Wenn es den frisch geschorenen Schafen zu kalt wird
In vielen Jahren kommt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einem Kälteeinbruch mit kühler und unbeständiger Witterung im Juni. Diese „Schafskälte“ entsteht durch die unterschiedlich schnelle Erwärmung von Landmassen und Meerwasser. Ihr berechneter Termin 2021 ist der 11. Juni, der Kälteeinbruch kann aber im gesamten Zeitfenster zwischen dem 4. und dem 20. Juni vorkommen. Kann, aber muss nicht, denn die Schafskälte gehört zu den sogenannten meteorologischen Singularitäten, zu denen beispielsweise auch die Eisheiligen im Mai, die Hundstage ab Ende Juli oder der Altweibersommer im Herbst gehören. Mit dem Begriff meteorologische Singularität werden besondere Wetterlagen vor allem in Mitteleuropa bezeichnet, die von der in diesem Zeitraum vorherrschenden Witterung abweichen und die mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Zeitraum auftreten.
Tiefdruckgebiet mit kalter Polarluft aus Nordwest
Ähnlich wie bei den Eisheiligen kann es zu einem für die sommerliche Zeit ungewöhnlich kühl-kalten Wetter kommen. Das europäische Festland ist durch die steigende Sonneneinstrahlung schon erwärmt, das Meer aber noch relativ kalt. Es kommt zu einem Tiefdruckgebiet, das von West bis Nordwest kalte Polarluft bringt. Die kühle und feuchte Luft aus Nordwesten führt dann zu einem Temperatureinbruch um teilweise bis zu 10 Grad Celsius. Die Schafkälte wird auch „europäischer Sommermonsun“ genannt, weil es über dem Indischen Subkontinent zu ähnlichen Änderungen bei der Luftdruckverteilung kommt.
Auf den Almen fällt Anfang Juni vereinzelt auch noch Schnee
Der Name Schafskälte rührt daher, dass die frisch geschorenen Schafe im Bergland und auf den Almen, auf denen es Anfang Juni auch noch einmal schneien kann, unter dem plötzlichen Kälteeinbruch leiden, sodass die Muttertiere besser erst ab Mitte Juni geschoren werden. War die Wetter-Singularität früher recht zuverlässig, trat also häufig auf, so ist sie in den vergangenen Jahren weniger geworden und tritt nicht mehr zwingend auf, sodass es auch wiederholt durchgehend hochsommerliche Temperaturen im Juni gab.
Viele Bauernregeln überliefert
Für die Landwirtschaft war und ist das Wetter ein bedeutender „Produktionsfaktor“. Die Schafstage, der Johannistag oder die „Kalte Sophie“ nach den Eisheiligen sind sogenannte Lostage. Sie liefern nach dem Volksglauben Hinweise auf die kommende Wetterentwicklung. Für die Bauern früherer Jahrhunderte entschieden sie mit darüber, ob das Jahr erfolgreich verläuft und eine gute Ernte eingefahren werden kann. So ranken sich auch viele überlieferte Bauernregeln um den 11. Juni und Sankt Barnabas, den Namensheiligen der katholischen Kirche an diesem Tag:
- Mit seiner Sens’ der Barnabas, kommt her und schneidet ab das Gras.
- Wenn Sankt Barnabas bringt Regen, gibt’s reichen Traubensegen.
- Regnet es an Barnabas, schwimmen die Trauben bis ins Fass.
- Regen an Sankt Barnabas, währet 40 Tage ohne Unterlass.
- St. Barnabas schneidet das Gras.
- Barnabas macht, wenn er günstig ist, wieder gut, was verdorben ist.
- Barnabas macht Bäum‘ und Dächer nass.
- Zu Sankt Barnabas gehört die Sense auf die Wiese.
- An Barnabas die Sonne weicht, an Lucia wieder her sie schleicht. (Der 11. Juni und der 13. Dezember waren bis zur gregorianischen Kalenderreform die Tage der Sommer- beziehungsweise Wintersonnwende).