E-Weizen Ponticus.JPG
Der erfolgreiche E-Weizen Ponticus kommt ohne Grannen aus. Foto: Catrin Hahn
26.04.2023
Forschung & Technik

Wozu sind Grannen gut?

Können die „Haare“ des Weizens den Ertrag beeinflussen?

Weizensorten gibt es mit und ohne Grannen. Doch obwohl sie eindeutig die Pflanze beeinflussen, ist ihr genauer Effekt auf den Kornertrag unklar. Eine neue Review-Studie hat sich mit der Frage beschäftigt.

Jahrtausendelang besaß Weizen lange Grannen an den Ähren. Erst während der letzten tausend Jahre verbreiteten sich grannenlose Sorten immer mehr. Aus diesem Grund denken Wissenschaftler immer wieder darüber nach, unter welchen Anbaubedingungen die Grannen von Vorteil sein könnten – und warum. In zahlreichen Studien wurde untersucht, wie die Ährenfortsätze den Weizen und dessen Ertrag beeinflussen. Wirkliche Klarheit hat es nicht gebracht: Selbst unter vielfältigsten Anbaubedingungen zeigt sich kein eindeutiger Ertragsvorteil von Sorten mit oder ohne Grannen.

Für Pflanzenzüchter ist es jedoch wichtig zu verstehen, welche morphologischen Eigenschaften einer Pflanze unter welchen Bedingungen den Ertrag steigern. Die Genetik hilft im Fall der Grannen bislang wenig weiter: Zwar scheinen nur wenige Gene darüber zu entscheiden, ob eine Weizensorte Grannen bildet. Doch über sie ist wenig bekannt, und noch weniger darüber, wie sie mit ertragsbezogenen Merkmalen korrelieren.

Photosynthese-Leistung der Ähre steigt

Bekannt ist aber, dass der Kornertrag bei Weizen auch von der Photosynthese-Leistung der Ähren beeinflusst wird. Fangen sie doch einen Großteil des Sonnenlichts ab und sind die nächstgelegene Kohlenhydratquelle für die Körner. Weil nun die Grannen die photosynthetisch aktive Fläche der Ähren um 40 bis 60 Prozent vergrößern, könnte man darauf schließen, dass dies die Kornproduktion begünstigt. Andererseits konkurrieren die Grannen jedoch mit der heranwachsenden Blüte um die Assimilate der Photosynthese. Das könnte also heißen, dass die Konkurrenz zunächst die Fruchtbarkeit beeinträchtigt und für weniger Körner sorgt. Diese allerdings würden dann dank der höheren Photosynthese-Leistung größer und schwerer.

Metaanalysen bestärken diese Annahme: Weizen mit Grannen besitzt im Mittel 3 Prozent weniger Körner, die dafür um 5 Prozent schwerer sind. Unter dem Strich bewirkt das jedoch, dass Pflanzen mit und ohne Grannen nahezu gleich ertragsstark sind. Allerdings funktionierte diese Beziehung nur unter Trockenstress, nicht dagegen bei optimalen Bedingungen oder auch bei Hitzestress. Damit dürfte hier eher ein anderer Aspekt für die Beziehung zwischen Grannen und größeren Körnern verantwortlich sein.

Verbessertes Wassermanagement

Der Hinweis auf die Wirkung unter Trockenstress deutet jedoch darauf hin, dass Grannen den Wasserhaushalt der Pflanze positiv beeinflussen können. Sie haben eine xeromorphe Form, die darauf hinweist, dass sie an trockene Bedingungen angepasst sind und wenig Wasser verdunsten. Möglicherweise erlauben sie der Pflanze auch, Wasser aus Nebel und Tau zu sammeln. Für diese These spricht, dass erfolgreiche kommerzielle Sorten in ertragreichen Regionen – Deutschland, Nordfrankreich oder Großbritannien – meist keine Grannen besitzen, die wichtigsten Sorten in Regionen mit häufigem Trockenstress – Spanien, Italien oder Australien – hingegen schon. Außerdem würde in niederschlagsreichen Regionen das von den Grannen gesammelte Wasser eher Pilzkrankheiten und vorzeitiges Auskeimen begünstigen – gute Gründe, hier gegen Grannen zu selektieren.

Kein klarer Trend beim Flächenertrag

Lässt sich die Frage nun beantworten, ob Grannen zum Ertrag beitragen? Die Antwort ist ein klares Jein: Weder ist der Ertrag grannenloser Sorten dem der Grannenträger bei Trockenheit überlegen noch sind letztere bei guten Wachstumsbedingungen klar im Vorteil. Selbst die Auswertung unterschiedlichster Wachstumsbedingungen hinsichtlich Region, Anbausaison, Anbaupraktiken oder genetischem Hintergrund zeigt keinen klaren Vorteil der Grannen. Verschiedene Studien ergaben einen gemittelten Ertragsunterschied von gerade mal 1,2 bis 4,2 Gramm pro Quadratmeter.

Das Team aus spanischen und mexikanischen Wissenschaftlern zieht in der neuen Metastudie zwei mögliche Rückschlüsse: Entweder haben die Haare gar keinen Effekt auf ertragsrelevante Merkmale oder die Einflüsse heben sich gegenseitig auf. Im zweiten Fall könnten Grannen durchaus einzelne ertragsrelevante Faktoren beeinflussen – und es ergäben sich Vorteile für die Züchtung, wenn sie positive Einflüsse bewahren und negative neutralisieren kann. Also schlagen die Verfasser weitere Forschung in diesem Bereich vor.

Quelle: pflanzenforschung.de

Weitere Beiträge

Hier finden Sie weitere interessante Inhalte.

Triticale Wiedenau.jpg
Magazin
Schule & Wissen
22.07.2022
Triticale: halb Weizen, halb Roggen
WW Februar Foto Wiedenau.jpg
Magazin
Schule & Wissen
03.02.2022
Winter- und Sommerweizen: Was ist der Unterschied?
schwarzer_emmer_foto_loggawiggler-pixabay.jpg
Magazin
Schule & Wissen
28.07.2020
Emmer: Kommt der "Weizen von Rom" wieder?
roggen00008124_agrar-press.jpg
Magazin
Schule & Wissen
10.11.2016
Roggen: Vom Brotgetreide zum Multitalent