Zusammen gegen Lebensmittelverluste
 
  Zusammen gegen Lebensmittelverluste
Start-up schafft digitalen Markt für Lebensmittel
Das in Berlin ansässige Start-up SPRK.global will mithilfe von KI Lebensmittel zwischen Erzeuger und Weiterverarbeiter vermitteln. Damit soll in erster Linie Verschwendung vermieden werden. Doch die digitale Vernetzung hat noch mehr Vorteile.
Alexander Piutti, Co-Gründer und CEO von SPRK, hätte vor zehn Jahren wohl nicht gedacht, dass er heute mit Landwirten über Überschüsse im Kartoffellager diskutiert. Zwar ist er im Rheinland auf dem Dorf aufgewachsen, doch zog er im Alter von 16 Jahren nach Hongkong und einige Jahre später in die USA. 1999, als ausgebildeter Elektrotechniker und Softwareentwickler, stieg er in die gerade erwachende Internet-Branche ein, gründete Unternehmen und baute eine Reihe digitaler Marktplätze auf.
Das hätte er sicher sein ganzes Arbeitsleben lang weitermachen können. Doch dann kam eine unvorhergesehene Wendung, so etwas wie ein Denkzettel des Schicksals, „und ich begann über die Sinnhaftigkeit meines bisherigen Berufslebens nachzudenken.“ Ihm fiel auf: Das ist zwar alles gut und schön, aber nichts, was er der Welt hinterlassen wollte.
17 Ziele und wie weiter?
Zu jener Zeit, im Jahr 2015, hatten die Vereinten Nationen (UN) gerade ihre 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, kurz SDG’s genannt, veröffentlicht. Piutti kam wenig später damit in Berührung: „Ich hatte Kontakte in die UN. Man kam auf mich zu und fragte mich: Wie setzen wir die Ziele um, damit sie im Einklang mit dem ebenfalls gerade verabschiedeten 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens stehen?“
17 Ziele sind mit einer Maßnahme nicht zu lösen, das war Piutti klar: „Also habe ich gefragt, welches Ziel im Klima-Kontext das Wichtigste sei, und die Antwort kam schnell: die 12.“
Ziel Nummer 12 – ‚Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen‘ – beinhalte die Umstellung unserer derzeitigen verschwenderischen Produktionsweisen auf Kreislaufwirtschaft, erklärte man ihm. „Als nächstes habe ich gefragt: Und was ist in Nummer 12 das größte Problem? Auch hier kam die Antwort schnell: Food Waste, Lebensmittelverluste und -verschwendung.“
40 Prozent aller Lebensmittel, erfuhr der schockierte Internetexperte, erreichen nicht ihr Ziel, also den Teller des Verbrauchers. Sie verderben auf dem Feld oder im Lager, finden keine Abnehmer, landen im Supermarkt oder später beim Verbraucher in der Mülltonne. Vor allem gefährdet sind Frischeprodukte, deren Haltbarkeit naturgemäß beschränkt ist. Diese Mengen sind ohnehin schwierig zu kalkulieren: Eine gute Ernte, eigentlich Grund zur Freude, verdirbt Preise und sprengt Abnahmeverträge. Ware gelangt gar nicht erst vom Erzeuger zum Abnehmer.
Alexander Piutti hakte weiter nach: „Wo ist denn der Marktplatz für diese Überschüsse?“ Diesmal bekam er keine Antwort. „Die UNO-Experten konnten sich darunter nichts vorstellen. Aber ich kannte mich damit aus. Ich wollte einen digitalen Sekundärmarkt schaffen.“
Start-up für Lebensmittelüberschüsse
Inzwischen in Berlin ansässig, gründete Alexander Piutti das Start-up SPRK und begann mit der Suche. Erste Gespräche mit dem Handel und Erzeugern, erinnert er sich, stießen auf viel Zustimmung. Schnell kristallisierte sich auch heraus, dass sich das Start-up auf den Beginn der Lieferketten konzentrieren sollte: „Denn dort sind die Überschussmengen der jeweiligen Produkte am größten. Für die Hersteller wollen wir alternative Abnehmer finden. Dafür müssen wir alle mit allen vernetzen.“
Die Suche nach Partnern auf Erzeuger- und Abnehmerseite trug schnell Früchte, erzählt Gründer Piutti: „Wir sind 2023 eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) eingegangen, auch die junge DLG zeigte sich sehr interessiert an unserer Arbeit. Wir sprechen kontinuierlich Erzeuger an. Das Thünen-Institut, die Tafeln, der Logistikdienstleister Dachser, die Deutsche Umwelthilfe – sie alle sind schon mit im Boot.“
Doch Mitstreiter zu finden, ist ja nur ein Teil der Lösung. Sie alle zu verknüpfen ein anderer. Hier liegt die Lösung in der Technologie, wusste Piutti. Mit seinen mittlerweile 35 Mitstreitern hat er eine Plattform entwickelt. Nächster Schritt: Sie zu einer lernenden Einheit zu machen. Dafür braucht sie vor allem eins: Daten. „Wir mussten einen Standard für die Meldung von Angeboten schaffen. Da kann ja nicht nur stehen: 10 Tonnen Kartoffeln. Oder Äpfel. Da muss die Sorte stehen und eventuell weitere Parameter, damit der potenzielle Abnehmer, die Großküche oder das Verarbeitungsunternehmen, wissen, ob das in ihre Produktion passt. Dafür brauche ich alle Daten von diesen Produkten. Ein solcher Meldestandard ist derzeit weltweit einzigartig.“
KI organisiert Bedarf und Logistik
Seit dem Start kann die Plattform https://sprk.global/de/ selbstständig die Qualität oder produktbezogene Inhaltsstoffe aus den Meldungen auslesen und zuordnen. Ob Öko oder konventionelle Ware, irgendwann wird die Software von allein Angebote unterbreiten, Bedarf abfragen und die Logistik organisieren. Für den physischen Transport der Ware ist der Logistikpartner Dachser zuständig: „Die fahren die Waren und melden auch selbst Überschüsse – weil sie ja am nähsten dran sind an der Ware.“ Und die potenziellen Abnehmer – Großküchen und Verarbeitungsbetriebe jeder Art – haben neben dem günstigeren Bezug von Waren auch den weiteren Vorteil, dass sie Teile ihrer Logistik an SPRK und Dachser abgeben können. „So kommen wir vom Retten ins Vermeiden“, resümiert Piutti mit hörbarem Stolz.
Zusammen gegen Verluste
Dem Konzept der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung hat sich auch das inzwischen recht bekannte Berliner Unternehmen ‚Too Good To Go ‘ gewidmet. Bestehen denn Kontakte zwischen den beiden Unternehmen? „Schon seit einer ganzen Weile“, erwidert der SPRK-Gründer, „wir sind in der Warenkette sozusagen vor ‚Too Good To Go‘ angesiedelt. Während diese auf der B2C-Ebene, also Bussiness-to-Customer arbeiten, sind wir auf der B2B-Ebene, also Unternehmen-zu-Unternehmen.“
Seit Sommer 2022 kooperieren beide Unternehmen. Über ‚Too Good To Go‘ werden Lebensmittel, die auf der SPRK-Plattform gemeldet wurden, in sogenannten Überraschungskisten an verschiedenen Ausgabestellen günstig an Käufer abgegeben. Interessenten müssen nichts weiter tun, als die App herunterzuladen, um die Ausgabestellen und -termine zu erfahren, und Kisten zu reservieren.
Alexander Piutti ist entschlossen, das Projekt SPRK zum Erfolg zu machen: „Mein Anspruch ist, dass das funktioniert. Ich hab zwei kleine Kinder, mir liegt daran, die Welt ein Stück besser zu machen. Wir haben unseren Weg dazu gefunden.“
 
        
                 
   
   
   
   
   
   
   
   
   
  