"Einfach ma machen!"
Herr Hägerling, was ist eigentlich die Landjugend?
Landjugend ist der Name eines Verbands von jungen Menschen auf dem Land. Der Bund der Deutschen Landjugend e. V. (BDL) ist ein eingetragener Verein. Er besteht aus 18 Landesverbänden mit insgesamt rund 100 000 jungen Menschen zwischen 15 und 35 Jahren. Der Landjugend-Verband hat das Ziel, die Lebens- und Bleibeperspektiven junger Menschen in ländlichen Räumen zu erhalten und zu verbessern. Er ist die selbstständige Jugendorganisation des Deutschen Bauernverbands, des Deutschen Weinbauverbands und des Deutschen LandFrauenverbands und arbeitet überkonfessionell und parteipolitisch ungebunden.
Und Sie engagieren sich in der niedersächsischen Landjugend?
Ja, und das bereitet mir sehr viel Freude. Die Niedersächsische Landjugend wurde am 4. Juli 1950 gegründet. Wir sind heute wie damals eine vielfältig gemischte Gemeinschaft und vertreten die Interessen der jungen Menschen aus dem ländlichen Raum. Zu Gründungszeiten hatte der Verband vor allem landwirtschaftliche Schwerpunkte. Heute haben nur noch gut 20 Prozent der Mitglieder einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Dennoch sehen wir es als eine unserer Kernaufgaben, die Grünen Berufe, wie zum Beispiel die Landwirtschaft, zu stärken und durch Öffentlichkeitsarbeit wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu rücken.
Und was macht die Niedersächsische Landjugend?
Wir haben rund 200 Ortsgruppen in acht Bezirken mit mehr als 10 000 Mitgliedern. In den Ortsgruppen gibt es die unterschiedlichsten Veranstaltungen und Aktionen von Gruppenabenden mit Brettspielen über die Ausrichtung des Osterfeuers bis hin zur Brühtrog-Rallye, bei der mit einem alten Trog im Wasser gepaddelt wird. Die Landjugend soll die Gemeinschaft im Ort stärken und der Gesellschaft etwas wiedergeben. Auf Landesebene bündeln wir die Interessen unserer Mitglieder und sind Sprachrohr unserer Landjugend gegenüber der Politik. Wir wollen den Lebenswert des ländlichen Raums für junge Menschen attraktiv gestalten.
Sie sind also auch politisch aktiv?
Ja, aber ohne Bindung an politische Parteien. Wir bündeln die Arbeit in verschiedenen Gremien und bringen unsere Vorschläge, Anregungen und Forderungen anschließend gegenüber der Landespolitik, dem Bauernverband/Landvolk oder der Landwirtschaftskammer ein. Alltagskompetenzen in der Schule zu verankern oder die Wohnraumförderung für junge Erwachsene im ländlichen Raum sind Beispiele, bei denen wir mit Parteien und Ministerien in Gesprächen sind.
Daneben schaffen Sie auch konkreten Mehrwert für Ihre Nachbarinnen und Nachbarn im ländlichen Raum mit Ihren Projekten.
"Einfach ma machen!“, so lautete das Motto unserer letzten „72-Stunden-Aktion“ im Jahr 2019. Die Aktion findet alle vier Jahre statt. Gemeinsam etwas auf die Beine stellen und etwas schaffen ist das Ziel. Im vergangenen Jahr nahmen 111 Ortsgruppen teil. Innerhalb von 72 Stunden musste jede Gruppe eine individuelle und ihnen zuvor unbekannte Aufgabe umsetzen. Von Donnerstagabend 18 Uhr bis Sonntagabend 18 Uhr hatten sie dafür Zeit. Organisiert wurde das Ganze über den Landesverband. Die Aufgaben wurden jeweils über Kontaktpersonen in den Orten ausgewählt und zum Startpunkt verkündet. Vom Bau einer Schutzhütte über Renovierungs- und Neugestaltungsaufgaben von Dorfplätzen bis hin zu Lehrpfaden mit Infotafeln war alles dabei, aber auch Insektenhotels, die meist zusätzlich zu den einzelnen Aufgaben gefertigt wurden. Die Aufgaben waren so vielfältig wie unsere Mitglieder selbst. Wir sind alle bunt gemischt. Der eine oder die andere ist eher handwerklich begabt, die nächsten sind kreativ oder organisatorisch stark. Unsere Vielfältigkeit und Gemeinschaft zeichnet uns aus. Jede/r bringt sich so ein, wie er/sie kann. Darauf bin ich stolz.
Ein großer Zusammenhalt. Ist Jugendarbeit auf dem Dorf einfacher als in der Stadt?
Das lässt sich nicht abschließend sagen. Mir ist ganz wichtig zu sagen, dass auch wir als Landjugend über den Tellerrad schauen müssen. Wer Toleranz und Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft oder dem Landleben fordert, muss selbst auch offen sein für die Belange der Stadt. Auch auf dem Dorf herrscht nicht immer Einigkeit. Wir müssen hinhören und gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft anpacken. Klima, Umwelt, demografischer Wandel, Digitalisierung und vieles mehr geht nur miteinander. Wir als Landjugend setzen uns selbst aktiv für unsere Zukunft ein. Wir können die Perspektiven des ländlichen Raums mitgestalten, wenn wir wollen, und auch mit anpacken.
Dafür müssen Sie sich und Ihre Mitglieder sicherlich gut weiterbilden?
Fortbildungen und Seminare gehören zu unserer Arbeit auf Landesebene. Jedes Jahr gibt es eine Vielzahl von Angeboten. Seminartitel in diesem Jahr geplant waren zum Beispiel „Crazy Farming in den Niederlanden“, „Wasserwandern im Spreewald“ oder „Plastic World“. Hinzu kommen Planungen für zwei fachliche Agrarlehrfahrten ins EU-Ausland. Wem das nicht weit genug weg von zuhause ist, kann am Austauschprogramm teilnehmen, zum Beispiel für drei Monate nach Kanada.
Bei unserer diesjährigen Jahresaktion unter dem Motto „DemokraT-Shirt – Dein Design gegen Extremismus“ sind unsere Ortsgruppen aufgefordert, ein T-Shirt zu designen, was sich gegen Extremismus stellt und für Toleranz wirbt. Highlight in diesem Jahr, neben unserem 70-Jährigen Jubiläum, sollte der Deutsche Landjugendtag in Wacken im Juni sein, der leider wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste. Wer uns als Landjugend kennen lernen möchte, ist herzlich willkommen und darf sehr gerne den Kontakt unter https://nlj.de/ suchen. Wir freuen uns immer über Zuwachs!