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Usambara-Veilchen gehören zu den wenigen Pflanzen, die empfindlich auf kaltes Wasser reagieren, wie die Laubaufhellung auf diesem Bild zeigt. Foto: Heinrich Beltz
05.08.2022
Haus & Garten

"Nicht mit kaltem Wasser gießen"

… und andere Halbwahrheiten bei der Bewässerung

Oft wird davor gewarnt, Pflanzen mit kaltem Wasser oder mit Brunnenwasser zu gießen. Diese Verallgemeinerung ist allerdings meist falsch. Häufig werden Pflanzen vermenschlicht, was unter anderem auch dazu führt, dass man fürchtet, dass sie einen Schock erleiden, wenn sie mit kaltem Wasser gegossen werden.

Wer Ratschläge sucht, was für Gießwasser im Garten verwendet werden soll, trifft häufig auf die Warnung, dass, besonders bei heißem Wetter, keinesfalls kaltes Wasser, zum Beispiel direkt aus einem Brunnen, genutzt werden darf. Das ist aber, zumindest wenn es verallgemeinert wird, völliger Unsinn. Gartenpflanzen, die ausgepflanzt im Freiland wachsen, sind sehr gut an Temperaturschwankungen angepasst, solange es sich nicht um Frosttemperaturen handelt. So können die Regentropfen ziemlich kalt sein, wenn sie zum Beispiel bei Gewittern aus höheren Luftschichten stammen. Im Extremfall sind sie in Form von Hagel sogar gefroren, können dann allerdings wegen ihres harten Aggregatzustands und der Kraft, mit der sie auf die Blätter fallen, durchaus Schäden anrichten.

Profi-Gärtner setzen bei Freilandkulturen in der Praxis durchaus kaltes Brunnenwasser ein, ohne dass die Pflanzen dadurch einen Schock erleiden. Im Gegenteil, bei sehr hohen Temperaturen werden hitzeempfindliche Pflanzen wie Rhododendron zur Abkühlung beregnet und dadurch vor Hitzeschäden bewahrt. Im Garten brauch also in Hinsicht auf die Pflanzen niemand Angst vor kaltem Wasser zu haben.

Kälteempfindliche Pflanzen

Wie so manches Gerücht hat die Angst vor kaltem Wasser einen wahren Kern: Es gibt Zimmerpflanzen wie das Usambaraveilchen (Saintpaulia Ionantha-Hybriden), die aus sehr warmen Regionen der Welt stammen und wirklich mit Schadsymptomen auf kaltes Wasser reagieren. Ähnlich empfindlich soll die Drehfrucht (Streptocarpus) sein. Und auch über Schlangengurken im Gewächshaus berichten zuverlässige Quellen, dass sie auf Gießen mit sehr kaltem Wasser empfindlich reagieren können. Seriöse oder gar wissenschaftlich fundierte Berichte über Gartenpflanzen im Freiland, die Schäden durch kaltes Gießwasser erlitten haben, sind aber bekannt.

Nicht über die Blätter gießen?

Genährt wird das Gerücht über die Empfindlichkeit gegen kaltes Wasser manchmal dadurch, dass einige Pflanzen und besonders deren Blüten (zum Beispiel Rosen) leiden können, wenn sie häufig über Blätter und Blüten gegossen werden. Die Ursache für solche Schäden sind allerdings keine Temperaturschocks, sondern Pilzinfektionen, zum Beispiel durch Grauschimmel (Botrytis), die durch Feuchtigkeit stark gefördert werden. Deswegen wird oft davor gewarnt, Pflanzen über das Laub zu gießen. Aber auch hier ist die Verallgemeinerung falsch, denn viele Pflanzen, die nicht empfindlich gegen pilzliche Krankheitserreger sind, stört die Blattnässe nicht; manche profitieren sogar etwas von der Feuchte.

Kein Wasser aus dem Brunnen?

Viele Baumschulen verwenden ihr Gießwasser nicht direkt aus dem Brunnen, sondern pumpen es zunächst in Sammelteiche. Das hat aber nichts mit der Wassertemperatur zu tun, sondern damit, dass in den Teichen auch Regenwasser gesammelt wird und dass Härtebildner (Kalzium- und Magnesiumcarbonat) sowie Eisenverbindungen aus dem Brunnenwasser im Teich ausfallen. Diese sind nicht pflanzenschädlich, können aber hässliche Flecken auf den Blättern hinterlassen und außerdem in den Bewässerungsleitungen zu Verstopfungen führen. Andere Inhalte von Brunnenwasser, die es als Trinkwasser ungeeignet machen, wie Nitrat, Schwermetalle oder Chemikalienrückstände kommen normalerweise nur in so geringen Mengen vor, dass sie für Gartenpflanzen unproblematisch sind.

Regenwasser sammeln

Der häufig erteilte Ratschlag, Regenwasser zu sammeln und zur Bewässerung zu nutzen, ist natürlich trotzdem richtig, denn Regenwasser ist kostengünstig (keine Pumpenenergie), arm an Inhaltsstoffen und hat daher normalerweise eine sehr gute Qualität. Wenn Pflanzen in Töpfen ausschließlich mit dem sehr weichen, also kalkarmen Regenwasser über mehrere Jahre gegossen werden, kann das allerdings dazu führen, dass die Blumenerde, in der sie stehen, zu sauer wird, der pH-Wert unter 4,0 abrutscht und die Pflanzen unter Wurzelschäden und Gelbverfärbungen (Chlorosen) leiden. Für langlebige Topfpflanzen ist also der Mittelweg am besten, nämlich der Wechsel zwischen Regenwasser und hartem Gießwasser aus dem Brunnen oder dem öffentlichen Netz.

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