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Heuschreckenschwärme zählen zu den ältesten Landwirtschaftsschädlingen der Menschheitsgeschichte und finden als von Gott gesandte Plagen Erwähnung in Bibel, Koran und Thora. Unterschiedliche Arten haben auf verschiedenen Kontinenten immer wieder für verheerende Schäden und Hungersnöte gesorgt. Von Bedeutung sind im Wesentlichen zehn bis 15 Arten aus der Familie der Feldheuschrecken. Auch in Mitteleuropa traten in früheren Jahrhunderten Heuschreckenschwärme auf. Foto: Bishnu Sarangi, Pixabay
09.11.2022
Forschung & Technik

Stehen uns Heuschreckenplagen bevor?

Modellrechnung zur Ausbreitung der Insekten mit dem Klimawandel

Eine Wissenschaftlergruppe des Julius Kühn-Instituts (JKI) und der Technischen Hochschule Köln hat die mögliche Ausbreitung von Heuschrecken an 20 Beispiel-Standorten Deutschlands modelliert. Das beunruhigende Ergebnis: 10 bis 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche an diesen Standorten könnte von Heuschreckenschwärmen bedroht sein.

Auch in Mitteleuropa ist die biblische Plage der Heuschrecken-Invasion nicht unbekannt. So fielen zum Beispiel im 14. bis 16. Jahrhundert Heuschreckenschwärme ein, besonders in warmen, trockenen Sommern oder wenn nach außergewöhnlich trockenen Perioden Regenfälle einsetzten. Die Schwärme entwickelten sich meist in der ungarischen Tiefebene und wanderten bei trockenem Wetter und ausreichendenden Ostwinden entweder nördlich der Alpen über Österreich und Tschechien bis nach Westdeutschland oder südlich der Alpen über die slawonische Tiefebene und Norditalien nach Süddeutschland. Dort fraßen sie die Vegetation auf Wiesen und Feldern, besonders Getreidefeldern, ebenso wie Getreidevorräte und Saatgut, was zu lokalen Hungersnöten führte. Mit Beginn der Kleinen Eiszeit vom 16. Bis zum frühen 19. Jahrhundert wurden Heuschreckenschwärme in Mitteleuropa seltener.

Unser Klima wird heuschreckenfreundlich

Ein Wissenschaftlerteam um Professor Stefan Kühne vom JKI hat in der Arbeit „Abschätzung des klimawandelinduzierten Gefahrenpotenzials von Feldheuschrecken als Schädlinge für die zukünftige deutsche Landwirtschaft“ die mögliche Ausbreitung der Italienischen Schönschrecke (Calliptamus italicus), der Marokkanischen Wanderheuschrecke (Dociostaurus maroccanus) und der Europäischen Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) untersucht. Dafür haben sie an 20 über Deutschland verteilten Standorten jeweils sechs Klimawandel-Szenarien durch das Softwareprogramm CLIMEX berechnen lassen. Ziel war, herauszufinden, ob und wann Feldheuschrecken, die in südeuropäischen Ländern immer wieder als Landwirtschaftsschädlinge auftreten, hierzulande klimatisch geeignete Lebensräume finden.

Bisher geringes Gefahrenpotenzial

Die Modellrechnung ergab, dass aktuell von einem geringen Gefahrenpotenzial von Feldheuschrecken für die deutsche Landwirtschaft auszugehen ist. Künftig jedoch wird sich die italienische Schönschrecke C. italicus in Deutschland stark verbreiten, während die Wanderheuschrecken D. maroccanus und L. migratoria nur kleine und lokale Populationen ausbilden könnten. Schwärme von Heuschrecken könnten pflanzliche Erzeugnisse auf 10 bis 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche an den betrachteten Standorten bedrohen, ergab die Studie.

Ihr Auftreten wird derzeit allerdings als unwahrscheinlich eingeschätzt, da die intensive Grünlandnutzung bisher nur unzureichende Vermehrungsbedingungen bietet. Sollten im Rahmen von Umweltschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen wie geplant größere Brachflächen geschaffen werden, könnten sie allerdings großflächige Vermehrungsgebiete darstellen. Empfehlen doch Studien zur Anpassung Deutschlands an den Klimawandel ausdrücklich die Notwendigkeit, extensive, großflächige Weidesysteme auszubauen und Grünbrachen zu schaffen. Bei der Planung solcher Brachflächen sollten Heuschreckenvermehrungen daher mitgedacht werden, raten die Wissenschaftler. Auch extensiv bewirtschaftete Agrarflächen, die für Photovoltaik-Freiflächenanlagen bereitgestellt werden, könnten möglicherweise Vermehrungsgebiete für Heuschrecken sein. Bislang liegen jedoch nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen hierzu vor.

Die Forscher mahnen auch, Schwarmbildungen im Ausland und mögliche Migrationsrouten nach Deutschland im Auge zu behalten. Schließlich können die Schwärme zwischen 10 Kilometer (Marokkanische Wanderheuschrecke) und 200 Kilometer (Europäische Wanderheuschrecke) täglich zurücklegen; Gesamtstrecken bis zu 1000 Kilometer sind keine Seltenheit. Nicht zuletzt empfehlen sie die Entwicklung von Konzepten zur Prävention und Intervention für den Fall einer Heuschreckeninvasion.

Quelle: Journal für Kulturpflanzen (JKI)

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