Obwohl das „Kastanienmännchen basteln“ etwas aus der Mode gekommen ist, kennen viele Kinder die Früchte der Rosskastanie. Sie gibt es erst seit etwa 500 Jahren hierzulande, seitdem Reisende die ersten Samen aus Konstantinopel hierher mitbrachten. Aber warum heißt der Baum eigentlich „Ross“-Kastanie? Eine Erklärung damals lautete, dass die Früchte der Kastanie im Osmanischen Reich als Futter und Heilmittel für Pferde dienten. Menschen sollten sie aber nicht essen, für uns sind sie giftig.
Straßenbaum, Gartenbaum und auch beliebt in bayerischen Biergärten
Die Gewöhnliche oder Weißblühende Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) wird auch Gemeine Rosskastanie, Pferdekastanie, Saukastanie oder Wildkastanie genannt. Sie stammt ursprünglich aus Kleinasien und kommt heute dort sowie auf der Balkanhalbinsel und in vielen Ländern Mitteleuropas vor. Rosskastanien mögen Standorte mit feuchten, nährstoffreichen Böden, vertragen aber auch vorübergehende Trockenheit. Der sommergrüne Baum steht oft in Parks und Grünanlagen. Er hat eine üppige, schattenspendende Laubkrone. Die Blätter sind fingerförmig und haben fünf bis sieben einzelne, doppelt gesägte Fiederblättchen.
Im Mai bietet die Rosskastanie eine weiße Blütenpracht mit sehr auffälligen Blüten. Jede Scheinrispe hat bis zu 100 einzelne Blüten. Der über 20 Zentimeter lange aufrechte Blütenstand wird im Volksmund auch Kerze genannt. Rosskastanien sind gute Bienentrachtpflanzen, da ihre Blüten sowohl Nektar als auch Pollen bilden. Im Herbst bildet die Rosskastanie bestachelte Kapselfrüchte, in deren Inneren die braunen Kastanien als Samen enthalten sind. Das Holz der Rosskastanie ist relativ weich und als Nutzholz nicht besonders wertvoll.
Vom Kastanienmännchen bis zur Conkers-Meisterschaft
Die Samen der Rosskastanie kennen Kinder, lassen sich doch aus ihnen die „Kastanienmännchen“ basteln. Auch in anderen Ländern gibt es Spiele mit Kastanien. In Großbritannien und Irland spielen die Kinder (und auch Erwachsenen) „Conkers“. Dabei wird mit einer speziellen Nadel eine Schnur durch die Kastanie gezogen und die Kastanien zweier Kontrahenten so lange an der Schnur gegeneinander „gestoßen“, bis eine Kastanie rissig wird und dann bricht. Im Conkers gibt es sogar eine Weltmeisterschaft.
Rosskastanienextrakt in der Medizin
Gegessen werden sollten die Samen der Rosskastanie aber nicht: Im Gegensatz zu Maronen der Ess- oder Edelkastanie (Castanea sativa) sind die Samen der Rosskastanie für Menschen giftig. Nichtsdestotrotz sind Rosskastanien in der medizinischen Verwendung weit verbreitet. Ihre Saponine aus den Samen, der Rinde, den Blättern und den Blüten wirken abschwellend, gefäßabdichtend und entzündungshemmend und werden deshalb äußerlich in Cremes und Gelen gegen Venenerkrankungen oder bei Hämorrhoiden verwendet. Innerlich werden Rosskastaniensubstanzen gegen Magen- und Dünndarmgeschwüre eingesetzt. Bekannt ist auch die Verwendung als Fußbad gegen geschwollene Beine.
Das Wirkstoffgemisch im Extrakt der Rosskastanie wird Aescin genannt und besteht aus 30 verschiedenen Saponinen. Die Rinde der Rosskastanie wurde „entdeckt“, als man im 18. Jahrhundert auf der Suche nach günstigeren Alternativen zur bitter schmeckenden und sehr teuren Chinarinde zur Behandlung von „Wechselfieber“ suchte.
Miniermotte und Pseudomonas-Bakterium als wichtige Schädlinge
Ein großer Schädling für den Baum ist die Rosskastanienminiermotte. Die befallenen Blätter fallen schon sehr früh im August ab. Zum Teil treiben dann die Kastanien wieder aus und es kommt zu einer zweiten Blüte, der „Angstblüte“ im September. Singvögel wie die insektenfressenden Blau- und Kohlmeisen, Brackwespen und einige Schlupfwespen sind natürliche Feinde der Miniermotte. Auch Haushühner sind gute Insektenvertilger, allerdings sind sie heutzutage eher nicht mehr im öffentlichen Raum anzutreffen. Da die Puppen der Miniermotte im Laub überwintern, sollte das Falllaub eingesammelt und verbrannt oder mit einer Kompostiermethode mit mindestens 40 Grad Celsius kompostiert werden.
Die Motte kann auch mit einer chemischen Verwirrmethode oder mit Insektiziden bekämpft werden. Wenn die Bäume durch die Miniermotte geschwächt sind, hat das Pseudomonas-Bakterium leichtes Spiel. Es befällt die Rinde der Rosskastanien und schafft damit eine Eintrittspforte für Pilze. Derart geschwächte Bäume sterben dann meist ab. Das bakterielle Kastaniensterben wird im englischen „bleeding cancer“ (Blutender Krebs) genannt, da der Bakterienschleim den Eindruck des „Blutens“ erweckt. Als Straßenbaum hat die Rosskastanie sehr mit der Versalzung durch das Auftausalz zu kämpfen, das ebenso zum Absterben der Blätter und verfrühtem Blattfall im nächsten Jahr führt.
Beliebt in bayerischen Biergärten
2005 war die Rosskastanie „Baum des Jahres“ und der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg hat sie im Jahr 2008 zur „Arzneipflanze des Jahres“ gekürt. Heute gehört sie zu den verbreitetsten Park- und Alleebäumen. Dass sie auch in bayerischen Biergärten steht, ist im Übrigen kein Zufall: Als Flachwurzler konnte man die Weißblühende Rosskastanie problemlos über dem Bierkeller pflanzen, ohne dass die Wurzeln die Kellerdecke zerstörten. Der Baum dankte es dem Bierbrauer mit Schatten, Feuchtigkeit und Kühle für den Keller.
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