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Die allermeisten Pilze dienen nicht der Erbauung oder sogar Sättigung von uns Menschen. Aber sie sorgen für ein gutes Klima im Boden, versorgen Pflanzen mit Nährstoffen und transportieren Informationen. Höchste Zeit also, dass wir uns für dieses Netzwerk im Untergrund interessieren. Foto: Catrin Hahn
20.04.2022
Forschung & Technik

Pilze mit Superkräften

Klimaretter im Untergrund

Eine internationale Forschergruppe möchte das Untergrund-Ökosystem besser verstehen. Anhand von Zehntausenden Bodenproben wollen sie die weltweite Verbreitung von Pilz-Netzwerken kartieren und schützen. Ihre Hoffnung: Pilze könnten zu einer wichtigen Waffe gegen die Klimakrise werden.

Überall auf der Welt ist der Boden unter unseren Füßen von feinen Pilzfäden durchwoben, deren Menge und Fähigkeiten uns noch immer weitgehend unbekannt sind. Ein internationaler Forscherzusammenschluss namens SPUN (Society for the Protection of Underground Networks) will dieses Wunderreich im Untergrund kartieren, um es verstehen und schützen zu können.

Die internationale Wissenschaftlergruppe hat weltweit zehn Hotspots ausgemacht, an denen sie eine besonders hohe Pilzvielfalt vermutet. Dort sollen jeweils rund tausend Bodenproben gesammelt und das Erbgut der enthaltenen Pilze bestimmt werden. Aus den Datensätzen möchten die SPUN-Aktivisten Karten erstellen, die die von ihnen „Kreislaufsystem des Planeten“ genannte Verbreitung der Pilze dokumentieren. Im kommenden Jahr soll die Kartierung in Patagonien, Chile, beginnen. Weitere Hotspots liegen in der kanadischen Tundra, dem mexikanischen Hochland, den Anden Südamerikas, Marokko, der westlichen Sahara, der Negev-Wüste in Israel, der kasachischen Steppe, der Hochebene Tibets und der russischen Taiga.

Pilze als CO2-Senke

Doch es geht den Wissenschaftlern nicht allein darum, die Verbreitung von Pilzarten zu dokumentieren – obwohl es tatsächlich eines der unerforschtesten Ökosysteme ist. Gibt es doch weit mehr Pilz- als Pflanzenarten auf der Erde; ihre Gesamtmasse ist größer als die aller Landtiere zusammen. 25 bis 50 Prozent der Biomasse im Erdboden besteht aus Pilzmycel, ein einziger Teelöffel Humus kann bis zu einem halben Kilometer davon enthalten!

Im Ackerbau wird seit einigen Jahren verstärkt die Rolle der Pilze und des Pilzmyzels in der Kooperation mit Nutzpflanzen untersucht: Das Myzel versorgt Wurzeln mit mineralischen Nährstoffen, gibt dem Erdboden Festigkeit und Struktur, verhindert damit Erosion, Nährstoff- und Wasserverlust, es schützt Pflanzen vor Schädlingsbefall und erhöht ihre Toleranz gegenüber Schwermetallen. Als wären diese Vorteile noch nicht genug, nehmen sie auch noch große Mengen Kohlenstoff aus den Pflanzenwurzeln auf.

Pilze – unsere unbekannten Freunde

Angesichts dieser unschätzbaren Vorteile ist es kaum zu glauben, dass bis heute nur 6 bis 8 Prozent aller Pilzarten überhaupt bekannt sind. Was wir bereits wissen, ist, dass das unterirdische Netzwerk der Pilze das Ökosystem des Erdbodens wie ein Sensor wahrnimmt und sogar steuert: Es registriert unablässig Druckveränderungen, pH-Wert, chemische Konzentrationen und von den Pflanzen entsandte Signale. Als Botendienst transportiert das Mycel für die Pflanzen Nährstoffe, aber auch Informationen. Auch im Handelssegment sind die Pilze tätig, tauschen sie doch zum Beispiel den für Pflanzen wichtigen Phosphor gegen energiereiche Kohlenstoffverbindungen.

Die Forschungsarbeit der SPUN-Mitstreiter wird die mit Abstand umfangreichste Bestandsaufnahme der globalen Pilzbesiedlung sein. Aus den Bodenproben, die an den Hotspots gezogen werden, wird das Mikrobiom bestimmt und – anders als bei den meisten bisherigen Forschungsarbeiten – das Erbgut der Pilze nicht aussortiert, sondern genauer untersucht. Den Forschern geht es dabei nicht nur darum, neue Arten zu entdecken. Sie wollen mit diesem Projekt dem Umwelt- und Klimaschutz dienen. Denn geht die Grundlage der Pilzvielfalt verloren, könnten ganze Ökosysteme ihre Widerstandskraft gegen menschlichen Raubbau und die globale Erwärmung verlieren. Die Wissenschaftler hoffen stattdessen, dass Pilze im Kampf gegen den Klimawandel und beim Management von Ökosystemen zum Verbündeten des Menschen werden können.

Quelle: spiegel.de

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