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Die Schilfglasflügelzikade überträgt die bakteriellen Erreger der SBR-Krankheit auf Zuckerrüben und Kartoffeln. Foto: Eva Therhaag/JKI
30.11.2024
Forschung & Technik

Stolbur-Erreger in Zwiebeln nachgewiesen

Erstnachweis: Gefürchtetes Bakterium befällt neben Zuckerrübe und Kartoffel auch Zwiebeln

Das Julius Kühn-Institut (JKI) und der Pflanzenschutzdienst Hessen weisen erstmals den bakteriellen Erreger der SBR-Krankheit in Zwiebeln nach. Als Überträgerinsekt gilt die Schilf-Glasflügelzikade. Sie überträgt den Erreger bereits auf Zuckerrübe und Kartoffel, wo die Infektion zu Qualitäts- und Ertragseinbußen führt.

Auch 2024 hat Stolbur vor allem im Süden Deutschlands zu massiven Schäden im Kartoffel- und Zuckerrübenanbau geführt. Zusätzlich sind im Gemüseanbau Chinakohl, Möhren, Rhabarber, Rote Beete, Paprika und Sellerie mit teilweise existenziellen Ertragseinbußen betroffen. Zahlreiche weitere Pflanzen – Unkräuter (zum Beispiel Ackerwinde und Brennnessel), Wildpflanzen und Gehölzpflanzen – dienen dem zellwandfreien Bakterium Candidatus Phytoplasma solani als Wirtspflanzen (Quelle: BWagrar).

Die Liste der befallenen Kulturen ist aber noch nicht abgeschlossen: Ebenfalls 2024 wurde das Proteobakterium erstmals in Gemüsezwiebeln in Hessen gefunden. Der Erstnachweis gelang Forschenden des JKI in Dossenheim in Kooperation mit dem Pflanzenschutzdienst Hessen. „Unser Fund des Bakteriums in Zwiebelproben eines Anbauers in Hessen zeigt, dass wir die Schilf-Glasflügelzikade als mögliche Überträgerin im Blick behalten müssen, vor allem dort, wo Zuckerrüben und Kartoffeln in der Fruchtfolge stehen“, sagt Eva Therhaag vom JKI. Und ergänzt: „Derzeit können wir aber noch nicht abschätzen, ob die Krankheitssymptome, die wir an Zwiebeln beobachten, tatsächlich auf das nachgewiesene Bakterium zurückzuführen sind“. Angesichts der bisherigen Krankheitsverläufe an Zuckerrübe und Kartoffeln seien die Sorgen jedoch berechtigt.

Interaktionen zwischen Bakterien, Überträgerinsekt und Pflanze aufklären

„Die Forschung darf nicht nachlassen bei der Aufklärung der komplexen Beziehungen zwischen den Bakterien, die die Krankheit verursachen, den Insekten, die sie übertragen und den Pflanzen, die potenziell von Überträgerinsekten besucht und mit den Bakterien infiziert werden“, sagt Professor Dr. Jürgen Gross vom JKI, Leiter des Fachinstituts für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau. Er hat jahrzehntelange Erfahrung, wenn es darum geht zu verstehen, wie Pflanze, Insekt und Schadorganismus mittels Infochemikalien, also flüchtigen Substanzen, kommunizieren. Im Obst- und Weinbau werden solche Infochemikalien bereits eingesetzt, Insekten gezielt zu vergrämen, ihre Vermehrung zu stören oder sie sogar abzutöten. Solche Ansätze wären auch zur Bekämpfung der Zikade denkbar.

Um sie auszuloten, wird das JKI in den nächsten Jahren als Kooperationspartner im Rahmen des Programms für Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz mitwirken. Dabei wird auch die Epidemiologie der übertragenen Erreger studiert.

Hintergrundinformation zur Krankheit

Die Infektion von Zuckerrüben mit Bakterien und/oder Phytoplasmen (zellwandlose Bakterien), bekannt als „Syndrom Basses Richesses“, sorgt für erheblich niedrigere Zuckergehalte im Erntegut. Vor zwei Jahren wurde die Krankheit erstmalig auch an Kartoffeln beobachtet. Im März 2024 hat das JKI im Rahmen eines durch die Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (UNIKA) finanzierten Projekts wissenschaftlich belegt, dass beide Erreger durch erwachsene Schilf-Glasflügelzikaden auf Kartoffeln übertragen werden. Dabei gab es auch Hinweise, dass nicht alle Sorten gleich stark betroffen sind.

Eva Therhaag konnte nachweisen, dass die Zikade ihren gesamten Lebenszyklus auch an der Kartoffel vollziehen kann – sie damit nicht nur Nahrungs-, sondern auch Wirtspflanze ist. Die durch die Infektion ausgelöste Erkrankung, die bakterielle Kartoffelknollenwelke, ist ein noch wenig bekanntes Krankheitsbild. Ihre Symptome können leicht mit anderen Kartoffelkrankheiten verwechselt werden. Befallene Knollen weisen weniger Stärke und mehr Saccharose auf, außerdem können sogenannte Gummiknollen entstehen.

Quelle: idw-online

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