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Reisanbau gibt es bereits seit dem 15. Jahrhundert in der italienischen Poebene. Foto: istock
13.09.2018
Schule & Wissen

Reisanbau in Italien gibt es seit über 500 Jahren

Asiatische Erzeugerländer dominieren den Weltmarkt

Wer beim Stichwort Reis ausschließlich den Terrassenanbau in Südostasien vor Augen hat, liegt falsch: In Italien, genauer gesagt im Piemont, befindet sich das größte europäische Anbaugebiet. Mit Technik und Qualität versuchen die Anbauer gegenüber den asiatischen Erzeugern wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Piemont, frei übersetzt „Am Fuß der Berge“, ist die größte und eine der wohlhabendsten der 20 italienischen Regionen. Sie liegt im Nordwesten der Halbinsel. In der fruchtbaren Poebene wächst so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Unter anderem Getreide, Mais, Zuckerrüben sowie viele Gemüse- und Obstarten, inklusive Wein. Eine Besonderheit ist jedoch das größte europäische Reisanbaugebiet rund um die Städte Novara und Vercelli. Hier sind zwei Grundvoraussetzungen für den Reisanbau erfüllt: Es gibt topfebene Flächen und genügend Wasser aus den nahen Alpen.

Vor dem Fluten wird eingeebnet

Bevor die Landwirte mit dem Anbau beginnen, ebnen sie den Boden mithilfe eines aus der Vermessungstechnik bekannten Nivelliergeräts auf 3 Zentimeter genau ein. Das ist wichtig, damit ein einheitlicher Wasserstand eingehalten werden kann und das Wasser bei Bedarf möglichst vollständig wieder abfließt. Nach dem Einebnen erfolgt eine Pflanzenschutz-Maßnahme gegen Unkräuter. Kurz vor der Saat fluten die Landwirte ihre Felder über ein ausgeklügeltes Bewässerungsnetz. Das Wasser steht zunächst etwa 5 Zentimeter hoch. Für die Aussaat Anfang Mai nutzen viele einen Traktor mit GPS-Steuerung. Wenn der Fahrer nämlich nur eine Wasserfläche vor sich sieht, ist die Orientierung schwierig. Mit der Technik gelingt eine Saat ohne Lücken oder Überschneidungen. Der Reis ist vorgequollen, damit er nicht obenauf schwimmt, sondern auf dem Boden bleibt.

Wärmepuffer Wasser

Die Wasserschicht wirkt wie eine Isolierung. Darunter gibt es nur geringe Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Die ursprünglich aus tropischen Regionen stammende Pflanze keimt deshalb zügig bei Temperaturen zwischen 12 und 18 Grad Celsius. Wenn Pflanzenschutz-Maßnahmen anstehen, wird das Wasser vorübergehend abgelassen.

Reispflanzen erreichen eine Höhe von 50 bis 160 Zentimetern. Nach der Blüte der Rispen wachsen die Körner heran. Sobald deren Reife einsetzt, lassen die Landwirte das Wasser ein letztes Mal von den Feldern ab. Das Grasgrün der Pflanzen verwandelt sich schnell in ein Braun. Die Ernte erfolgt mit einem Mähdrescher im September. Nach Möglichkeit bei einer Kornfeuchte um 14 Prozent – dann ist das Erntegut lagerfähig.

Platz 1 in Europa

Insgesamt produzierten Italiens Landwirte 2016 auf 234 000 Hektar Fläche 1,59 Millionen Tonnen Reis. Davon gehen ungefähr 60 Prozent in den Export. In der Summe auf etwa die gleiche Menge kommen alle anderen europäischen Länder wie Portugal, Spanien, Frankreich und Griechenland zusammen. Die europäische Erntemenge sieht im internationalen Maßstab sehr bescheiden aus. China, der weltgrößte Erzeuger, fuhr 2016 rund 210 Millionen Tonnen Reis ein (Quelle: Erntemengen und Fläche, FAO).

Effiziente Technik statt Mondine

Der Reisanbau hat in Norditalien eine überraschend lange Tradition. Bereits seit dem 15. Jahrhundert ist die Tropenpflanze in der Poebene zuhause. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts bedeutete ihr Anbau sehr viel Handarbeit. 280 000 Saisonarbeiter kamen jedes Jahr in den Norden Italiens, um mit der harten körperlichen Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es waren überwiegend Frauen. Für sie bürgerte sich der Begriff „Mondine“ ein, der von mondare („putzen“) abgeleitet ist. Sie wateten monatelang durch das Wasser, um den Reis zu pflanzen, das Unkraut auszurupfen und die Ernte einzubringen. Immer umgeben von Millionen Mücken.

Mit dem Beginn der Technisierung verschwanden die Mondine, nicht aber die allgegenwärtigen Stechmücken. Im Jahr 1939 waren für einen Hektar Reis noch 1028 Arbeitsstunden in Oberitalien erforderlich, heute sind es rund 50 Stunden. Doch trotz dieser enormen Effizienzsteigerung und modernster Produktionsmethoden haben es die italienischen Reisbauern schwer gegenüber den asiatischen Erzeugern, die mit Billigimporten auf den Markt drücken.

Reis für Risotto

Die Norditaliener setzen daher auf besondere Qualitäten und Sorten, die sich zum Beispiel gut für Reisspezialitäten eignen. Für Risotto sind es Sorten wie Arbori, Vialone oder Carnaroli. Doch die Sorte alleine ist keine Erfolgsgarantie für das italienische Nationalgericht. Köche brauchen zusätzlich ein feines Gespür für die Garzeit, damit aus dem sämigen Risotto kein matschiger Brei wird. Bei den Zutaten gilt übrigens: Erlaubt ist, was schmeckt.

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