14.10.2025

Gekommen, um zu bleiben

Ungebetene Dauergäste: Fast 2000 invasive Arten in Deutschland heimisch

Eine Studie präsentiert erstmals eine umfassende Liste etablierter, nicht-heimischer Arten in Deutschland, einschließlich der betroffenen Lebensräume, Herkunftsregionen und der dokumentierten Auswirkungen. Sie zeigt, dass bei fast 98 Prozent der Arten die Auswirkungen auf heimische Ökosysteme und die Wirtschaft noch unbekannt sind.

Die meisten der in der Studie aufgelisteten 1962 Arten sind Pflanzen und Insekten, von denen 80 Prozent an Land leben. Besonders häufig wurden die Tiere und Pflanzen aus benachbarten europäischen Ländern sowie Asien und Nordamerika eingeführt.

Früher Jagd, heute Handel und Tourismus

Der Damhirsch (Dama dama), das Europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) oder der Jagdfasan (Phasianus colchicus) – sie alle wurden bereits vor etwa 1000 Jahren nach Deutschland eingeführt. „Während früher Tiere und Pflanzen hauptsächlich für Jagd- und Freizeitaktivitäten ins Land gebracht wurden, haben sich mit dem globalen Handel und der veränderten menschlichen Mobilität auch die Einführungswege von gebietsfremden Arten verändert“, erklärt Dr. Philipp Haubrock. Der Wissenschaftler, vormals am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, heute am Department of Life and Environmental Sciences an der Bournemouth University in Großbritannien beschäftigt, fährt fort: „Neben landwirtschaftlichen Einführungen spielen heute die Haltung und Freisetzung von Organismen und auch der Tourismus eine entscheidende Rolle. Der Anstieg des Online-Handels und die globale Bewegung von Waren haben das Risiko der Einschleppung nicht-heimischer Arten durch Verpackungen und Produkte zusätzlich erhöht".

Zentrale Lage macht anfällig

Haubrock ist Erstautor einer Studie, in der die erste umfassende Liste etablierter, nicht-heimischer Arten in Deutschland erstellt wurde, einschließlich der betroffenen Lebensräume, Herkunftsregionen und der dokumentierten Auswirkungen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Tschechien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zeigt er, dass es hier 1962 etablierte, nicht-heimische Arten aus 594 Familien und 35 Stämmen gibt. „Aufgrund seiner zentralen Lage in Europa und seines umfangreichen Handelsnetzes ist Deutschland besonders anfällig für die Einführung und Ausbreitung nicht-heimischer Arten“, erläutert der Gewässerbiologe und ergänzt: „Die meisten der in Deutschland eingeschleppten Arten sind Pflanzen, dicht gefolgt von Insekten und – mit größerem Abstand – von Wirbeltieren.

Rund 80 Prozent der Arten leben an Land, einige kommen in Feuchtgebieten vor. Nur ein kleiner Teil – weniger als 5 Prozent – besiedelt Süßwasserlebensräume oder andere spezielle Lebensräume“. Einführungen aus benachbarten europäischen Ländern und aus Asien kamen am häufigsten vor. Auch aus Nordamerika kamen viele Arten, was darauf hindeutet, dass Mechanismen des Ferntransports eine wichtige Rolle beim Eindringen nicht-heimischer Arten spielten. Haubrock erklärt: „Die meisten etablierten, invasiven Arten wurden in Bayern gemeldet, gefolgt von Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Wenn man die Zahlen im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße betrachtet, zeigen sich besonders viele dieser Arten in den ostdeutschen Bundesländern – Spitzenreiter ist aber Bremen“.

Wissenslücken über die Auswirkungen

Was die Daten der Forschenden ebenfalls zeigen: Es gibt große Wissenslücken darüber, welche Auswirkungen gebietsfremde Arten in Deutschland tatsächlich haben. „Bei 97,9 Prozent dieser Arten sind die Auswirkungen auf die heimischen Ökosysteme und die Wirtschaft nicht erfasst. Selbst bei bekannten Arten wie dem Waschbären oder der Nilgans wurden bisher kaum ökologische oder wirtschaftliche Schäden nachgewiesen. Doch nur weil noch keine Schäden dokumentiert wurden, heißt das nicht, dass keine vorhanden sind“, so Haubrock. „Die Nilgans beispielsweise, die ursprünglich aus Afrika stammt und sich seit den 1980er-Jahren stark in Deutschland ausgebreitet hat, macht heimischen Wasservögeln Konkurrenz um Brutplätze und Nahrung. Mit ihrem aggressiven Verhalten kann sie lokale Ökosysteme stören und die Artenvielfalt gefährden. Auch für die Landwirtschaft stellt sie ein Problem dar, da sie Felder und Pflanzen beschädigt“.

Die Forschenden betonen, dass die Katalogisierung der etablierten, nicht-heimischen Arten in Deutschland politischen Entscheidungsträgern ein klareres Bild vermittelt, welche Arten bereits vorhanden sind, wie sie sich ausbreiten und welche Auswirkungen sie haben können. „Ziel ist, rechtzeitig Strategien für das Management dieser Arten zu entwickeln. Eine nach Prioritäten geordnete Liste ermöglicht es, Ressourcen gezielt einzusetzen und die Bemühungen auf die dringendsten Herausforderungen zu konzentrieren. Indem die Öffentlichkeit über prominente Beispiele und die Risiken invasiver Arten informiert wird, können zudem weitere Einführungen und unbeabsichtigte Ausbreitungen verhindert werden“, schließt Haubrock.

Quelle: idw-online

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