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Bettwanze (Cimex lectularius) Quelle: Dr. Reiner Pospischil.
06.08.2009
Umwelt & Verbraucher

Globalisierungsgewinnerin: Die Bettwanze

Der extrem anpassungsfähige Parasit vermehrt sich rasant

Das wird viele überraschen: Ausgerechnet die Bettwanze (Cimex lecturalis) ist die am häufigsten vorkommende Wanzenart in Europa. Oft wird sie unfreiwillig aus Urlaubsquartieren oder im Zusammenhang mit Geschäftsreisen mitgebracht. Die Wanzen, die sich in Ritzen, Matratzen, Büchern oder sogar DVD-Hüllen verstecken, messen 3,8 bis 5,5 Millimeter. Nach dem Blutsaugen kann sich ihre Größe durchaus verdoppeln. Nur das geschulte Auge findet die Bettwanze durch ihre Kotspuren und Larvenhüllen. Die Einstiche führen zu Hautreizungen oder –ausschlägen. Bettwanzen vermehren sich fast unabhängig von hygienischen Bedingungen. In Deutschland sind Großstädte wie Berlin, Hamburg oder München besonders betroffen. Bei einem Befall sollte immer der professionelle Schädlingsbekämpfer gerufen werden.

Bei Temperaturen ab 10 Grad fühlt Cimex lecturalis sich besonders wohl. Ihr Revier ist die Stadt, aber auch in Ställen oder Vogelbruthöhlen nistet sich die Wanze ein. Ihr Lieblingswarmblüter ist der Mensch. Weil sie nur nachts auf Beutezug geht, sind Schlafzimmer das bevorzugte Quartier. Der Wanzenbiss tut nicht weh. Ein Speicheldrüsensekret, das die Blutgerinnung hemmt, kann allerdings zu Quaddeln, starkem Juckreiz oder Allergien führen.

Die Bettwanze spielt als Überträger von Krankheiten keine Rolle, obwohl in den Tieren schon der HIV-Virus oder Hepatitis B- und C-Viren nachgewiesen wurden. „Es existieren keine wissenschaftlichen Belege dafür, deswegen kann eine Krankheitsübertragung so gut wie ausgeschlossen werden.“, sagt dazu Dr. Erik Schmolz, Wissenschaftlicher Rat am Umweltbundesamt Berlin.

Die Wanzen sind behaart und rot bis schwarz gefärbt. Ihre hinteren Flügel fehlen völlig, die Vorderflügel sind zu kleinen schuppenförmigen Gebilden reduziert, der Halsschild ist vorne halbkreisförmig zugeschnitten. Bettwanzen sind extrem anpassungsfähig: Sie kommen bis zu neun Monate ohne Nahrung aus, bei einer Bekämpfungsaktion stellen sie auch schon mal das Atmen ein, um zu überleben. Das Bettwanzen-Weibchen legt im Laufe seines Lebens bis zu 200 Eier, die gruppenweise auf eine Unterlage geklebt werden. Nach 14 Tagen schlüpfen die Larven, die sechs Wochen lang wachsen. Dabei durchlaufen sie fünf Entwicklungsstadien; in jedem müssen sie mindestens einmal Blut saugen. Fällt die Temperatur unter 13 Grad, findet keine Entwicklung mehr statt.

Wohnung als optimales Beuterevier

„Bettwanzen schätzen unseren gesellschaftlichen Fortschritt mit den komfortablen Wohnverhältnissen“, erklärt Rainer Gsell, Bundesvorsitzender des Deutschen Schädlingskämpfer-Verbandes. Sie sind Zivilisationsfolger, die sich auch in Bilderrahmen, Umnähten auf der Rückseite des Sofas und hinter Fußbodenleisten oder in den Ritzen elektrischer Schalter verstecken können. „Der eigentliche Schaden ist das anhaltende Ekelgefühl“, so Rainer Gsell. Viele Menschen vermuten hinter einem Wanzenbefall mangelnde Hygiene, wohl auch, weil das Speicheldrüsensekret unangenehm riecht. Aber auch gut gepflegte Haushalte bleiben nicht verschont.

Seit rund zehn Jahren sagen verschiedene Datenquellen, dass der Wanzenbefall rapide steigt, berichtet Erik Schmolz. Hotels sind neben Privathaushalten sehr stark betroffen, vereinzelt auch Fluglinien. Berlin ist offenbar ein Kristallisationspunkt. Der dortige Landesverband der Schädlingsbekämpfer führt seit 2007 Buch: Damals wurden 210 Befälle erfasst, 2008 waren es bereits 330; 2009 sei die Tendenz weiter steigend, so Mario Thiele, der den Landesverband berät. Eine Meldepflicht existiert für Deutschland nicht, im Gegensatz zu Dänemark oder der Schweiz.

Fachleute sollen die Bettwanzen bekämpfen

Baumärkte bieten Insektizide für den privaten Gebrauch an. „Systematischer und professioneller sind die Schädlingsbekämpfer mit ihrem wissenschaftlichen Hintergrundwissen“, meint Rainer Gsell. „Sie setzen Wirkstoffe wie Pyrethrum oder Alpha-Cypermethrin ein oder arbeiten physikalisch mit Wärme und Kälte. Beim Kältespray verwandelt sich flüssiges Kohlendioxid zu Trockeneis, der Raum ist sofort wieder benutzbar, während bei chemischer Bekämpfung eine Wartezeit nötig ist.

In den USA breiten sich die Bettwanzen stark aus, nachdem sie gegen Pyrethroide resistent geworden sind, wie das amerikanische Geo berichtet. Resistenzen sind auch in Deutschland bekannt. „Jetzt gibt es ein neues Mittel mit Alkohol, das die Eiablage des Weibchens beeinträchtigt.“, berichtet Thiele. Weitere neue Produkte sind nötig, weil die europäische Biozid-Verordnung bewährte Wirkstoffe wie Permethrin und Propoxur verboten hat. Man kann es natürlich auch mit Goethe halten. Der wusste schon im 18.Jahrhundert: „Die Flöhe und die Wanzen gehören auch zum Ganzen.“