Ziel: Kommunikation zwischen Landwirten und Verbrauchern ohne ideologische Scheuklappen
Herr Kremer-Schillings, Ihr Brief „Lieber Verbraucher“ hat für einigen Wirbel gesorgt. Wie ist es dazu gekommen?
Es fing damit an, dass ein Wohnbaugebiet immer näher an meinen Hof heranrückte. Die Folge: Die neuen Nachbarn schickten mir regelmäßig die Polizei vorbei. Während der Ernte wegen ruhestörenden Lärms und bei der Ausbringung von organischem Dünger wegen Geruchsbelästigung. Irgendwann ist mir die Hutschnur geplatzt. Ich habe einen Offenen Brief geschrieben, der auf dem Blog eines Bekannten veröffentlicht und innerhalb kürzester Zeit 300 000 Mal aufgerufen wurde. Darin habe ich den Verbraucher relativ böse beschimpft.
Was ist dann passiert?
Die Online-Zeitung Huffington Post ist auf den Brief aufmerksam geworden und hat ihn weiterverbreitet. Dem Redakteur hat meine „authentische Wut“ gefallen, wie er mir nachher erzählt hat. Danach ging es ab wie Schmitz Katze. Markus Lanz, Günther Jauch oder Bettina Tietjen meldeten sich ebenso bei mir wie die Redaktionen von „Monitor“ oder „Panorama“. Dazu kamen zahlreiche Zeitungen und viele Magazine, die über den wütenden Bauern geschrieben haben. Das war überhaupt nicht geplant. Aber damit hatte ich plötzlich die Möglichkeit, aus meiner ganz persönlichen Sicht vor einer großen Öffentlichkeit Dinge anzusprechen, die mir unter den Nägeln brannten und brennen.
Und die wären?
Es sind aktuelle Themen wie zum Beispiel die Rückkehr des Wolfs oder vor einigen Monaten die Diskussion um die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung. Mich beschäftigt auch die Doppel-Moral im Verbraucherverhalten. Wer ein Hähnchen für 2,79 Euro kauft, gibt an der Supermarktkasse das Recht ab, sich über Massentierhaltung zu beschweren! Die Kritik an der konventionellen Landwirtschaft nervt mich ebenfalls. In Bettina Tietjens Sendung haben wir zwei vergleichbare Warenkörbe zusammengestellt. Die konventionellen Waren kosteten 12,70 Euro, die Bioprodukte 63,00 Euro. Daraus wird klar: Die konventionelle Landwirtschaft macht einen Teil unseres Wohlstands aus. Sie sorgt zudem dafür, dass 7,5 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben können. Dafür müssen wir manchmal gegen die Natur arbeiten. Indem wir zum Beispiel Pilzkrankheiten oder Schadinsekten bekämpfen. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich arbeite und schreibe ohne ideologische Scheuklappen. Weil ich Unternehmer bin, betreibe ich die Form der Landwirtschaft, die am lukrativsten für mich ist. Ich könnte auch Bio.
Sind das auch Inhalte in Ihrem Buch „Sauerei“?
Genau. Darin geht es um billiges Essen und die Macht des Verbrauchers. Die Motivation zum Buch war mein Eindruck, dass es zwar hunderte kritische Bücher über die Landwirtschaft gibt, aber keines erläutert die Gründe und Ursachen, wieso die Landwirtschaft so ist wie sie ist. Echte und vermeintliche Lebensmittelskandale, Schlagworte wie Massentierhaltung oder EU-Subventionen – ich erzähle in dem Buch, was dahintersteckt und warum ich als Bauer mit diesen Schlagworten ein Problem habe.
Was erreichen Sie mit Ihren Beiträgen?
Die Diskussionen im Bauer Willi-Blog und meiner Facebook-Seite zeigen mir, dass sich viele Leser an ihnen reiben und sie zum Nachdenken anregen. Im Endeffekt geht es mir darum, für Verständnis zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern zu sorgen. Und dass die Gesellschaft die Leistungen der Landwirtschaft anerkennt. Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv. Ganz besonders freue ich mich über konstruktive kritische Stimmen. Ich erhebe nämlich nicht den Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit, sondern kommentiere die Themen bewusst aus meinem Blickwinkel. Und dem kann man sich anschließen oder auch nicht.
Wie macht Bauer Willi weiter?
Ich will die Veröffentlichungsfrequenz bei bauerwilli.com etwas zurücknehmen und noch mehr Wert auf tiefsinnige Beiträge legen. Damit werden die Follower-Zahlen vielleicht nicht so steigen wie bisher. Doch Zahlen sind nicht alles. Mir liegt besonders die Aufmerksamkeit der Meinungsbildner am Herzen. Dazu zählen die Medien. Für seriöse Medien zählt die Qualität. Außerdem will ich meine Berufskollegen weiter motivieren, sich stärker als bislang in Richtung Gesellschaft zu öffnen. Es muss ganz viele Bauer Willi geben!