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Toleranz gegen Hitze und Trockenheit gehört zu den wichtigsten Zuchtzielen im Pflanzenbau. Foto: Catrin Hahn
02.09.2021
Forschung & Technik

"Impfung" gegen Hitzestress

Bakterien-Stämme machen Weizen hitzetolerant

Nahrungspflanzen die Fähigkeit zur Hitzetoleranz anzuzüchten, war bislang nur schwer zu bewerkstelligen. Doch vielleicht lässt sich das Problem auch anders lösen: Durch eine künstliche Besiedelung des Wurzelraums mit einem Bakterien-Stamm.

Wenn es einen Indikator gibt, an dem die beginnende Klimakrise auch bei uns in Deutschland deutlich abzulesen ist, dann sind das die Hitze- und Dürreperioden der vergangenen Jahre. Land- und Forstwirtschaft gehören zu den am stärksten betroffenen Wirtschaftszweigen. Während in den Wäldern die Aufforstung mit trockenheitstoleranteren Arten schon begonnen hat, suchen Landwirtschaft und Pflanzenzüchter noch nach Möglichkeiten, hitzebedingte Ertragsverluste zu verhindern.

Ein Weg ist natürlich die gentechnische Bearbeitung von Arten, um ihre Hitzetoleranz zu verbessern. Doch die aktuelle EU-Gesetzgebung verhindert hier schnelle Fortschritte. Ein internationales Forschungsteam hat für Weizen einen neuen Ansatz entwickelt.

Hitze-Priming „impft“ gegen Hitzestress

Was passiert eigentlich in der Pflanze, wenn sie zu großer Hitze ausgesetzt wird? Die zelluläre Organisation bricht zusammen und das Wachstum wird eingestellt. Allerdings verfügen Pflanzen – in unterschiedlichem Maße – über eine „angeborene“ Hitzetoleranz. Und dann sind sie in der Lage, eine Hitzetoleranz zu „erwerben“. Dieser Vorgang heißt „Hitze-Priming“: Pflanzen merken sich kurzen und milden Hitzestress in einer Art Stressgedächtnis. Sind sie später starkem Hitzestress ausgesetzt, können sie auf molekularer Ebene schneller Gegenmaßnahmen ergreifen. Das Prinzip ähnelt dem einer Impfung. Wie dieser Prozess in der Modellpflanze Ackerschmalwand funktioniert, haben Wissenschaftler schon recht gut verstanden.

Wurzelbakterien schützen Weizen bei Hitze

Doch nun gibt es möglicherweise einen weiteren Weg, Pflanzen gegen Hitze zu „impfen“, nämlich in Kooperation mit nützlichen Mikroorganismen. Die Enterobacter-Art SA187, die in den Wurzelknöllchen der Wüstenpflanze Indigofera argentea lebt, schützt ihren Wirt vor Hitzeschäden. Werden die Wurzeln von Weizenpflanzen mit diesem Bakterium besiedelt, überstehen diese im Labor zwei Stunden bei 44 Grad Celsius unbeschadet. Unbesiedelte Pflanzen zeigen Blattschäden und stellen das Wachstum ein.

Der gleiche Effekt zeigte sich bereits im Feldversuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten: Weizen, der bei wenig Regen Temperaturen bis zu 42 Grad Celsius aushalten musste, erreichte bei Besiedelung mit SA187 stolze 20 bis 40 Prozent mehr Ertrag – durchschnittlich 2,6 Tonnen pro Hektar.

Wissenschaftler aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Österreich untersuchten die molekularen Prozesse hinter diesem Hitzeschutz nun anhand der Modellpflanze Ackerschmalwand näher. Sie fanden heraus, dass die Wirkung der bakteriellen Besiedelung ähnlich erfolgreich ist wie das bekannte Hitze-Priming. Sie führt bei Hitzestress zu einer veränderten Aktivität in 2130 pflanzlichen Genen. Der größte Teil der veränderten Gen-Aktivität wird auch durch das Hitze-Priming ausgelöst.

Hoffen auf schnelle Praxisverfügbarkeit

Zu klären war nun noch, ob die Besiedelung der Wurzeln durch SA187 einen negativen Einfluss auf das Wurzelmikrobiom des Weizens hat – also die Gesamtheit der Mikroorganismen. Glücklicherweise änderte sich die grundlegende Zusammensetzung der Mikroorganismengesellschaft nicht signifikant.

Die Wissenschaftler zeigen sich überzeugt, dass ihre Methode zügig Eingang in die landwirtschaftliche Praxis finden könnte: „SA187 macht die Pflanzen ohne jede weitere Behandlung dauerhaft hitzeresistent. Wurzelendophyten sind somit ein mächtiges Werkzeug, um die Getreideproduktion unter den ungünstigen Bedingungen der globalen Erwärmung aufrecht zu erhalten.“

Quelle: pflanzenforschung.de

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