08.11.2025

Am Kanadischen Berufkraut scheiden sich die Geister

Dürretolerantes „Super-Unkraut“, Heilkraut oder sogar „Schutz gegen Verhexung“?

Das Kanadische Berufkraut ist eine der Pflanzen, deren Name zunächst irritiert oder zumindest Rätsel aufgibt. Auch der zweite Name „Feinstrahl“, wie die Pflanze im Volksmund noch bezeichnet wird, hilft nicht wirklich weiter. Ob die Pflanze tatsächlich aus Kanada kommt, was genau mit Feinstrahl gemeint ist und was der Beruf mit dem Kraut zu tun hat oder auch nicht, versuchen wir zu klären.

Ob Conyza canadensis [L.] Cronquist, Erigeron canadensis L., Wilder Hanf, Stinkkraut, Flohkraut, Feinstrahl, Horse-Weed, Pferdekraut, Katzenschweif oder Weiße Dürrwurz – die Rede ist immer vom Kanadischen Berufkraut. Botaniker streiten sich bis heute, zu welcher der beiden Pflanzengattungen Conyza oder Erigeron das Kraut gehört. Von der indigenen Bevölkerung in Nordamerika gibt es überlieferte Hinweise zu Wirkungen als Heilpflanze. Doch woher kommt das Kraut eigentlich und was zeichnet es aus?

Wächst noch, wenn die Gräser schon vertrocknet sind

Das Kanadische Berufkraut gehört zu den Korbblütlern (Asteraceae) und wurde im 17. Jahrhundert aus Nordamerikabeziehungsweise Kanada eingeschleppt. Es ist eine ein- bis zweijährige Pflanze, recht anspruchslos, lichthungrig. Sie mag warme, sonnige Plätze, wächst überall und breitet sich von Wegrändern, Böschungen und Bahndämmen, gepflasterten Hofeinfahrten, Kahlschlägen, Schutthalden, Ödland und Brachen auf Wiesen und Äckern aus. Die Wurzel kann dabei bis zu 1 Meter lang werden; das ist einer der Gründe für die Anpassungsfähigkeit. An den Blättern und am Stängel ist die Pflanze rau behaart. Hierzulande war das Kanadische Berufkraut in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem im Obstbau ein gefürchtetes Unkraut, inzwischen ist es auch auf dem Acker und im Grünland, hier vor allem auf trockenen Sand-Standorten, ein Problem. Dort vermehrt es sich dann besonders gut, wenn die Konkurrenz durch andere Pflanzen gering ist, etwa wenn die Trockenheit die anderen Pflanzen zum Absterben gebracht hat. Es vermehrt sich durch Aussaat der Samen, die als Schirmchenfrüchte ähnlich denen vom Löwenzahn vom Wind weit getragen werden. Selbst winzige Pflanzen von 15 Zentimeter Höhe können schon Blüten ausbilden und sich kampfkräftig vermehren.

Nach den botanischen Zeigerwerten nach Ellenberg ist das Kanadische Berufkraut eine Lichtpflanze und ein Wärmezeiger. Es ist dürretolerant, wächst und samt auch dort noch aus, wo die Gräser schon aufgegeben haben. Ab Mitte Mai wächst aus der anfänglichen Rosette ein langer, aufrechter und steif behaarter Stängelspross, der sich im oberen Bereich zu einer Rispe verzweigt. Im Sommer blüht es weiß und beim Abblühen entsteht ähnlich wie beim Löwenzahn eine „Pusteblume“. Der Trivialname Feinstrahl wird mit den weißen feinen Zungenblüten erklärt. Und wenn die Pflanze in voller Blüte steht, kann man sich auch den Katzenschweif herleiten, wie das Kraut auch noch genannt wird.

Berufen gleich verhexen

Aber warum heißt es Berufkraut? Der Begriff hat nach den Deutungen der Etymologen nichts mit der Arbeitsausübung zu tun, sondern bezieht sich auf das Wort berufen, was in früheren Zeiten als verhexen oder verzaubern bedeutete. Ein Berufkraut schützt also gegen das verhext werden. Das Echte Berufkraut (Erigeron acer) half dem Aberglauben nach gegen das „Beschreien“ und „Berufen“ von Säuglingen, wenn man es ihnen in ihr Bettchen legte. Krankheiten, die als „berufen“, sprich angehext oder angezaubert galten, wurden behandelt, indem man die Kranken in ein Bad mit Berufkraut steckte, damit das Kraut die Krankheit auf sich ziehen sollte. In der Heilpflanzenkunde wird dem Kraut eine blutstillende Wirkung zugesprochen. Durch die in ihm enthaltenen Gerbstoffe kann es auch gegen Durchfall eingesetzt werden. Allerdings ist das Kanadische Berufkraut bei uns nicht besonders bekannt für eine spezifische oder starke Wirkung, sodass es in der mitteleuropäischen Volksmedizin nicht als besonders wertvoll gilt.

Gefürchtetes Unkraut auf dem Acker, auf Dauergrünland und in Sonderkulturen

Das Kraut ist ökologisch nicht besonders wertvoll, es liefert kaum Pollen oder Nektar für Insekten. Die Pflanze braucht keine Insekten zur Bestäubung, sondern bestäubt sich selbst. Jede einzelne Pflanze kann über 200 000 Samen hervorbringen, die der Wind dann wiederum bis zu einem halben Kilometer weit trägt. Deswegen wird man die Pflanze, vor allem auf Dauergrünland oder auf Weiden kaum mehr los, weil man hier nicht so gut wie im Ackerbau durch den andauernden Kulturwechsel mit Herbiziden arbeiten kann. Auf dem Acker steht es in Konkurrenz zu den Kulturpflanzen und nimmt ihnen Wasser und Nährstoffe. Deutliche Ertragsverluste können die Folge sein. Im Ackerbau wird das Kanadische Berufkraut mechanisch durch eine wendende Bodenbearbeitung im Herbst bekämpft. Durch das Pflügen werden die Unkrautsamen vergraben, sodass ihre Keimfähigkeit abnimmt. Auch im Frühjahr kann man bei Kulturen, die erst im Frühjahr in die Erde gebracht werden, mit nicht-wendenden Bodenbearbeitungsarten wie grubbern oder eggen die aufgelaufenen Berufkraut-Pflänzchen aus dem Boden reißen, damit sie vertrocknen.

In Amerika als Heilpflanze bekannt

Von den Ureinwohnern Nordamerikas und Kanadas wird das Kanadische Berufkraut, dort meist Pferdeschweif oder Pferdekraut genannt, auch als traditionelles Heilkraut beschrieben. Sie aßen das Kraut roh als Würzkraut, das ähnlich dem Geruch und Geschmack von Estragon sein soll. Es enthält Flavonoide, Ätherische Öle und Gerbsäuren als wirksame Inhaltstoffe. Von den Ureinwohnern überliefert ist eine Wirkung gegen Durchfälle, außerdem wurde ihm eine blutstillende und harntreibende Wirkung nachgesagt. Durch den mit Östrogen verwandten Inhaltsstoff Beta-Sitosterol soll es auch gegen Wechseljahresbeschwerden helfen. Meist wird Tee aus frischen Triebspitzen, die bis etwa Ende Juli geerntet werden, verwendet; es ist auch ein Aufguss aus getrocknetem Kraut möglich. Doch Achtung: Wer allergisch auf Korbblütler reagiert, Blutverdünner nimmt oder zu Hautentzündungen wie Kontaktdermatitis neigt, der sollte Kanadisches Berufkraut nicht zu sich nehmen.

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