Ist Spot Farming die Zukunft der Landwirtschaft? Niedersächsische Forschende sind davon überzeugt, dass sich damit unter anderem bis zu 50 Prozent Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel einsparen lassen. In dem neuen Ansatz steht die Einzelpflanze im Mittelpunkt, Feldroboter übernehmen deren Pflege.
Digitalisierungsprojekt eröffnet Chancen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen
Feldroboter statt großer Landmaschinen
Nach Precision Farming oder Spot Spraying macht ein neuer Begriff in der Landwirtschaft die Runde. Spot Farming ist momentan zwar noch eine Vision, aber sie könnte Wirklichkeit werden: Eine bunte, abwechslungsreiche Agrarlandschaft mit kleinteiligen Feldern und Robotern, die die Einzelpflanze nach ihrem jeweiligen Bedarf mit Wasser, Pflanzenschutz und Dünger versorgen. Schwere Maschinen hätten ausgedient, der Boden würde geschont, die Artenvielfalt gefördert. Und das alles bei stabilen Erträgen.
An der Umsetzung dieser Vision arbeiten Forschende verschiedener niedersächsischer Forschungsinstitute und Hochschulen. Spot Farming setzt bei der Einzelpflanze an. „Ziel des Spot Farming ist, unterschiedliche Pflanzen dort anzubauen, wo sie jeweils optimale Wachstumsbedingungen vorfinden. Damit werden sie resilienter, ertragreicher und wir schützen die Umwelt“, so Professor Dr. Jens Wegener vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig. Damit unterscheidet sich der Ansatz vom heutigen Ackerbau, der auf große Bewirtschaftungseinheiten und schlagkräftige Mechanisierung setzt.
Auf heterogenen Flächen entstehen kleinteilige Agrarlandschaften
Wie wollen die Forschenden vorgehen? Zunächst sollen die Ackerflächen bewertet werden. Wo ist häufig Sonne oder Schatten, wo ist der Boden trocken oder feucht, wo ist er nährstoffreich oder -arm? Nach dieser Aufnahme könnten die jeweils am speziellen Standort passenden Kulturpflanzen ausgewählt und angebaut werden. Wo Kulturpflanzen keine geeigneten Wachstumsbedingungen vorfänden, sollen Hecken oder Blühstreifen angelegt werden. So könnten Ökosystemfunktionen der Agrarlandschaft gestärkt und die Kulturpflanzen vor Wind- und Wassererosion geschützt werden. Es entstünden zum Teil sehr kleinteilige Agrarlandschaften. Kleinere, möglichst autonom arbeitende Roboter wären gefragt.
Erprobt wurde bereits ein Säroboter, der Weizen mit stark verringerter Dichte und präzisem Einzelkornabstand in den Boden ausgebracht hat. Zuständig für die Technik im Projekt ist Dr. Jan Schattenberg von der TU Braunschweig. Die GPS-Koordinaten jedes Korns wurden dabei abgespeichert. Damit konnte bei gleichbleibendem Ertrag die Hälfte des Saatguts eingespart werden. Spot Farming hat also auch mit Ressourcenschutz zu tun.
Großes Einsparpotenzial
Zukünftig sollen Roboter aber nicht nur säen, sondern auch einzelpflanzenspezifisch die Pflege und die Ernte übernehmen. Wegener geht davon aus, dass mit auf den Bedarf der Pflanze zugeschnittenen Maßnahmen bis zu 50 Prozent Dünger und Pflanzenschutzmittel eingespart werden können. Die ökonomischen Aspekte des Spot Farmings hat sich Dr. Thomas de Witte vom Braunschweiger Thünen-Institut überprüft. Demnach könne das System funktionieren. Die Kosten für die Bewirtschaftung eines Hektars lägen etwa in der gleichen Größenordnung wie bei konventioneller Mechanisierung.
Ob diese noch vagen Aussagen bezüglich Einsparpotenzial und Ökonomie tatsächlich Realität werden, wird die Zukunft zeigen. Dafür müsse nach Ansicht der Projektbeteiligten das Potenzial der Digitalisierung ausgeschöpft werden. So brauche es leistungsfähige und zuverlässige Roboter. Damit diese selbstständig arbeiten könnten, müssten alle notwendigen Geodaten frei verfügbar sein. Ebenso seien einheitliche digitale Schnittstellen erforderlich, um die Machbarkeit zu sichern und die Akzeptanz in der Landwirtschaft zu erhöhen. Eine Forderung, die schon seit Beginn der Digitalisierung vor über 30 Jahren im Raum steht, aber die noch nicht zufriedenstellend gelöst ist.
Wissenschaft in der Pflicht
Mit der Akzeptanzfrage hat sich im Rahmen des Projekts Professor Dr. Silke Hüttel von der Georg-August-Universität Göttingen näher beschäftigt. Nach ihren Erkenntnissen seien Landwirte in Nord- und Westdeutschland durchaus aufgeschlossen für autonom arbeitende Roboter. Um Spot Farming in die Praxis zu bringen, nimmt sie sich und ihre Kollegen aus der Wissenschaft in die Pflicht: „Wir müssen Beweise anführen, die zeigen, dass digitale Technologien ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvoll sind.“
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