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Berater und Landwirte pflegen einen intensiven Austausch, damit die Resistenzentwicklung gebremst werden kann. Foto: Matthias Wiedenau
05.10.2017
Umwelt & Verbraucher

Resistenzen bereiten Ackerbauern Kopfzerbrechen

Der natürliche Prozess kann beeinflusst werden

Bei den Themen Antibiotikaresistenz oder multiresistente Krankenhauskeime horchen wir auf. Die Fälle häufen sich. Betroffene geraten nicht selten in Lebensgefahr. Resistenzen sind aber nicht nur eine Herausforderung in der Humanmedizin. Auch im Pflanzenschutz treten sie verstärkt auf. Sie betreffen Ungräser und -kräuter, Insekten, Pilze und Nagetiere. Landwirtschaft, Beratung, Zulassungsbehörden und Industrie müssen an einem Strang ziehen, damit die Auswirkungen nicht aus dem Ruder laufen.

In den traditionellen Weizenanbaugebieten rund um die deutsche Nordseeküste bewegt der Ackerfuchsschwanz die landwirtschaftlichen Gemüter. Das Ungras wird immer mehr zur Plage auf den Äckern und ruiniert die Erträge. Zahlreiche Landwirte haben den Weizenanbau zumindest vorübergehend eingestellt. Der Grund für die Massenvermehrung sind Resistenzen gegenüber den eingesetzten Herbiziden, die bislang gewirkt haben.

Konventionelle und biologische Präparate betroffen

Ackerfuchsschwanz ist zwar das prominenteste Beispiel, aber lange nicht das einzige aus dem Pflanzenbau. Die Liste wird immer länger. Unkräuter wie Kamille, Amarant, Vogelmiere, Gänsefuß oder Ackerstiefmütterchen machen zunehmend Probleme. Weltweit gibt es inzwischen rund 250 Unkrautarten, die auf einen oder sogar mehrere gebräuchliche Herbizid-Wirkstoffe nicht mehr reagieren. Bei Insekten sind Resistenzen bei Kartoffelkäfer, Weißer Fliege, Rapsglanzkäfer oder Blattläusen festgestellt worden. Bei den Pilzen betrifft es unter anderem Septoria, Mehltau oder DTR (Drechslera tritici-repentis). Selbst Mäuse und Ratten sind vielfach nicht mehr sicher zu bekämpfen. Von den Resistenzen sind nicht nur Wirkstoffe des konventionellen Anbaus betroffen, sondern auch biologische Präparate. So zum Beispiel Pyrethrum gegen Insekten und der Granulosevirus gegen Apfelwickler.

Natürlicher Prozess

Wo ist die Ursache zu suchen? Ausgangspunkt sind zufällige Veränderungen im Erbgut der Schaderreger, sogenannte Mutationen. Dieser natürliche Vorgang kann, wenn er an der richtigen Stelle geschieht, zu einer Resistenz führen. Zwei verschiedene Ausprägungen werden unterschieden: Bei der Zielort (Taget site)-Resistenz verursacht eine zufällige Mutation an einer Stelle im Erbgut des Schaderregers von jetzt auf gleich die Unempfindlichkeit. Im übertragenen Sinn passt der Schlüssel nicht mehr ins Schloss. Auch noch so große Aufwandmengen des Wirkstoffs sind dann nutzlos. Die qualitative (metabolische) Resistenz beruht hingegen auf Anpassungsprozesse im Schaderreger. Dieser baut den gegen ihn verwendeten Wirkstoff immer schneller ab, er entgiftet sich also selbst. Zunächst helfen noch höhere Aufwandmengen, später funktioniert diese Strategie nicht mehr.

Unterschiedliches Risiko

Die zum Schutz der Pflanzen entwickelten Wirkstoffe unterliegen einem unterschiedlichen Resistenzrisiko. Vergleichsweise gering ist es bei Substanzen, die an verschiedenen Stellen im Stoffwechsel des Schadorganismus ansetzen. Es bedarf mehrerer Mutationen, um sie wirkungslos zu machen. Resistenzen oder Wirkungsabschwächungen treten – wenn überhaupt – erst nach vielen Jahren auf. Ein Beispiel hierfür ist das Pilzbekämpfungsmittel Chlorthalonil, das bereits seit 50 Jahren erfolgreich gegen Septoria im Weizen oder Ramularia in der Gerste eingesetzt wird. Ganz anders ist die Situation zum Beispiel in der erst wenige Jahre alten Wirkstoffklasse der Carboxamide. Hier reicht bereits eine Mutation, um Pilzkrankheiten gegen das Pflanzenschutzmittel resistent zu machen. Das ist bereits vielfach in der ebenso gefährdeten, aber älteren Wirkstoffklasse der Strobilurine geschehen.

Carboxamide sollten deswegen nur ein Mal im Verlauf der Vegetation eingesetzt werden. Sobald ein Landwirt ein Mittel jedoch mehrfach oder in nicht ausreichender Dosierung einsetzt, forciert er den Selektionsprozess: Die resistenten Schaderreger bleiben übrig, die empfindlichen verschwinden aus der Population. Nach mehreren Selektionen sind nur noch resistente Erreger vorhanden. Das Pflanzenschutzmittel ist wertlos geworden.

Auswahl ist begrenzt

Muss ein Landwirt seine Kultur mehrfach pro Jahr gegen ein und denselben Schaderreger schützen, sollte er auf Mittel mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zurückgreifen. Das gestaltet sich jedoch mit jeder neuen Resistenz zunehmend schwieriger. Obwohl aktuell 270 Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln in Deutschland zugelassen sind (Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit), stehen für einige Anwendungsbereiche nur ein oder zwei Wirkstoffe zur Bekämpfung von Krankheiten oder Schaderregern zur Verfügung. Hier sind Resistenzen  vorprogrammiert. Ein Ausweg besteht in neu entwickelten Wirkstoffen durch die Industrie. Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs dauert etwa elf Jahre, und aktuell ist die Pipeline für viele Problembereiche leer.

Gerade bei Schaderregern, für die es keine wirksame Alternative zur Bekämpfung mit Pflanzenschutzmitteln gibt, spitzt sich die Situation zu. Hier ist eine enge Kooperation zwischen allen Beteiligten gefragt. Ein gezieltes Resistenzmanagement muss erarbeitet und unbedingt beachtet werden. Dazu zählen vorbeugende Maßnahmen und alternative Bekämpfungsstrategien. Anwender fordern von den Behörden eine beschleunigte Zulassung neuer und die Wiederzulassung von Pflanzenschutzmitteln. Der aktuelle Zulassungsstau verenge das Spektrum der einsetzbaren Pflanzenschutzmittel unnötig.

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