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Pflanzenstress, hervorgerufen zum Beispiel durch Schaderreger, beeinflusst die Zusammensetzung der Bakterien auf den Trauben. Foto: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair
20.10.2020
Forschung & Technik

Winzige Helfer für guten Geschmack

Bakterienbesatz an Weintrauben entscheidet über Qualität und Geschmack des Weins

Ein gutes Glas Wein erfreut Zunge und Herz. Das weiß (beinahe) jeder. Kaum jemand weiß allerdings, dass der gute Geschmack eines Weins, seine Qualität und sein Aroma auch von Bakterien mitbestimmt werden, die am Gärungsprozess beteiligt sind. Die wiederum sind offenbar umso zahlreicher, je mehr Stress der Wein vor der Ernte ausgesetzt ist.

Eine Wissenschaftlergruppe des Fachgebiets Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik der Universität Hohenheim unter Leitung von Professor Dr. W. Florian Fricke hat diesen Zusammenhang untersucht. Sie fanden heraus, dass neben Rebsorte, Boden, Klima- und Wetterbedingungen, Prozess der Weinherstellung und verwendeter Hefe auch Bakterien im gärenden Traubenmost eine wichtige Rolle spielen. „Unsere Studie zeigt, dass der stärkste Einfluss auf das Weinmikrobiom von Bakterien auf der Traubenoberfläche ausgeht und weniger vom Traubensaft. Die Stärke dieses Einflusses hängt von der Wein-Art und der Traubenintegrität vor der Ernte ab“, beschreibt Professor Fricke die Ergebnisse der Untersuchung.

Zwar haben viele schon einmal die unangenehme Erfahrung gemacht, dass ein Wein „umkippt“, also ungenießbar wird. Für diesen Prozess sind Essigsäure-Bakterien im Wein verantwortlich. Fricke und seine Kollegen haben nun herausgefunden, dass Bakterien aber nicht nur zum Verderb des Weins führen, sondern auch positive Effekte auf Qualität und Aromen-Vielfalt des fertigen Weins haben können. Die Mikroben stammen unter anderem von den Pflanzenblättern und -wurzeln, dem Boden sowie den Trauben. Die Zusammensetzung und Funktion der Weinmikroben sowie ihre Abhängigkeit von Umwelteinflüssen war Gegenstand der Hohenheimer Untersuchung.

Das Versuchsmaterial, zwei Rot- und vier Weißweine, stammte übrigens vom universitätseigenen Weinberg. Dabei fanden sich zwar in allen Weinen komplexe Bakteriengemeinschaften, die Rotweine wiesen allerdings eine deutlich höhere Bakterienvielfalt und -anzahl auf. Das liege an Unterschieden im Herstellungsprozess, erklärt Fricke: „Für die Weißwein-Herstellung werden rote oder weiße Trauben zerkleinert und gepresst, und nur der geklärte Saft wird zur Gärung verwendet. Für die Rotwein-Fermentation dagegen wird der Saft aus zerkleinerten roten Trauben gemeinsam mit Haut und Kernen eingesetzt“.

Offensichtlich hängt die mikrobielle Ökologie der Trauben stark von ihrem Gesundheitszustand ab. Die größte Bakterienvielfalt fand sich in Most aus Trauben, die vor der Ernte Stress ausgesetzt waren. „Wenn es gelänge, diese Umwelteinflüsse besser zu verstehen und sogar zu steuern, hätten diese Bakterien möglicherweise das Potenzial, die aromatische Vielfalt des Weins gezielt zu modifizieren und zu erweitern“, vermutet Fricke.

Quelle: transkript.de / Uni Hohenheim

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