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Getreide entwickelt sich besser und gesünder, wenn das Saatgut mit Pflanzenschutzmitteln gebeizt wird. Foto: Matthias Wiedenau
25.09.2014
Umwelt & Verbraucher

Beizmittel schützen junge Saat von Anfang an

Königsweg im Pflanzenschutz, Versicherung für die Anbauer

Pflanzenschutzmittel punktgenau dort anwenden, wo sie auch wirken sollen – das ist die Strategie bei der Beizung. Kleine Mengen reichen aus, um das Saatgut und die empfindlichen Jungpflanzen, die sich daraus entwickeln, vor tierischen Schädlingen und Pilzkrankheiten zu schützen. Doch nach einem lokalen Bienensterben 2008 in der Oberrheinebene, das durch nicht sachgerecht gebeiztes Saatgut verursacht wurde, ist der „Königsweg des Pflanzenschutzes“ in die Kritik geraten.

Bei der Wintergetreideaussaat von September bis November setzen Landwirte ausschließlich gebeiztes Getreide ein. Aus gutem Grund: Denn boden- beziehungsweise samenbürtige Krankheiten wie Flugbrand, Steinbrand, Stängelbrand, Schneeschimmel oder Streifenkrankheit können ausschließlich über die Saatgutbehandlung mit speziellen Beizen sicher bekämpft werden. Während Getreidekörner von Natur aus grau- oder goldgelb sind, ist gebeiztes Getreidesaatgut an seinem rötlichen Farbton zu erkennen. Die heutige Anlagentechnik und die aktuellen Mittel sind sehr leistungsstark. Bereits fünf bis 50 Gramm Wirkstoff reichen aus, um die Aussaatmenge für einen Hektar vor Schaderregern zu schützen. 

Die Beizung setzt genau dort an, wo sie wirken soll, nämlich an der keimenden Pflanze. Dafür reicht die Behandlung der Kornoberfläche aus. Bei Getreide sind das umgerechnet rund 120 Quadratmeter pro Hektar (10 000 Quadratmeter). Außerdem arbeiten Beizanlagen bei jedem Wetter. Die Wirkstoffe schützen die Kulturpflanzen über mehrere Wochen von innen. In dieser Zeitspanne müssen die Landwirte nicht mehr auf jede einzelne Welle von Krankheitserregern reagieren. Sie sparen Pflanzenschutzbehandlungen und damit Zeit, Geld und Treibstoff. Experten bezeichnen die Beizung daher als „Königsweg im Pflanzenschutz“.

Ernten sichern und Umwelt schützen

Schon im Altertum wurde Saatgut mit verschiedensten Substanzen behandelt, um es gesund zu erhalten. Zwiebel- und Lauchsaft sowie Asche und später Salzwasser und Jauche lieferten aber keine sicheren Ergebnisse. Ab dem Jahr 1740 verwendete man hochgiftiges Arsen, Kupferlösungen und heißes Wasser. Quecksilberbeizen brachten ab Ende des 19. Jahrhunderts deutlichere Erfolge gegen pilzliche Erreger. Sie wurden Ende der 70er-Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts durch umweltschonende und leistungsfähige Wirkstoffe abgelöst. In die gleiche Richtung zielte die Entwicklung lösungsmittelarmer und -freier Formulierungen.

Je nach Anforderung setzen die Saatgutaufbereiter in ihren Beizanlagen unterschiedliche Mittel ein. Neben fungiziden und insektiziden Wirkstoffen sind es auch Mikronährstoffe wie Mangan, Kupfer und Zink, die für einen reibungslosen Wachstumsstart der jungen Kultur sorgen und ihre Winterhärte verbessern. Zuckerrübensaatgut wird nicht nur gebeizt, sondern auch mit einer Hüllmasse „pilliert“. Die kugelförmigen Samen lassen sich besser aussäen.

Qualität ist oberstes Gebot

Seit 2008 brauen sich jedoch dunkle Wolken über den rund 1 800 Getreidebeizanlagen in Deutschland zusammen. Ein Bienensterben in der Oberrheinebene wurde mit Beizabrieb von Maissaatgut in Verbindung gebracht. Obwohl die Ursachen ermittelt und abgestellt wurden, haben die Behörden einigen bewährten Beizwirkstoffen gegen Insekten die Zulassung entzogen. Die Anforderungen für Neuzulassungen werden immer höher. Soll aber die Landwirtschaft das gewohnte Ertragsniveau halten, braucht sie die Beizung. Deshalb arbeiten Saatgutaufbereiter, Industrie, Beratung und Landwirtschaft noch enger zusammen, um die Beizqualität zu verbessern und Risiken für die Umwelt zu minimieren. Mit Beizwirkstoffen belasteter Staub entsteht nicht mehr. Das Saatgut wird gründlich gereinigt, verbesserte Haftmittel „kleben“ die Beize regelrecht an das Korn, und spezielle Sämaschinen leiten Staub direkt in den Boden ab. Die optimale Verteilung des Beizmittels ist ein weiteres Qualitätskriterium. „Nicht zu viel und nicht zu wenig“ – so lautet die Vorgabe. Ein Zuviel kann Keimung und Jugendwachstum beeinträchtigen. Haftet zu wenig Beizmittel am Korn, sinken Wirkungsstärke und -dauer. Beizgradanalysen kommen zum Ergebnis, dass der Anteil korrekt gebeizter Saatgutpartien in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen hat. Positiv ist auch die Gründung der SeedGuard Gesellschaft für Saatgutqualität. Die Organisation dient seit 2011 als Bindeglied zwischen Saatgutwirtschaft und Behörden, Ministerien sowie Forschungseinrichtungen. Seit Januar 2014 zertifiziert sie Getreidebeizstellen und leistet so einen wichtigen Beitrag für Sicherheit und Qualität im Umgang mit Beizmitteln.

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