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Bei auftauender Schneedecke sieht man wie die Wintergerste den Winter überstanden hat. Quelle: Jürgen Lehr, Photodesign
03.01.2005
Umwelt & Verbraucher

Januar muss vor Kälte knacken ...

… wenn die Ernte gut soll sacken.

Bestimmte Gesetzmäßigkeiten, auf denen der Hundertjährige Kalender beruht, sind heute noch aktuell. Zu milde und feuchte Herbst- und Wintermonate verweichlichen die Wintersaaten, lassen Unkräuter und Ungräser ungestört wachsen und fördern Fußkrankheiten beim Getreide oder den Sternrußtau an Rosen. Dr. Jurik Müller, Agrarmeteorologe an der Außenstelle Halle (Saale) des Deutschen Wetterdienstes kennt die Zusammenhänge und hat ein paar Beispiele aus seinem Erfahrungsschatz für Landwirte und Gärtner preisgegeben.

Zuviel Wasser im Gewebe erhöht Anfälligkeit gegenüber starkem Frost

Ende August/Anfang September wird der Winterraps gesät, im September/ Oktober die Wintergerste und der Winterweizen: Früher im Norden, später im Süden Deutschlands. Wachsen die jungen Pflänzchen im November und Dezember bei milden Temperaturen heran, enthält ihr Gewebe viel Wasser. Das macht sie gegenüber starken Frösten im Januar und Februar sehr anfällig. Anders, wenn die Pflanzen im Spätherbst oder Frühwinter eine kurze Frostperiode bis etwa -5°C als erste Stufe der Abhärtung durchgemacht haben. Dabei werden die Gewebezellen langsam entwässert, die Konzentration des Zuckers nimmt entsprechend zu und der Gefrierpunkt in den Zellen sinkt. Nach den ersten leichten Frostnächten färben sich die Roggen- und Rapspflanzen leicht rot bis violett. Ursache ist der Farbstoff Anthocyan, der sich dabei in den Pflanzenzellen anreichert. Normal abgehärteter Winterraps verkraftet Temperaturen bis -15° C, Wintergerste bis -18°C, Winterweizen bis -20°C und Winterroggen sogar bis –25°C.

Reichliches Wasserangebot im Herbst bremst Wurzelwachstum

Sind die Ackerkrumen im Herbst und zeitigen Frühjahr sehr feucht, reicht den Wintersaaten ein kleines Wurzelnetz dicht unter der Bodenoberfläche. Das kann in niederschlagsarmen Frühjahren und –sommern für eine ausreichende Versorgung zu wenig sein: Ohne Wassernachschub von oben, bei gleichzeitigem Schossen der Pflanzen, nimmt die Bodenfeuchte in der durchwurzelten Krume schnell ab.

War die Krume dagegen bereits im Februar und März relativ trocken, haben die Pflanzen gezwungenermaßen ein dichteres und tiefer reichendes Wurzelsystem entwickelt. Es kann auch in Mangelsituationen ausreichend Wasser aufnehmen. Damit wird häufig bereits der Grundstein für eine hohe Ernte gelegt. Belegt wird dies z. B. auch mit dem Feldversuch „Ewiger Roggenanbau“ der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 1879 liefert er Daten über die Auswirkungen von Witterung und Anbaumaßnahmen auf den Ertrag. Auch der Bauernspruch „Dem Golde gleich ist Märzenstaub, er bringt uns Korn und Gras und Laub“ unterstreicht dieses Phänomen.

Erhöhter Schneeschimmelbefall unter wärmender Schneedecke

Schneedecken wirken sich sowohl positiv als auch negativ aus. Während sie einerseits die Kulturen vor Kahlfrösten schützen, finden unter länger liegenden, dichten Schneedecken vor allem die Erreger des Schneeschimmels beste Bedingungen vor: Günstige Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit und einen erhöhten CO2-Gehalt. Bei gleichzeitigem Lichtmangel befällt der Schneeschimmel vor allem am Boden liegende oder abgestorbene Blätter und geschwächte junge Getreidepflanzen. Im Frühjahr erkennt man den Schaden an Fehlstellen im Bestand.

Biologische Vorgänge sind an bestimmte Temperaturen gebunden

Die Vermehrung von Schädlingen und Pilzen ist jeweils an spezielle Umweltbedingungen geknüpft. Generell bremsen bis in den März hinein anhaltend winterliche Temperaturen diese Entwicklung. Sie treten dann im Frühjahr später und in geringerer Intensität auf als nach milden Wintern. So setzt die Massenvermehrung von Gelbrost bei 10°C und die von Blattläusen und Mehltau bei 15°C ein.

Bei überdurchschnittlich warmer Witterung und reichlich Feuchtigkeit können Unkräuter und Ungräser ungestört wachsen. Oft überschreitet der Unkrautbesatz eine bestimmte Schadensschwelle und macht Bekämpfungsmaßnahmen notwendig. Auch pilzliche Erkrankungen wie beispielsweise Fußkrankheiten im Getreide oder Sternrußtau bei Rosen treten vermehrt auf.

Frostrisse an Obstgehölzen

Vor allem im Februar kommt es häufig vor, dass an Obstgehölzen so genannte Frostrisse, auch Stammrisse genannt, entstehen. Ursache sind große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sowie zwischen der Nord- und Südseite des Stamms. Während die Südseite tagsüber durch die Sonne schon beträchtlich erwärmt wird, bleibt die Nordseite noch winterlich kalt. Dadurch kommt es zu Spannungen im Holz und mitunter zu tiefen Rissen. Sie können das Leben des Baums gefährden. Solche Temperaturunterschiede kann man gering halten, indem man die Stämme mit einem Kalkanstrich versieht. Die weiße Farbe reflektiert einen Großteil der Sonnenstrahlen.

In solchen Frostrissen überwintern auch gerne die erwachsenen Tiere der Blutläuse, bevorzugt an Apfelbäumen. In sehr kalten Wintern krabbeln die Läuse allerdings den Stamm hinunter in den Wurzelbereich. Sie überleben dort, nicht zuletzt auch dank einer wärmenden Schneedecke.

Nadelbäume leiden oft unter Frosttrockenheit 

In strengen und niederschlagsarmen Wintern können Nadelbäume unter der Frosttrockenheit leiden. Sie tritt immer dann auf, wenn der Boden gefroren ist. Die Gehölze, übrigens auch immergrüne Sträucher, können dann über ihre Wurzeln kein Wasser aufnehmen und ein trockener Ostwind holt die Feuchte aus den Nadeln bzw. Blättern. Sie werden braun und fallen ab. Diese Situation tritt besonders häufig im Monat Februar auf. Er kann sehr kalt sein, obwohl tagsüber die Sonne schon höher steht und dabei die Verdunstungsintensität verstärkt.