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Dr. Willi Gilsbach, Leiter der Sachgebiete „Rückstandskontrolle“ und „Spezielle Analytik“ des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen.
30.09.2005
Umwelt & Verbraucher

Rückständen auf der Spur

Rückstandsuntersuchungen gehören zum täglichen Brot der amtlichen Lebensmitteluntersuchung. Gesetzlich festgelegte Grenzwerte in Lebensmitteln müssen eingehalten werden

Warum werden immer öfter Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln gefunden? Ist damit die Sicherheit unserer Lebensmittel gefährdet? Profil sprach darüber mit Dr. Willi Gilsbach, dem Leiter der Sachgebiete „Rückstandskontrolle“ und „Spezielle Analytik“ des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen.

Herr Dr. Gilsbach, Meldungen über Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln erwecken immer wieder den Eindruck, die Situation habe sich gegenüber früher verschlechtert. Wie kommt es dazu?

Dieser Eindruck ist zunächst richtig. Tatsächlich finden wir heute deutlich mehr Rückstände als in früheren Jahren. Dazu hat jedoch die rasante Entwicklung der Rückstandsanalytik, insbesondere in den letzten fünf Jahren einen nicht unerheblichen Beitrag geleistet. Mit der modernen Messtechnik können immer mehr Stoffe ohne größeren Aufwand nachgewiesen werden. Dabei sind die Nachweisgrenzen ständig gesunken. Heute sind oft kleinste Wirkstoffmengen unter 0,01 mg/kg nachweisbar. Vieles, was früher verborgen blieb, ist heute erfassbar. Wir finden heute also deutlich mehr Stoffe als in früheren Jahren. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Lebensmittel heute tatsächlich schlechter sind.

Warum sind heute auch häufiger Mehrfachrückstände von Wirkstoffen in Lebensmitteln ein Thema?

Der Anteil an Proben, in denen Mehrfachrückstände nachweisbar sind, hat ohne Zweifel deutlich zugenommen. Auch daran hat die bereits angesprochene moderne Rückstandsanalytik einen großen Anteil. Für Mehrfachrückstände gibt es eine Vielzahl von Gründen. Einmal werden im Pflanzenschutz so genannte Kombinationspräparate mit mehreren Wirkstoffen gegen verschiedene Schädlinge eingesetzt. Moderne Pflanzenschutzmittel wirken oft gezielt gegen einen ganz bestimmten Schaderreger. Das führt dazu, dass im Ackerbau, auf dem Gemüsefeld oder in einer Obstkultur entsprechend unterschiedliche Mittel angewendet werden müssen. Aber auch bei der Bekämpfung eines einzigen Schädlings kann es unter Umständen sinnvoll sein, bei mehreren notwendigen Behandlungen der Pflanzen zwischen verschiedenen Wirkstoffen abzuwechseln, um einer möglichen Resistenzbildung vorzubeugen. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass von einem Erzeuger unterschiedliche Mittel eingesetzt werden, um die zulässigen Grenzwerte sicher einzuhalten. Ein letzter Punkt sei noch erwähnt: Lebensmittel werden heute an zentraler Stelle oft vorsortiert, so dass die untersuchten Proben durchaus Produkte unterschiedlicher Herkunft enthalten können. Wir haben schon Proben von verpacktem „Tricolor“-Paprika bekommen, bei denen jede der drei Schoten aus einem anderen Land stammte.

Muss der Verbraucher befürchten, dass die Belastung der Lebensmittel zunimmt?

Aus unseren Ergebnissen lässt sich das nicht ableiten. Wir finden zwar heute zahlenmäßig mehr Rückstände als vor zehn bis fünfzehn Jahren, bei den wichtigen Obst- und Gemüsearten sind aber z.B. Rückstandsmengen über 1 mg/kg seltener geworden. Auch die Gesamtgehalte aller Rückstände in einer Probe zeigen im Vergleich zu früher eher eine abnehmende Tendenz, trotz der heute größeren Zahl an nachweisbaren Rückständen. Es muss aber klar festgehalten werden, dass diese recht günstige Lage auch das Ergebnis einer intensiven Überwachung der Lebensmittel ist, auf die nicht verzichtet werden kann.

Und wie sieht es mit der Sicherheit von Lebensmitteln aus?

Ich denke, dass die Lebensmittel trotz vieler negativer Schlagzeilen nach wie vor sicher sind. Im Rahmen unserer Überwachung werden bei Grenzwertüberschreitungen regelmäßig Risikoabschätzungen auf der Basis toxikologischer Daten durchgeführt. Nur in wenigen Einzelfällen waren bei Annahme von hohen Verzehrsmengen denkbare Risiken nicht mit der geforderten Sicherheit auszuschließen. In solchen Fällen werden die Informationen an das Europäische Schnellwarnsystem gemeldet, um auf rasche Art und Weise die notwendigen Maßnahmen europaweit ergreifen zu können. Um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen, wird bei deutschen Produkten routinemäßig geprüft, ob der Landwirt die Vorgaben für den Pflanzenschutz beachtet und keine unerlaubten Mittel einsetzt. Dass sehr viele Rückstände heute weit unterhalb gesundheitlicher Risiken aufgespürt werden können, haben wir letztlich den großen Fortschritten in der Rückstandsanalytik (s. Technischer Fortschritt in der Lebensmittelkontrolle) zu verdanken.

Nach wie vielen verschiedenen Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln wird heute am LGL “gefahndet“?

Routinemäßig untersuchen wir etwa 400 Substanzen. Dabei handelt es sich sowohl um Wirkstoffe als auch um deren Abbauprodukte. Nur zum Vergleich: In den 70er Jahren waren es etwa 30 bis 40 Wirkstoffe, auf die eine Probe untersucht werden konnte.

Wo liegen Ihrer Meinung nach künftig die Herausforderungen an die amtliche Lebensmittelkontrolle?

Die Rückstandskontrolle ist ein ganz wesentliches Element für die Garantie gesunder und einwandfreier Lebensmittel und das muss auch so bleiben. Ohne eine nachdrückliche Kontrolle wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Situation wieder zum Schlechteren wendet. Neu auf den Markt kommende Pflanzenschutzmittel müssen sehr schnell in die Kontrollen eingebunden werden, um mit den aktuellen Anwendungen im Pflanzenschutz Schritt zu halten. Im Hinblick auf die Sicherheit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse sind strenge Anforderungen an Qualitätssicherungssysteme zu stellen. Es wird aber auch immer wichtiger, die Ergebnisse unserer Rückstandsuntersuchungen in der Öffentlichkeit umfassend darzustellen und mögliche Risiken kritisch zu bewerten. Leider haben die vielen unwissenschaftlichen Berichte über Rückstände dazu geführt, dass viele Verbraucher verunsichert sind.

Was empfehlen Sie Verbrauchern, die sich von Meldungen über gefährliche Rückstände verunsichert fühlen

Die sachliche Aufklärung der Verbraucher in einer leicht verständlichen Form hat bereits erheblich zugenommen, muss aber intensiviert werden. Der Verbraucher sollte die insbesondere im Internet zugänglichen Informationen nutzen, um sein Kaufverhalten daran auszurichten und als belastet bekannte Waren vermeiden. Immer wiederkehrende Empfehlungen sind natürlich, möglichst vielseitig zu essen, saisonale und regionale Produkte zu bevorzugen und Obst und Gemüse intensiv zu waschen und zu putzen, dort wo es möglich ist, zu schälen. Nicht zuletzt sind ein höheres Maß an Gelassenheit und Vertrauen auf die Lebensmittelkontrollen ein erstrebenswertes Ziel.