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Die Mohnblüte taucht die Felder um das nordhessische Germerode von Ende Juni bis Mitte Juli in ein lila Blütenmeer. Foto: istock
05.07.2018
Umwelt & Verbraucher

Lila Pracht in Nordhessen zur alljährlichen Mohnblüte

Interview mit Landwirt Björn Sippel über den Mohnanbau in Germerode

Schlafmohn gehört zu den ältesten Kulturpflanzen in Europa, schon 6000 v. Chr. wurde er in Südeuropa angebaut. Der Landwirt und Gastronom Björn Sippel baut in Germerode im Werra-Meißner-Kreis in Nordhessen 25 Hektar Mohn an. Jedes Jahr lockt die lila Blüte tausende Besucher auf seine Felder. Das IVA-Magazin hat nachgefragt, wie Landwirt Sippel zum Mohn gekommen ist, wie die Kultur im Ackerbau geführt wird und was touristisch und kulinarisch alles rund um den Mohn angeboten wird.

Herr Sippel, wie sind Sie auf den Mohn gekommen?

Die Idee entstand sozusagen bei einem Bier in unserem Landhotel Meißnerhof. Der Geschäftsführer des Naturparks Meißner-Kaufunger Wald (jetzt Geo-Naturpark Frau-Holle-Land), Marco Lenarduzzi, hatte von einem ähnlichen Projekt der Regionalförderung in Österreich gehört und erzählte davon. Wir hatten ja durch den Rapsanbau schon eine Ölmühle auf unserem landwirtschaftlichen Betrieb und so waren gute Voraussetzungen gegeben. Ich habe dann 2010 zum ersten Mal Mohn angebaut, zunächst versuchsweise auf 1,2 Hektar, daraus wurde dann Schritt für Schritt immer mehr.

Und heute ist die Mohnblüte in Germerode weit über die Grenzen der Region bekannt.

Touristisch gesehen ja. Wir profitieren sehr durch die Zusammenarbeit mit dem Naturpark. Der Hohe Meißner ist in der Region sehr bekannt. Er wird auch der „König der nordhessischen Mittelgebirge“ genannt, da man das Felsplateau schon von weitem sehen kann. Wenn er im Winter schneebedeckt ist, dann erinnert das an die Märchenfigur Frau Holle, die wir hier sehr pflegen. Ihr ist deshalb auch der Name des neuen Geo-Naturparks „Frau-Holle-Land“ gewidmet. Zur Mohnblüte, die etwa in der Zeit vom 20. Juni bis zum 10. Juli stattfindet, kommen 25 000 Besucher bei uns vorbei. Am Anfang haben wir die Gäste mit fünf Leuten betreut, heute sind es 45 Saisonkräfte, die die knapp 100 angemeldeten Reisebusse und die Tagesgäste betreuen. Allein für die Planwagenfahrten brauchen wir sieben Traktoristen. Die Gäste können den 3 Kilometer langen Mohnweg wandern oder eine Planwagentour mit dem Naturpark-Ranger buchen, der ihnen Wissenswertes zur Region und zur Geschichte des Mohns erzählt.

Die Naturpark-Mitarbeiter mähen Wege durch die Felder. Wir haben gemeinsam einen Grünen Pfad mit Hinweisschildern entwickelt, auf denen wir auch zu unseren anderen landwirtschaftlichen Kulturen Roggen, Dinkel, Hafer, Sommergerste und Triticale informieren. Außerdem gibt es ein Mohn-Kino und für die Tagesgäste haben wir unsere Feldscheune restauriert. Diese verknüpfen ihren Ausflug zu uns mit einem Besuch des Bergwildparks oder einer Bootsfahrt mit der Werranixe auf der Werra. An den drei Hauptwochenenden bieten wir dann viele weitere Attraktionen wie Streichelzoo, Drehorgel oder Dudelsackpfeifer an. Unser Mohnladen wird in der Zeit in rosa Tüll verpackt und wir verkaufen Mohnöl, Mohnpesto, Mohnnudeln, Eierlikör mit Mohn, Kräutermohnlikör oder die Mohnsamen zum Backen in der heimischen Küche.

Die Verbindung aus Landwirtschaft und Gastronomie bringt doch sicherlich einige Synergie-Effekte?

Ja, das stimmt. Durch die Gastronomie hatten wir schon einen Vertriebsweg. Wir konnten den Tourismus ankurbeln, indem wir schon bestehende Infrastruktur nutzten. So haben wir beispielsweise neben unserer „Mohn-Tenne“ eine schöne Streuobstwiese. In unserer Gastwirtschaft gibt es neben dem altbekannten Mohnkuchen auch ausgefallene Mohnspezialitäten wie Hähnchenbrust in Mohnpannade oder Mohn-Bratwurst. Wir bieten unseren Gästen auch ein ganzes Mohnmenü oder sogar ein Mohnbüfett an. Auch andere Gastwirte, Cafébetreiber und Bäckereien in der Region verwenden unseren Mohn in ihren Produkten. Das Produkt Mohnsamen muss man veredeln. Doch wichtig war mir immer, dass es sich auch ackerbaulich rechnet.

Wie meinen Sie das?

Der Mohn hat bei uns inzwischen den Raps ersetzt. Angefangen habe ich mit 1,2 Hektar Mohn, heute sind es 25 Hektar, die einen Ertrag von 15 Tonnen Mohnsamen bringen. Das ist eines der Einkommens-Standbeine für unseren Ackerbaubetrieb mit 60 Hektar. Die Mohnsamen werden mit einem ganz normalen Mähdrescher für Getreide gedroschen, es entstehen keine nennenswerten Mehrkosten. Die Kapsel ist so trocken wie die Rapsschoten, platzt aber nicht wie diese, sodass der Mohnsamen nicht ausfällt. Weil die Kapsel geschlossen bleibt, sagt man zum Sommermohn auch blinder Mohn, im Gegensatz zum Wintermohn, der als sehender Mohn bezeichnet wird. Wenn sich die Mohnkapsel nicht mehr drücken lässt, dann ist der Mohn druschreif.

Der Mohn kommt als letztes in der sommerlichen Ernte. Die Lagerung des Mohns ist ein Thema für sich. Die Grobreinigung muss unmittelbar nach der Ernte nach ein paar Stunden erfolgen. Dann erfolgt die Trocknung, damit die Qualität erhalten bleibt und der Mohn nicht stockt. Mohn ist erst bei einer Trockensubstanz von 7 bis 8 Prozent lagerfähig.

Ist Mohn eine schwierige Pflanze im Anbau verglichen mit anderen Kulturen?

Ganz einfach ist der Mohnanbau nicht, es kam auch schon mal zum Totalausfall durch das Überwachsen mit Unkraut oder durch Staunässe. Wir haben uns da so langsam herangetastet. Mohn darf nicht zu dicht stehen. Die Aussaatstärke beträgt 1 Kilogramm auf 1 Hektar (10 000 Quadratmeter). Die Ablagetiefe sollte höchstens einen halben Zentimeter betragen, man darf den Mohn nicht vergraben. Da es derzeit kein Saatgut mehr im Handel gibt, betreiben wir seit dem zweiten Anbaujahr Nachbau, das heißt, wir reinigen die Ernte und säen einen Teil der Mohnsamen im nächsten Jahr wieder aus. Die Maschine dazu heißt Greenseeder. Der Samen wird über einen Prallteller breit aufs Feld geworfen und dann eingestriegelt. Zwischen 15 und 20 Pflanzen stehen dann auf einem Quadratmeter.

Mohn hat eine sehr langsame Jugendentwicklung, da müssen wir aufpassen, dass ihn die Kamille und die Melde nicht überwachsen. Das sieht dann zwar für die Touristen schön bunt aus, für mich als Landwirt ist das aber nicht gut und ich wurde auch schon mal von Berufskollegen „Kamille-Sippel“ genannt. Da eine mechanische Unkrautbekämpfung nicht möglich ist, führen wir in der Jugendentwicklung des Mohns zwei Herbizid-Maßnahmen durch, damit wir später Mohn ernten können. Wir arbeiten mit ortsansässigen Imkern zusammen, die ihre Bienenstände am Feldrand aufstellen. Nektarreich sind die Mohnblüten allerdings nicht. Ich lege am Ackerrand allerdings extra Blühstreifen mit bienenfreundlichen Blühpflanzen wie Phacelia an. Und wir haben natürlich noch ein paar Mitesser: die Singvögel. Vor allem die Spatzen bedienen sich reichlich auf unseren Mohnfeldern.

Und wie sieht die Zukunft aus?

Oh, da gibt es einige Ideen: Wir sind nach wie vor im Team unterwegs, Marco Lenarduzzi mit seinen Mitarbeitern vom Naturpark und meine Familie. Die ist übrigens auch komplett involviert, meine Frau Anja in der Gastronomie, unsere Tochter Lena als „Mohnfee“ und auch unser Sohn André hilft mit. Wir überlegen beispielsweise, „ein Bett im Mohnfeld“ aufzustellen als Nachfolge zu unserer Tür, die wir ins blühende Mohnfeld gestellt haben, durch die man das Feld betreten kann. Auch ein Segelboot im Blütenmeer geht uns durch den Kopf oder das Übernachten im Lkw-Anhänger mit Kojen oder im Schäferwagen. Die Ideen werden uns also nicht so schnell ausgehen!

Herr Sippel, herzlichen Dank für das Gespräch!

Übrigens gibt es ein Mohntelefon. Ab Ende Mai informiert es unter der Rufnummer +49 5602 935617, wie weit die Blüte fortgeschritten ist (Ansage der Vor-, Voll- oder Nachblütephase).

Hintergrundinfos zum Mohn

Mohn (Papaver soniferium L.) ist eine sehr alte Kulturpflanze. Sein Anbau ist in Mitteleuropa bis in die Pfahlbauzeit nachgewiesen. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde Mohn in ganz Deutschland angebaut, in der DDR bis zur Wiedervereinigung. Der Milchsaft der Pflanze ist durch das enthaltene Morphin, einer Vorstufe des Heroins, schmerzlindernd. Früher bekamen Kinder einen mit Mohnsaft vermischten Brei, der sie sättigte und ruhig stellte. Heutige Mohnsorten sind opiumarm, der Anbau muss aber trotzdem bei der Bundesopiumstelle gemeldet werden

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