Ein bitterer Geschmack gilt traditionell als Warnsignal für potenziell giftige Substanzen. Doch nicht alle Bitterstoffe sind schädlich. Einige Stoffe schmecken bitter, dabei sind sie sogar lebensnotwendig. Warum ist das so?
Wissenschaftler befassen sich mit der Rolle der Bitterrezeptoren im Körper
Generell hilft uns der Geschmackssinn bei der Nahrungsauswahl. Zwei der fünf Grundgeschmacksrichtungen, nämlich Süß und Umami, zeigen an, dass ein Lebensmittel energiereich und nahrhaft ist. Unser Sinn für Salz hilft uns, unseren Elektrolythaushalt im Gleichgewicht zu halten. Saure Geschmacksnoten können uns vor unreifer oder verdorbener Nahrung warnen, bittere dagegen vor potenziell giftigen Substanzen.
Das erscheint durchaus sinnvoll, haben doch zahlreiche giftige Pflanzeninhaltsstoffe, wie Strychnin aus der Brechnuss oder Blausäure aus Maniok, einen unangenehm bitteren Geschmack. Vor allem Säuglinge und Kleinkinder lehnen Bitteres vehement ab – als ob sie wüssten, dass schon geringe Mengen dieser Giftstoffe für sie schädlich sind.
Gallebittere Eiweißfragmente
Wie kommt es aber nun, dass Stoffe mit bitterem Geschmack sogar nahrhaft sein können? Mit diesem widersprüchlichen Phänomen hat sich ein interdisziplinäres Forschungsteam um den Molekularbiologen Dr. Maik Behrens erstmals genauer beschäftigt.
Wie das Team des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München mithilfe eines zellulären Testsystems herausfand, reagieren fünf der etwa 25 menschlichen Bitterrezeptortypen sowohl auf freie Aminosäuren und Peptide als auch auf körpereigene Gallensäuren. Erstere entstehen bei der Spaltung von Proteinen und sind reichlich in fermentierten Lebensmitteln wie Frischkäse oder auch Proteinshakes enthalten. Gallensäuren spielen dagegen als Nahrungsbestandteil so gut wie keine Rolle, sondern erfüllen im Körper eigene Funktionen. Sie kämen daher als Aktivatoren endogener Bitterrezeptoren in Frage, die zum Beispiel auf Darm- und Blutzellen sitzen.
Die an der Studie beteiligte Bioinformatikerin Antonella Di Pizio erklärt: „Interessanterweise zeigen unsere Modellierungsexperimente, dass ein bestimmtes bitter schmeckendes Peptid innerhalb der Rezeptorbindungstasche eine funktionell aktive 3D-Form annehmen kann, die der von Gallensäuren ähnelt. Diese zufällige Ähnlichkeit könnte erklären, warum die gleiche Gruppe von Bitterrezeptoren auf beide Stoffgruppen reagiert.“ Erstautorin Silvia Schäfer ergänzt: „Unsere Genanalysen zeigen darüber hinaus, dass die Fähigkeit, sowohl Gallensäuren als auch Peptide zu erkennen, bei drei der Bitterrezeptortypen hoch konserviert ist und sich bis zu den Amphibien zurückverfolgen lässt. Dies weist wiederum darauf hin, dass mindestens das Erkennen einer der zwei Stoffgruppen speziesübergreifend wichtig ist.“
Bitterrezeptoren hatten weitere Aufgaben
Studienleiter Maik Behrens fügt an: „Gallensäuren und Bitterrezeptoren existierten bereits Millionen Jahre vor den typischen Bitterstoffen der heutigen Blütenpflanzen und lange vor dem Menschen – etwa in Fischen. Das stützt die Hypothese, dass Bitterrezeptoren ursprünglich auch wichtige physiologische Prozesse regulierten und nicht nur vor giftigen Substanzen warnten. Diese Erkenntnisse geben neue Einblicke in die komplexen Systeme der Geschmackswahrnehmung und deuten darauf hin, dass Bitterrezeptoren zusätzliche, noch unbekannte Rollen für die menschliche Gesundheit spielen, die über ihre Funktion bei der Lebensmittelauswahl hinausgehen.“
25 verschiedene Geschmacksrezeptortypen sind beim Menschen für die Wahrnehmung von Bitterstoffen verantwortlich. Sie befinden sich nicht nur im Mund, sondern auch auf Zellen anderer Organe und Gewebe. Welche Funktionen sie dort erfüllen, wird vielfach untersucht. Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass Bitterrezeptoren in den Atemwegen dabei helfen, Krankheitserreger abzuwehren und die Bewegung der Flimmerhärchen zu beschleunigen. Ebenso wird angenommen, dass endogene Bitterrezeptoren von Darm und Blutzellen Abwehrmechanismen unterstützen oder an der Regulation des Stoffwechsels beteiligt sind.
Quelle: leibnitz-lsb.de
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