Abkommen teilweise ungültig
LUXEMBURG. Zwei Abkommen zwischen der EU und dem Königreich Marokko zur Fischerei und zum Agrarhandel sind teilweise ungültig. Das entschieden die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) am Freitag (4.10.). Sie haben damit die Entscheidung des Europäischen Gerichts (EuG), das dem EuGH untergeordnet ist, aus dem Jahr 2021 weitgehend bestätigt.
2019 hatte die international anerkannte Befreiungsbewegung der Westsahara, Front Polisario, gegen die ihrer Auffassung nach unrechtmäßige Bestätigung der besagten Abkommen durch den EU-Ministerrat geklagt. Mit dem dem jetzigen EuGH-Urteilspruch haben sie nun endgültig Recht erhalten. Die Westsahara wurde, nachdem Spanien es als Kolonie abgetreten hatte, 1975 von Marokko besetzt. Diese Annektierung wurde bisher jedoch international nicht anerkannt.
Im Urteil heißt es, dass die besagten Handelsabkommen, denen das Volk der Westsahara nicht zugestimmt hatte, „unter Verstoß gegen die Grundsätze der Selbstbestimmung“ geschlossen wurden. Der das Fischereiabkommen betreffende Beschluss des Rates sei allerdings bereits im Juli 2023 ausgelaufen und entfalte daher keine Wirkungen mehr, heißt es im vorliegenden Urteil. Die Westsahara betreffenden Teile des Agrarabkommens sind mit der Entscheidung des EuGH nicht mehr gültig; für das marokkanische „Kernland“ ändert sich allerdings erst mal nichts.
Westsahara als Ursprungsland kennzeichnen
In einem weiteren Fall entschied der EuGH am Freitag (4.10.), dass bei in die EU importierten Melonen und Tomaten, die in der Westsahara geerntet wurden, das Ursprungsland gekennzeichnet werden muss. Da diese vorgeschriebene Angabe aber nicht irreführend sein darf, muss laut dem Urteil auf dem Etikett Westsahara angegeben werden.
Nach Darstellung der Richter gilt diese Pflicht nicht nur für Erzeugnisse aus einem „Land“ als Synonym für „Staat“. Zugleich gelte sie für Erzeugnisse aus „Gebieten“. Damit könnten auch andere Einheiten als „Länder“ gemeint sein, so der EuGH. Auf solche Gebiete erstrecke sich zwar die Hoheitsgewalt oder die internationale Verantwortung eines Staates. Im konkreten Fall verweisen die Richter aber auf den eigenen völkerrechtlichen Status der Westsahara. Wenn also Marokko anstelle der Westsahara als Ursprungsland der in der Westsahara geernteten Melonen und Tomaten angegeben werde, sei dies für Verbraucher „irreführend“.
Der Gerichtshof urteilte zudem, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet sei, einseitig ein Einfuhrverbot für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse zu erlassen. Dies gelte zumindest dann, wenn diese nicht durchgängig gegen die Rechtsvorschriften der EU über die Angabe des Ursprungslands oder ‑gebiets verstoßen würden.
Einfuhrverbot nicht rechtens
Im vorliegenden Fall hatte der kleinbäuerlich orientierte Landwirtschaftsverband Confédération paysanne von der französischen Verwaltung ein Einfuhrverbot von Melonen und Tomaten aus dem Gebiet der Westsahara gefordert. Begründet wurde dies damit, dass die besagten Erzeugnisse zu Unrecht als aus Marokko stammend gekennzeichnet seien. Um das Völkerrecht zu wahren und die Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen nicht irrezuführen, sei stattdessen eine eindeutige Etikettierung erforderlich, so die Argumentation des Verbandes. Laut dem EuGH muss im konkreten Fall also zwischen Erzeugnissen aus der Westsahara und aus Marokko unterschieden werden.
Im Zuge des folgenden Rechtsstreits vor dem französischen Staatsrat rief dieser den EuGH an. Die französischen Richter wollten vom Gerichtshof wissen, welche Art von Schutzmaßnahmen ein Mitgliedstaat treffen kann, falls sich herausstellen sollte, dass Erzeugnisse systematisch mit einer falschen Ursprungsangabe versehen werden. AgE