Neue Serie: Das Jahr im Leben eines Landwirts – Teil 1
Es kommt auf die Menge an
Ende Februar ist es soweit: Der Landwirt macht sich Gedanken über die erste Stickstoffdüngung seines Weizens. Nicht zu viel darf es sein, um einen Überschuss zu vermeiden. Aber auch nicht zu wenig, damit Qualität und Ertrag am Ende stimmen. Wie viele Nährstoffe braucht sein Weizen? Das ist eine scheinbar einfache Rechnung. Bei einem erwarteten beziehungsweise erhofften Ertrag von 10 Tonnen pro Hektar sind das unter anderem etwa 250 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Der fruchtbare Boden liefert erfahrungsgemäß etwa 80 Kilogramm. Also muss er die Differenz von 170 Kilogramm düngen.
Doch diese „Pi mal Daumen“-Formel geht nur in den seltensten Fällen auf. Bevor der Landwirt für jede einzelne Fläche die Düngermenge bestimmt, verschafft er sich einen Überblick. Jetzt heißt es Gummistiefel anziehen und einmal quer über alle Flächen laufen. Das ist ein gut investierter Tag, denn dann weiß er, wie das Getreide über den Winter gekommen ist, wo es zu dicht oder zu dünn steht. Zu dichte Bestände düngt er etwas später an, damit sie nicht noch mehr Seitentriebe bilden und noch dichter werden. Dünn stehende Bestände bekommen den Stickstoff früher und in etwas größerer Menge, damit sie vor dem Übergang in die Halmbildung genügend Seitentriebe bilden. Hier wirkt die Düngung wie eine Starthilfe beim Auto, das Schwierigkeiten beim Anspringen hat. Das Wachstum kommt in Gang. Nach ein paar milden Tagen ist der Bestand nicht mehr wiederzuerkennen.
Viele Faktoren einbeziehen
Eine große Hilfe sind Bodenuntersuchungen. Mitte Februar hat der Landwirt Bodenproben aus bis zu 90 Zentimetern Tiefe gezogen und in einem Labor auf Stickstoffgehalte prüfen lassen. Zum Ende des Winters 2018/2019 sind die verfügbaren Gehalte relativ hoch. Aufgrund der Trockenheit konnte die Vorfrucht Silomais nämlich nicht alle gedüngten Nährstoffe verwerten.
Um seine Kalkulation zu vervollständigen, berücksichtigt er auch Bodenqualität und -struktur, den Humusgehalt, die Gülledüngung in den Vorjahren oder die speziellen Anforderungen jeder einzelnen Getreidesorte. Für alle diese Kriterien gibt er Zu- oder Abschläge, sodass er letztendlich für jedes einzelne Feld nach bestem Wissen und Gewissen einen Wert ermittelt hat, der optimal sein sollte.
Natur ist unberechenbar
So ähnlich ist auch das Vorgehen im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Düngebedarfsermittlung. Mit einer zusätzlich ausgefüllten Tabelle müssen alle Landwirte nachweisen, dass sie die Düngung genau berechnet haben. Doch Papier ist geduldig – die Natur lässt sich nicht Formeln packen! Je nach Wetter- und Bestandsentwicklung muss in den kommenden Wochen nachjustiert werden. Deswegen teilt der Ackerbauer die Getreidedüngung in drei Teilgaben auf und gibt nicht alles auf einen Schlag. Im April und Mai geht er wieder über die Felder. Bevor er auf dem Feld mit dem Düngerstreuer zu sehen ist, muss der Landwirt also eine ganze Menge Vorarbeit leisten.