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Maiszüchterin Dr. Susanne Groh im Zuchtgarten, wo die Elternlinien kurz vor der Ernte begutachtet werden. Foto: Corteva Agriscience
30.03.2024
Forschung & Technik

Susanne Groh: „Neue Technologien verändern die Pflanzenzüchtung“

Geschwindigkeit in der Züchtung entscheidet wesentlich über den Erfolg

Sie konnte sich schon früh für Genetik und Forschung begeistern. Das IVA-Magazin sprach mit Dr. Susanne Groh, die ihre Neigung zum Beruf gemacht hat. Dieser Beruf fasziniert sie auch nach 25 Jahren noch immer. Die Agrarbiologin reizt besonders die Verknüpfung konventioneller Verfahren mit innovativen Techniken und die Vielseitigkeit der Arbeit.

Frau Dr. Groh, wie sind Sie zur Pflanzenzüchtung gekommen?

Pflanzenzüchtung ist für mich „Genetik zum Anfassen“. Ich konnte mich schon während der Schulzeit für das Thema begeistern. Im Studium war von Anfang klar, dass ich in die Pflanzenzüchtung will. Nach beruflichen Stationen in der Mais- und Hafer-Forschung bin ich seit 1999 bei Pioneer Hi-Bred (heute Corteva Agriscience) in der Maiszüchtung tätig. Ich schätze die Vielseitigkeit und den saisonalen Charakter meiner Arbeit. Im Sommer verbringe ich viel Zeit draußen auf dem Feld und zu anderen Zeiten am PC mit Auswertungen und wissenschaftlichen Aspekten. Außerdem motiviert mich das Ziel, mit neuen Sorten begrenzte Agrarflächen optimal zu nutzen, ohne die Umwelt stärker zu belasten. Damit kann ich gleichzeitig einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.

Womit beschäftigen sie sich aktuell?

Momentan arbeite ich an neuen ertragsstabilen Maissorten für den nordeuropäischen Markt. Die müssen unter Stressbedingungen gute Erträge bringen. Dafür benötigen sie unter anderem Trockenstresstoleranz, Toleranzen gegen Krankheiten oder Standfestigkeit bei Wind. Natürlich müssen auch die Erträge stimmen. Durch unsere Silomaissortenzum Beispiel realisieren wir hohe Methanerträge beim Einsatz in Biogasanlagen sowie hohe Milchleistung beim Einsatz in der Rinderfütterung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung und Anwendung innovativer wissenschaftlicher Methoden, um unsere Zuchtziele schneller zu erreichen. Neue Technologien werden die Pflanzenzüchtung verändern.

Wie gehen Sie denn vor, um beispielsweise Trockenstresstoleranz in eine Sorte hineinzuzüchten?

Wir nutzen klassische Züchtungsverfahren und kreuzen Elternlinien mit den gewünschten Merkmalen, beispielsweise eine Linie mit hoher Trockenstresstoleranz mit einer Linie mit hohem Ertrag. Die Nachkommen werden dann getestet: Bei welchen Pflanzen rollen sich die Blätter bei Trockenstress erst spät ein und bringen diese gleichzeitig einen hohen Ertrag? Demnach werden die besten Elternlinien ausgewählt. Die aus der erneuten Kreuzung hervorgehenden sogenannten Experimentalhybriden prüfen wir dann an verschiedenen Versuchsstandorten über mehrere Jahre.

Und an welcher Stelle kommen die erwähnten innovativen Methoden ins Spiel?

Ein Beispiel sind genomische Vorhersagemethoden, die mittlerweile aus der Züchtung nicht mehr wegzudenken sind. Dabei werden die gesuchten Pflanzenmerkmale auf Basis von DNA-Markerdaten vorhergesagt, die zuvor an einem Trainingsset von Pflanzen im Rahmen von Feldversuchen kalibriert worden sind. Ich kann die Leistung der Linien also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon vor dem ersten Feldversuch einschätzen. Überhaupt ist die konventionelle Pflanzenzüchtung im Umbruch. Am Anfang meiner Berufstätigkeit bin ich noch mit ausgedruckten Feldbüchern in die Versuche gegangen und habe die Pflanzen manuell bonitiert. Heute nutzen wir automatische Datenerfassung, die auf bildverarbeitenden Algorithmen von Drohnendaten basieren. Der Trend geht weiter in Richtung komplexer Wachstumsmodelle, die KI-basierte Methoden integrieren. In den nächsten Jahren werden wir an weiteren spannenden Innovationen arbeiten. Ziel der neuen Techniken ist es, Zeit einzusparen und Versuchskapazitäten optimal zu nutzen, um den Zuchtfortschritt weiter und schneller voranzutreiben.

Wieso ist schnelle Züchtung so wichtig?

In der Züchtung wollen wir möglichst zeitnah passende Antworten auf sich abzeichnende Herausforderungen an unseren Kulturpflanzen finden. Der Klimawandel oder neue Krankheiten können solche Herausforderungen sein. Deswegen nutzen wir zusätzlich Winterzuchtgärten zum Beispiel auf der Südhalbkugel, um in zwei Vegetationszyklen pro Jahr neue Sorten zu entwickeln. Doch trotz aller beschleunigenden Maßnahmen benötigen wir bis zu zehn Jahre von der ersten Ausgangskreuzung bis zur Zulassung der neuen Sorte. Bei aller Eile ist es nämlich wichtig, Sorten mit langjährig stabilen Eigenschaften auf den Markt zu bringen. Und dafür braucht man eben viele Versuche und damit Zeit.

Könnten die gewünschten Zuchtfortschritte durch gentechnische Veränderungen einfacher erzielt werden, mit Blick auf die klassische Gentechnik?

Gentechnikverfahren ermöglichen die Verbesserung von gewissen Eigenschaften, die durch konventionelle Züchtung nicht oder nur eingeschränkt in die Maispflanze gebracht werden können. Für meine Züchterkollegen in den USA ist der Einsatz klassischer Gentechnik in der Züchtung Routine und der Großteil des verkauften Maissaatguts ist gentechnisch verändert. Für mich als Züchterin in Europa stehen diese Methoden nicht zu Verfügung und es kommt daher darauf an, die verfügbaren Verfahren zu optimieren und mit innovativen Technologien zu unterstützen, um Sorten mit herausragenden Eigenschaften möglichst schnell auf den Markt zu bringen.

Welche Rahmenbedingungen erhoffen Sie sich für erfolgreiche Züchtung am Standort Deutschland?

Wir benötigen Offenheit für innovative Verfahren, Planungs- und Rechtssicherheit. Nachgewiesenermaßen sichere Technologien sollten erlaubt sein. Ein Beispiel ist die Genom Editierung unter anderem mittels Genschere CRISPR/Cas, bei der Erbinformationen sehr zielgenau verändert werden können. Das würde viele neue Möglichkeiten eröffnen und die Züchtung beschleunigen. Ebenso ist es für uns wichtig, dass wir Saatgut trotz aller pflanzengesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen weiterhin international verschicken können, um den Austausch von Zuchtmaterial und damit die Erhaltung der genetischen Diversität zu ermöglichen. Herausheben möchte ich außerdem die hoffentlich anhaltende Bereitschaft von motivierten Landwirtinnen und Landwirten, mit uns im Feldversuchswesen zusammenzuarbeiten. Es müssen also viele Rädchen ineinandergreifen, um erfolgreich Pflanzen zu züchten.

Für die Zukunft alles Gute und vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Groh.

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