Landtechnik im XXL-Format zog Mitte November 2023 in den Hallen der Messe Hannover die Blicke auf sich. Die Innovationen stecken allerdings häufig in unauffälligen Sensoren, Prozessoren und KI-Technik. Diese bieten Potenzial für den effizienteren Anbau von Nahrungspflanzen, ihren gezielten Schutz und ihre exakte Düngung. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Weltleitmesse Agritechnica mit mehr als 470 000 Besuchern
Agritechnica steht für Innovationen
„Landtechnische Innovationen für den Pflanzenbau der Zukunft – Im Fokus: Smart Farming, Automatisierung, Konnektivität, autonome Landtechnik, alternative Antriebe“ – so lautete die Überschrift einer Pressemeldung der ausrichtenden Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Bei diesen Messeschwerpunkten läuft ohne Digitalisierung also nichts. Mit den stetigen Fortschritten der letzten Jahre haben die Effekte der innovativen Techniken ein neues Niveau erreicht.
Ein Ziel der Digitalisierung besteht unter anderem darin, für die Erzeugung einer Tonne Weizen oder einer Tonne Kartoffeln möglichst wenig Ressourcen einzusetzen. Dazu gehören Diesel, Pflanzenschutz, Dünger oder Wasser, aber auch Arbeitszeit. Das kommt der Umwelt, dem Betriebsergebnis und auch den in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen zugute. Kein Wunder, dass solche nachhaltigen Lösungen auf großes Interesse stoßen.
Neuheitenfeuerwerk
In diesem Jahr wurden den über 470 000 Besuchern zahlreiche Neuigkeiten präsentiert. So zum Beispiel zum Thema Smart Spraying. Verschiedene Techniken ermöglichen die Verringerung von Pflanzenschutzmittel-Aufwandmengen, ohne deren Wirksamkeit zu verringern. So wurden einzeln anzusteuernde High-Tech-Düsen für Pflanzenschutzgeräte präsentiert, die sich bis zu 50-mal pro Sekunde öffnen und schließen lassen und so eine genau dosierte Ausbringung an jeder Stelle des Ackers ermöglichen.
Praxisreif scheint die seit mehr als 20 Jahren in der Entwicklung befindliche Direkteinspeisung von verschiedenen Pflanzenschutzmitteln kurz vor der Spritzdüse. Damit kann beispielsweise ein vorher von der Kamera identifiziertes Unkraut mit einem passenden Herbizid gezielt behandelt werden. Eine breitflächige Ausbringung des Mittels wird damit überflüssig.
Bandspritze: Zurück in die Zukunft?
Erwartet groß war die Vielzahl der ausgestellten Maschinenhacken, die insbesondere in Reihenkulturen wie Zuckerrüben oder Gemüse zur Unkrautregulierung eingesetzt werden. Ein überraschendes Comeback erlebt jedoch die Kombination von Hacke zwischen den Reihen mit Bandspritzung in den Reihen. Vor drei Jahrzehnten ist dieses System eingemottet worden. Die neuen Maschinen sind nicht mehr mit den alten vergleichbar. Vor allem steigert die Kamerasteuerung Fahrgeschwindigkeit und Flächenleistung. Je genauer die Steuerung funktioniert, desto näher kann an die Reihe herangehackt werden und desto schmaler kann das Herbizidband in der Reihe werden. Mitteleinsparungen von 60 Prozent sind auf diese Weise möglich.
Medaillen geben Orientierung
Hilfreich ist der Blick auf die mit Medaillen prämierten Innovationen. Ein Expertengremium zeichnete in diesem Jahr beispielsweise einen Hersteller von Düngerstreuern aus, der auch bei Kurvenfahrt auf dem Feld dank eines komplexen Regelalgorhythmus an jeder Stelle die gleiche Ausbringungsmenge gewährleistet. Für autonome Fahrzeuge dürfte ein Monitoring-Tool interessant sein, das laufend den Verschleiß von Werkzeugen kontrolliert. Eine KI interpretiert die mit einer Kamera aufgenommenen Bilder und markiert auf einem Display zum Beispiel fehlende Grubberschare mit roten und verschlissene mit gelben Ziffern.
Spreu vom Weizen trennen
Die Prämierung half den Besuchern bei der Einordnung. Die Flut an Neuigkeiten ist nahezu unüberschaubar. Es gibt viele Ansätze, aber oft scheitert die Anwendung an fehlender Kompatibilität zwischen den Komponenten verschiedener Hersteller. Viele Landwirte haben im Zuge der Digitalisierung ihrer Betriebe Lehrgeld zahlen müssen. Neben euphorischen konnte man auch unzufriedene Messebesucher antreffen, die sich lieber anderen Ausstellungsbereichen gewidmet haben.
Sicher ist, dass die Digitalisierung immer umfassender in viele Lebensbereiche Einzug hält. Die Landwirtschaft bildet da keine Ausnahme. Was die Generation der Großeltern im Betriebsmanagement mit Stift und Papier und die Generation der Eltern mit Excel-Tabellen erledigte, wollen vor allem junge Betriebsleitende mit Sensoren, Vollvernetzungen, KI und maßgeschneiderten Softwarelösungen machen. Entscheidend für einen maximalen Nutzen und damit eine breite Akzeptanz sind Praxistauglichkeit, Anwenderfreundlichkeit und ein passendes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Daran gilt es von Herstellerseite zu arbeiten. Ebenso müssen die Ausbildungsinhalte auf die neuen Anforderungen ausgerichtet werden. Denn nur ein fachkundiger Anwender kann die neuen Tools optimal einsetzen.
Informationen zur Agritechnica gibt’s unter www.agritechnica.com/de
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