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Hier sind bestimmt viele Ultraschall-Hilferufe zu hören gewesen... Foto: Catrin Hahn
29.08.2023
Forschung & Technik

Pflanzen rufen um Hilfe

Gestresste Pflanzen geben Töne von sich

Stellen Sie sich vor: ein herrlicher Sommertag, eine laue Brise streicht über die Felder, der Weg staubt unter ihren Füßen, das trockene Getreide wiegt sich im Wind ... und Sie halten sich die Ohren zu und flüchten.

Oder, anderes Szenario: Sie sitzen im Liegestuhl in Ihrem Kleingarten, vertieft in ein spannendes Buch, als ohrenbetäubender Lärm Sie aus der Lektüre reißt und ins Haus treibt. Was ist passiert? Höchstwahrscheinlich haben Ihre Ohren urplötzlich eine Superheldenkraft erlangt und können Ultraschall hören. Und dann nehmen Sie wahr, was tatsächlich offenbar seit Anbeginn des Pflanzendaseins andere Lebewesen längst hören: dass Pflanzen unter Stress sich diesen gegenseitig mitteilen. Sie rufen sich zu, was ihnen fehlt. Oder, um präziser zu sein, sie klicken es sich zu.

Diese faszinierende Tatsache haben Wissenschaftler der Universität Tel Aviv entdeckt: Wenn Tomaten gestresst sind, zum Beispiel durch Wassermangel oder Beschneiden, dann senden sie für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbare Ultraschall-Geräusche aus. Das Team um Evolutionsbiologin Lilach Hadany hat Tomaten- und Tabakpflanzen belauscht und dabei herausgefunden, dass gestresste Pflanzen bis zu 50 Plopp-Laute pro Stunde abgeben – in einer Lautstärke, vergleichbar mit einem menschlichen Gespräch. Noch dazu unterschieden sich die aufgenommenen und für das menschliche Ohr hörbar gemachten Töne je nach Art des Stressfaktors: Ein Algorithmus konnte nach kurzem Training unterscheiden, ob die Tomate gerade durstig war oder ihr Pflanzenteile abgeschnitten wurden.

Auch andere Pflanzen machen Geräusche

Als ob das nicht schon gruselig genug wäre, setzten die Forschenden ihre Untersuchungen an anderen Pflanzenarten fort. Und siehe da: Auch Mais und Weizen geben unter Stress solche Geräusche ab, ebenso wie ein Kaktus. Wie genau die Geräusche entstehen, ist noch unklar. Vermutet wird als Ursache die Kavitation: Kleine Luftbläschen im Gefäßsystem der Pflanzen, die bei Unterdruck entstehen und dem Einfluss höheren Drucks wieder platzen.

Auch der Sinn dieser Kommunikation ist noch unklar. Die israelischen Wissenschaftler vermuten jedoch, dass Pflanzen in der Umgebung die Geräusche nutzen, um sich auf Wassermangel oder andere stressige Situationen vorzubereiten. Dass Pflanzen Geräusche wahrnehmen können, ist bereits durch andere Studien belegt: So gibt es Hinweise, dass Pflanzen auf das Summen von Bestäubern reagieren und mehr Nektar produzieren.

Ein Frühwarnsystem für Landwirte?

Abgesehen von dem unangenehmen Gefühl, dass Mähdrescherfahrer in Zukunft bei der Arbeit beschleichen könnte, macht die Entdeckung der Ultraschall-Geräusche eventuell auch sehr praktische Anwendungen möglich. Könnten die Geräusche mit Sensoren erfasst werden, wäre eine effiziente und wirklich bedarfsgerechte Bewässerung denkbar.

Quelle: pflanzenforschung.de

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