Papaver somniferum – klingt harmlos. Sieht noch harmloser aus: Mit solch zarten und zerbrechlich wirkenden Blütenblättern kann man kaum unschuldiger in die Welt gucken. Aber dieser Eindruck täuscht. Lesen Sie hier Teil 6 unserer Serie (siehe Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5).
Teil 6: Mohn - und der schmale Grat zwischen Schaden und Nutzen
Papaver somniferum – der Schlafmohn – hat es faustdick hinter den Ohren. Komplett giftig bis auf die reifen Samen, hat die Pflanze Kriege auf dem Gewissen, unendliches Leid verursacht, aber auch Leid gelindert. Kriege deswegen, weil China und England Mitte des 19. Jahrhunderts zwei bewaffnete Konflikte austrugen. Anlass war, dass China das von den Briten massenhaft ins Land getragene Opium beschlagnahmte, um seine Bevölkerung vor der verheerenden, die Wirtschaft beeinträchtigenden Opium-Epidemie zu schützen. Das fanden die Briten nicht gut und griffen zu den Waffen. Leid natürlich hauptsächlich wegen des aus ihr gewonnenen Opiums und dessen Folgeprodukts Heroin. Und Leid gelindert hat die Pflanze eigentlich aus denselben Gründen. Und außerdem schmeckt sie noch gut. Aber der Reihe nach.
Gut gegen Schmerzen, Husten und Durchfall
Botanisch ist Mohn zunächst erst einmal eine einjährige, krautige Pflanze mit Pfahlwurzel und großen roten bis weißen Blüten. Sie enthält Milchgefäße mit weißem Saft, auch Latex genannt Als Fruchtstand bildet sie die Mohnkapsel. Jahrhundertelang schon ist ihre Bedeutung als Öl-, Nahrungs- und Heilpflanze bekannt. Die ganze Pflanze außer den reifen Samen enthält Alkaloide - allein das Opium, das ist der durch Anritzen gewonnene getrocknete Milchsaft unreifer Samenkapseln, enthält 25 davon.
Von der Pharma-Industrie wird das Opium, weiterhin sowohl die unreifen als auch die reifen, ausgeschüttelten Samenkapseln zu Medikamenten verarbeitet. Wichtigstes Alkaloid ist das Morphin, eines der stärksten existierenden Schmerzmittel, das bis zu 20 Prozent des Opiums ausmachen kann. Weiterhin das Codein, das gut gegen Husten ist, oder auch Papaverin gegen Krämpfe oder Durchfall.
Licht und viel Schatten
Mindestens genauso bekannt wie seine schmerzlindernde Wirkung ist die zerstörerische Kraft des Morphins, die chronische Vergiftungen, körperlichen Verfall bis den Tod hervorrufen kann. Als Ausgangsstoff für Diacetylmorphin, Heroin, beruht dessen besonders berauschender Effekt darauf, dass die Opiumalkaloide alle Rezeptoren gleichzeitig aktiviert, die Schmerz und Stress dämpfen. Schon im Orient wurde es dafür lyrisch besungen: „Opium heilt alles außer sich selbst“, eine Substanz, die „Gedanken und Erinnerungen die Giftzähne ausbricht“. Die Wirkung auf Konsumenten sei stark heroisierend, daher auch der Name. Die gleichzeitig erhöhte Dopamin-Ausschüttung, vor allem im Belohnungszentrum des Körpers, sorgt für den starken Sucht-Effekt.
Dabei sind die Varianten, wie man sich diesen Rausch verschaffen kann, ebenso vielfältig wie die Kulturen, die das Opium für sich entdeckt haben. Bereits die Ägypter kannten es, auch die Griechen – bei ihnen war die Mohnkapsel das Symbol für den Schlafgott Hypnos und Morpheus, den Gott des Traums – und die Römer, wo die Pflanze zur Wohlstandsdroge avancierte. Im 7. Jahrhundert fand das Opium Verbreitung nach Indien und Persien, später nach China, wo Schlafmohn zunächst zu medizinischen Zwecken angebaut wurde und Opium später vor allem durch Rauchen konsumiert wurde. Dank der bereits erwähnten englischen Handelsaktivitäten wurde es dort Ende des 17. Jahrhunderts zur billigen Volksdroge. Von China aus erreichte die Opiumwelle schließlich Europa.
Lieber im Kuchen
Die Verwendung von Schlafmohn als Nutzpflanze ist in Mitteleuropa seit etwa 5200 v. Chr. nachgewiesen, er gehört damit zu den ältesten Kulturpflanzen. Die reifen Samen können als Nahrungsmittel sowie zur Ölgewinnung verwendet werden. Der ölhaltige, angenehm und nussig duftende Samen veredelt Süßspeisen oder Gebäck. Jährlich werden in Deutschland rund 8000 Tonnen Mohnsaat verarbeitet, die hier überwiegend gehandelten blauen Sorten stammen meist aus der Türkei, aus Tschechien, Ungarn und Australien. Immer wieder flackern Diskussionen um die Unbedenklichkeit des Konsums auf: Zwar ist der Morphingehalt meist sehr gering und gesundheitlich unbedenklich, er unterliegt jedoch Schwankungen. Neue Erntemethoden, bei denen die Kapsel gequetscht wird, werden verdächtigt, die Samen mit alkaloidhaltigen Kapselbruchstücken und Milchsaft zu kontaminieren. Deswegen hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor etwa 20 Jahren einen Grenzwert festgelegt.
Weniger Bedenken hatten bis ins 19. Jahrhundert dagegen Eltern, die ihren Kleinkindern zur Beruhigung mit Alkohol oder Mohnsaft getränkte Nuckeltücher oder Schnuller gaben. Wenn sie arbeiten mussten, bekamen die daheimbleibenden Kinder auch schon mal einen Mohn-Tee, damit sie keine Dummheiten machten.
Quelle: pflanzenforschung.de
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