In Mitteleuropa erholt sich in einigen Regionen die pflanzliche Artenvielfalt. „Spezialisten“ aber werden seltener.
Wissenschaftler finden wieder mehr Pflanzenarten, aber weniger Spezialisten
Seit Ende der 1990er Jahre kann in einigen Regionen Mitteleuropas eine Verlangsamung des Artenverlusts oder sogar eine Artenzunahme beobachtet werden. Ein Team von Schweizer und deutschen Forschern hat – unter Beteiligung der Universität Bonn und des Naturkundemuseums Stuttgart – die Entwicklung in der Schweiz genauer untersucht.
Entwicklung vorsichtig positiv
In bisherigen Studien wurde in der Regel mehr auf die allgemeine Zu- oder Abnahme der Artenzahl von Wildpflanzen geachtet. Kaum untersucht wurden hingegen Veränderungen bei bestimmten Pflanzengruppen. Die neue Studie dagegen erfasst Arten mit unterschiedlichen Bestäubungsstrategien getrennt, und zwar nach windbestäubten und insektenbestäubten Pflanzen. Das Problem: Viele bedrohte Insektenarten sind auf nur wenige Nahrungspflanzen spezialisiert. Daher erfassten die Wissenschaftler besonders die Häufigkeit und Verbreitung gerade dieser Pflanzenarten. In dem schon seit dem Jahr 2001 laufenden Projekt wurden 1774 Pflanzenarten auf 448 Untersuchungsflächen mit einer Größe von einem Quadratkilometer bestimmt. Erhoben wurden Daten zu verschiedenen Pflanzenmerkmalen wie Blütenform und -farbe, zu ihrer Fortpflanzungsstrategie sowie zu den jeweiligen Bestäubern.
Die Untersuchung zeigt, dass die Artenvielfalt in der Schweiz seit Beginn der Studie im Durchschnitt um 7,5 Prozent zunahm. 1260 der bestimmten Arten (71 Prozent) nahmen in ihrer Häufigkeit zu, für 86 Arten (4,8 Prozent) gab es keinen erkennbaren Trend. Das Studienteam erklärt den Zuwachs an Arten mit erfolgreichen Naturschutzmaßnahmen. Aber auch die Einwanderung von Pflanzenarten führt zur Artenzunahme. Doch es gibt auch Verlierer: 428 Arten (24,1 Prozent) kommen immer seltener vor.
Spezialisten haben das Nachsehen
Zu ihnen gehören vor allem insektenbestäubte Pflanzenarten. Am wenigsten betroffen sind noch Pflanzenarten mit offenen Blüten wie Korbblütler (Asteraceae). Diese werden meist von kurzzüngigen Bienen und Fliegen besucht, die auf vielen verschiedenen Pflanzen Nahrung finden, sogenannte generalistische Arten. Bestände von Pflanzenarten mit komplexer aufgebauten Blüten konnten sich dagegen nicht erholen. Hierzu gehört beispielsweise das Leinkraut oder die Teufelskralle. Diese Pflanzen werden nur von langzüngigen und auf die Blütenform spezialisierten Hummel- und Wildbienenarten besucht – und diese Bestäuber werden immer seltener.
Stärker vom Aussterben bedroht sind hier vor allem Pflanzenarten ohne die Fähigkeit zur Selbstbestäubung. Wenn nun manche dieser Arten, wie der Gilbweiderich oder die Glockenblume die einzige Nahrungsquelle für bestimmte Insekten darstellen, dann sieht es auch für die Bestäuber schlecht aus. Durch die enge Abhängigkeit sind solche Pflanzen und Insekten noch stärker bedroht.
Gezielter Schutz
Es zeigt sich also ein geteiltes Bild, schlussfolgern die Forscher: Gewinner sind windbestäubte und selbstbestäubende Pflanzenarten sowie insektenbestäubte Arten, deren Bestäuber zahlreiche Pflanzenarten besuchen. Hoch spezialisierte Pflanzenarten und die von ihnen abhängigen Insektenarten sind dagegen weiterhin bedroht. Sie mahnen an, dass diese Tier- und Pflanzenarten stärker in den Fokus von Naturschutzmaßnahmen rücken müssen.
Quelle: pflanzenforschung.de
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