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Die Kirschessigfliege wird zwei bis drei Millimeter lang, hat rote Augen und einen gelblich-braunen Körper. Die Männchen sind an einem schwarzen Fleck an den Flügelspitzen zu erkennen. Foto: John Davis
27.09.2011
Umwelt & Verbraucher

Kirschessigfliege in der Schweiz entdeckt: kleine Fliege mit großem Hunger

Dem neuen Schädling auf der Spur: Forschungsanstalt prüft Befallssituation und Bekämpfungsmöglichkeiten

Im Juli 2011 entdeckte eine Arbeitsgruppe der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii Matsumura) erstmals bei Beerenobst in der Schweiz. Die Larven des Insekts fressen das Fruchtfleisch von reifendem Beeren- und Steinobst. Hohe Ernteverluste sind die Folge. Die Forscher überwachen nun die befallenen Gebiete und prüfen die Bekämpfungsmöglichkeiten.

Der fliegenden Plage auf der Spur

Aufgrund der Schäden, welche die Fliege an Beeren- und Steinobst verursachen kann, hat die Forschungsanstalt ACW im Frühling 2011 überall Insektenfallen in allen Obstbauregionen der Schweiz aufgestellt. Ende Juli 2011 wurde das Insekt bei Beerenpflanzen im Tessin und in Graubünden gefunden. Bei einer Heidelbeerpflanzung beschädigte es über 70 Prozent der Früchte.

Während die meisten der 30 000 Essigfliegenarten faulendes Obst bevorzugen, schädigt die Kirschessigfliege fast reifes Beeren- und Steinobst direkt an der Pflanze. Mit einer Raspeleinrichtung am Bauch durchdringt das Weibchen die Haut der Frucht und legt Eier (durchschnittlich 2,7 pro Frucht) hinein. Die bereits nach einem Tag geschlüpften Larven lassen sich das Fruchtfleisch schmecken. Äußerlich sind Einstiche, eingefallene Flecke und später Fäule sichtbar. Pilzliche Erreger und Bakterien können sich ansiedeln (Sekundärinfektion). Schon zwei Tage nach der Eiablage fallen die Früchte in sich zusammen. 

Die Kirschessigfliege wird zwei bis drei Millimeter lang, hat rote Augen und einen gelblich-braunen Körper. Nur die Männchen tragen je einen dunklen Punkt auf den Flügeln. Von heimischen Drosophila-Arten ist sie nur mit Hilfe von Laboruntersuchungen sicher zu unterscheiden. Ihr Vermehrungspotenzial ist beeindruckend: mit einem Entwicklungszyklus von acht bis 14 Tagen kann sie über zehn Generationen im Jahr hervorbringen. Entsprechend hoch ist ihr Gefährdungspotenzial. Der Schadorganismus steht auf der EPPO-Warnliste* und ist daher meldepflichtig. Eine Bekämpfung mit Insektiziden ist möglich, allerdings besteht die Gefahr der Rückstandsproblematik und Resistenzbildung. 

Den gefährlichen Einwanderer ausbremsen

Beheimatet ist die Kirschessigfliege im asiatischen Raum. Über Nordamerika erreichte das Insekt in den letzten Jahren auch Spanien, Italien und Frankreich. Es verbreitet sich hauptsächlich durch den Handel mit befallenen Früchten, nicht zuletzt, weil diese leicht übersehen werden. Das Klima in Mittel- und Südeuropa entspricht den Ansprüchen des Schädlings. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kirschessigfliege in den nächsten Jahren weiter ausbreiten wird. Die befallenen Zonen in der Schweiz werden weiterhin mit Fallen (Lockmittel Apfelessig) überwacht, um die Verbreitung der Fliegen beurteilen zu können. Die Arbeitsgruppe untersucht momentan die Erfahrungen bei der Vorbeugung und Bekämpfung in bereits befallenen Ländern und arbeitet an der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.

*
Die Europäische und Mediterrane Pflanzenschutzorganisation EPPO (European Plant Protection Organization)  führt auf ihrer Webseite eine Warnliste (Alert List) von Organismen (englisch), die schädlich für Pflanzen in der EPPO-Region sein könnten. Sie trägt damit zu einem Frühwarnsystem bei, um den Gefahren für Kultur- und Wildpflanzen rechtzeitig vorbeugen zu können.
Die Schadorganismen auf der Alert List werden von der EPPO ausgewählt. Kriterien für die Auswahl sind z. B. neue Ausbrüche oder zunehmende Ausbreitung von Schadorganismen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse etc.
Zu jedem gelisteten Organismus gibt es ein kurzes Datenblatt auf Englisch. Empfehlungen für phytosanitäre Maßnahmen sind nicht enthalten, es liegt auch noch keine EPPO-Risikoanalyse vor, vielmehr dient die Liste zunächst der vorläufigen Einschätzung möglicher Risiken.

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