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Der deutsche Hopfenanbau droht in eine Sackgasse zu führen, so die Befürchtung von Landwirten, Beratern und Verbänden. Foto: RitaE / Pixabay
31.08.2021
Umwelt & Verbraucher

Hopfenanbau in der Sackgasse?

Immer umfassendere behördliche Vorgaben bereiten Anbauern Kopfzerbrechen

Im September ernten Landwirte ihren Hopfen. Die Qualität steht dabei im Mittelpunkt. Wenn sie stimmt, lassen sich zusammen mit Malz und Wasser die gewohnt hochwertigen Bierspezialitäten brauen. Ob der Hopfen auch in Zukunft noch aus Deutschland kommt, ist aber fraglich.

Hopfen von weitem sichtbar

Wer auf der A 9 südlich von Ingolstadt unterwegs ist, dem sind möglicherweise schon mal die mehrere Meter hohen Gerüste links und rechts der Trasse aufgefallen. An den daran befestigten Drähten wachsen Hopfenpflanzen hinauf. Hier in der Hallertau erstreckt sich das mit Abstand größte deutsche Anbaugebiet für die Bierzutat, die dem Getränk seinen charakteristischen bitteren Geschmack verleiht. Weitere Anbaugebiete befinden sich in im Bereich Elbe-Saale, Tettnang und Spalt. Zusammen bauen in Deutschland rund 1100 landwirtschaftliche Betriebe auf 20 400 Hektar Hopfen an (2019, Quelle: statista.com). Sie produzieren etwa ein Drittel des weltweiten Bedarfs.

Für den Erfolg des Hopfens „Made in Germany“ sind unter anderem seine hohe Qualität und die günstigen Anbaubedingungen verantwortlich. Wollen Anbauer Qualitätskriterien wie Bitterwert, Lagerstabilität oder Aroma und gute Erträge erreichen, darf es ihren Pflanzen an nichts fehlen. Sie müssen vor allem gesund erhalten werden. Doch dies wird nach Meinung von Anbauern und Beratern in den nächsten Jahren zunehmend schwieriger.

Ein Beispiel für die Situation im Sommer 2021 ist nach Informationen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Hopfenblattlaus, die an der Pflanze Saugschäden verursacht und auch das Hopfen-Mosaikvirus übertragen kann. Um die Blattlaus in Schach zu halten, ist aktuell nur noch ein Mittel verfügbar, dessen Zulassung aber Ende 2022 ausläuft. Ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Insekten: Das einzige verbliebene Mittel gegen Spinnmilben ist noch bis 2024 zugelassen.

Pflanzenschutz-Werkzeugkasten wird kleiner

Kritisch ist die Situation auch bei Bodenschädlingen und Pilzkrankheiten. Die Rückstandsgrenzwerte für das Fungizid gegen Falschen Mehltau (Peronospora humili) wurden so weit abgesenkt, dass eine Anwendung unter Einhaltung der Werte kaum noch möglich ist. Echter Mehltau (Podosphaera macularis) ist nur mit einem Mittel zu bekämpfen, das eine sogenannte Notfallzulassung erhalten hat. Diese kann erteilt werden, wenn der Schuh besonders drückt. Sie ist aber nur auf ein Jahr befristet und mit Auflagen verbunden.

Ob auslaufende Zulassungen von den Behörden verlängert werden, ist unsicher. In der Vergangenheit hat ein Verdacht auf schädliche Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt ausgereicht, um Mittel vom Markt zu nehmen. Die zuvor über mehrere Jahre in einem aufwändigen Prozess ermittelten wissenschaftlichen Daten für die Zulassung und die mit hohen Sicherheitsreserven festgelegten Rückstandsgrenzwerte haben in diesem Moment keine Bedeutung mehr.

Ohne Mittelvielfalt höheres Resistenz-Risiko

Dies hat dazu geführt, dass die ursprüngliche Mittelvielfalt zusammengeschrumpft ist. Wenn ein Mittel für die Bekämpfung eines Schaderregers verbleibt, mag das für den Augenblick reichen. Die wiederholte Anwendung eines einzelnen Wirkstoffs führt aber auf Dauer zu Resistenzen, ähnlich wie man es aus der Antibiotikaanwendung in der Humanmedizin kennt. Nach Expertenmeinung sind mindestens drei verschiedene Wirkstoffe erforderlich, um Resistenzen vorzubeugen.

Nach Angaben des Hopfenpflanzerverbands setzen die Anbauer bereits jetzt etwa 40 Prozent weniger Insektizide und Herbizide als vor 20 Jahren ein. Möglich war das durch die konsequente Umsetzung des Integrierten Pflanzenbaus nach dem Grundsatz „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Chemische Maßnahmen werden nur dann ergriffen, wenn andere Maßnahmen nicht wirken. Nun setzen die Zulassungsbehörden in Deutschland und die EU die Branche weiter unter Druck. Die EU will im Rahmen ihres Green Deals den Pflanzenschutzmittel-Einsatz bis 2030 um 50 Prozent verringern.

Sicherlich werden Innovationen wie robustere Sorten, wirkungsstarke Biostimulanzien oder die Anwendung von digitalen Hilfsmitteln den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln weiter verringern. Die Hopfenbranche befürchtet aber, dass das Innovationstempo nicht ausreichen wird, um den Kahlschlag im Pflanzenschutz-Portfolio nur annähernd auszugleichen. Zudem ist fraglich, ob Herstellerfirmen bei der unsicheren Zulassungssituation weiterhin Mittel für eine flächenmäßig kleine Kultur wie den Hopfen mit hohen finanziellen Vorleistungen auf den Markt bringen.

Blühmischungen statt Hopfenfelder?

Tritt die befürchtete Entwicklung ein, würden Ertrag und Qualität in den deutschen Anbaugebieten zurückgehen. Dadurch verringerte sich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Erzeuger gegenüber den USA, die bereits jetzt flächenmäßig weltweit führend sind. Die Brauereien würden ihren Bedarf zunehmend im Ausland decken. Landwirte in den Gunststandorten wie Hallertau oder Bodensee müssten sich nach alternativen Kulturen umsehen. Statt an den typischen Hopfengerüsten fahren die Autofahrer auf der A 9 demnächst vielleicht an Feldern mit Blühmischungen oder Getreide vorbei.

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