Firefly Eine Ameise, die mit einer Hacke in der Hand Landwirtschaft betreibt, neben ihr wachsen Pilz.jpg
Eine Ameise: Weltweit über 250 Ameisenarten haben sich offenbar auf den Anbau einer bestimmten Pilzart spezialisiert. Beide Arten können ohne einander nicht existieren. Foto: Catrin Hahn/mit KI -  Firefly
19.01.2025
Forschung & Technik

Ameisen betreiben Landwirtschaft - seit 66 Millionen Jahren

Schuld war Asteroideneinschlag, der die Dinosaurier auslöschte

Wahrscheinlich braucht man etwas länger, um diese Überschrift zu verdauen. Zu unwahrscheinlich klingt das, was Wissenschaftler unter anderem von der Uni Hohenheim da entdeckt haben wollen. Aber nein, es ist weder ein Aprilscherz noch eine Verschwörungstheorie, was sich dahinter verbirgt. 

In golfballgroßen Nestern am Ende von 2 Meter langen, winzigen Gängen in der Erde fand Professor Dr. Christian Rabeling von der Universität Hohenheim den Beweis: Hier wird Landwirtschaft betrieben. Die darin lebenden Ameisen bauen Pilze an, und zwar seit 66 Millionen Jahren. Nachgewiesen wurde das per Gensequenzierung, mittels der ein Stammbaum der Pilze erstellt wurde. Kombiniert mit dem Stammbaum der Ameisen konnten Rabeling und seine Mitarbeiter eine Koevolution belegen, bei der sich die Arten in ihrer jeweiligen Entwicklung beeinflussten.

Evolutionsbiologe Rabeling erklärt die in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Erkenntnisse so: „Die Ameisen züchten gezielt Pilze als Nahrungsquelle und versorgen sie mit Blättern als Substrat“. Über 250 Ameisenarten hätten sich auf den Anbau von Pilzen spezialisiert, und diese passten sich im Laufe der Evolution eng an ihre Wirte an. „Manche bilden Strukturen, die nur in der Kultivierung durch Ameisen vorkommen. Und sie lassen sich außerhalb des Ameisennests gar nicht kultivieren – ein Zeichen einer echten koevolutiven Beziehung, bei der sich beide Partner gegenseitig beeinflussen und gemeinsam entwickeln.“

Schon Darwin wusste davon

Tatsächlich ist das Phänomen schon länger bekannt, nämlich stolze 150 Jahre: Schon der Naturforscher Fritz Müller schilderte dem Kollegen Charles Darwin seine Beobachtungen zu pilzzüchtenden Ameisen in Brasilien. Der schickte daraufhin 1874 den Briefwechsel zur Publikation an das Fachmagazin „Nature“. Doch lange Zeit war es nicht möglich, die Pilzarten voneinander zu unterscheiden und deren Stammesgeschichte zu rekonstruieren. Das ist erst dank molekularbiologischer Untersuchungen möglich geworden. Denn damit können über DNA-Sequenzanalysen die Verwandtschaftsverhältnisse verschiedener Arten bestimmt werden. Die Ähnlichkeit der Gene gibt Aufschluss über die Verwandtschaft und den Verlauf der Evolution.

Koevolution von Pilzen und Ameisen – seit 66 Millionen Jahren

Einen erst unlängst fertiggestellten Evolutionsbaum für 475 Pilz-Arten kombinierten die Hohenheimer Wissenschaftler mit einem Baum für 276 Ameisen-Arten. Dieser Abgleich ergab, dass ein gemeinsamer Vorfahr sowohl bei den pilzzüchtenden Ameisen als auch bei den Pilzen vor etwa 66 Millionen Jahren lebte – kurz nach dem Einschlag eines Asteroiden im Bereich der heutigen mexikanischen Halbinsel Yucatán, der das Aussterben der Dinosaurier auslöste. Dieser Moment markiert eine wichtige Phase in der Erdgeschichte, nicht nur für die Großreptilien. Abkühlung und Dunkelheit führten auch zu einem Massensterben vieler Pflanzenarten, was den Pilzen einen evolutionären Vorteil verschaffte. „Das könnte ein Schlüsselfaktor dafür gewesen sein, dass Ameisen sich verstärkt auf Pilze spezialisierten“, vermutet Rabeling.

Neu beschriebene Arten dienen Schutz der Biodiversität

Bei ihrem Blick in die Evolutionsgeschichte haben die Forschenden zahlreiche neue Arten und Gattungen entdeckt und beschrieben – das soll künftig der Biodiversität zugutekommen. Denn: „Die Artbeschreibung ist der erste Schritt zum Schutz der Artenvielfalt“, stellt Rabeling fest. „Schützen können wir nur Arten, die wir kennen. Und je mehr wir über sie wissen, wo sie vorkommen und wie sie leben, desto besser können wir Maßnahmen zu ihrem Schutz ableiten.“

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