderen Wert junger Pflanzen haben die Chinesen bereits vor mehr 3000 Jahren entdeckt. Spätestens ab dem 13. Jahrhundert züchteten auch Inka und Azteken Sprossen. Über die USA kamen sie Mitte des 20. Jahrhunderts nach Europa.
Selbst züchten geht auch
Mittlerweile werden Sprossen in spezialisierten Betrieben im großen Stil produziert. Sie sind verhältnismäßig anspruchslos und über das ganze Jahr hinweg aus deutschem Anbau oder als Importware verfügbar. Es ist aber auch ohne großen Aufwand möglich, selbst Keimlinge zu züchten. So unter anderem mit speziellen Keimgeräten für den Hausbedarf. Ein Einmachglas tut es ebenfalls. Darin werden die gewaschenen Samen über einige Stunden eingeweicht. Dann lässt man das Wasser ablaufen, hält die Samen aber gleichmäßig feucht und spült sie regelmäßig mit frischem Wasser. Die Temperatur- und Feuchtigkeitsansprüche sind von Art zu Art unterschiedlich. Im Dunkeln keimen die meisten Samen besser. Nach der Keimung bewahrt man das Glas mit den Sprossen an einem hellen Ort ohne direkte Sonneneinstrahlung auf. Nach zwei bis drei Tagen sind die Sprossen erntereif.
Hygiene ist ein Muss
Frische Ware sollte möglichst zeitnah verzehrt werden. Luftdicht verpackt hält sie sich maximal zwei bis drei Tage im Kühlschrank. Vor dem Verzehr sollten die Sprossen auf jeden Fall gründlich gewaschen und sicherheitshalber für zwei Minuten auf mindestens 70 Grad Celsius erhitzt werden. So können die anhaftenden Bakterien unschädlich gemacht werden. Hygiene ist bei Sprossen besonders wichtig, weil sie unter feuchten und warmen Bedingungen gezüchtet werden, die auch Bakterien mögen. Was passieren kann, wenn Erzeuger und Verbraucher Hygieneregeln nicht beachten, lehrt das Jahr 2011. Toxine bildende Escherichia coli-Bakterien an Keimlingen waren damals die Ursache für die große EHEC-Epidemie in Deutschland. In deren Verlauf starben 53 Menschen, fast 4000 erkrankten, zum Teil schwer.