In Irland lösten zwischen 1845 und 1849 mehrere Missernten, verursacht durch die bis dahin unbekannte Kartoffelfäule, eine unvorstellbare Hungersnot aus. Danach war das Land nie wieder dasselbe. Droht in Europa etwas Ähnliches?
Krautfäule-Epidemie in Kartoffeln droht
Schweiz, Dänemark, Belgien, Niederlande, Deutschland – immer mehr Länder melden starke Ertragsverluste im Kartoffelanbau, trotz zumeist intensiver Spritzfolgen. Verantwortlich dafür ist der Erreger der Kraut- und Knollenfäule, Phytophthora infestans. So warnte Olaf Feuerborn, Vorstandsvorsitzender der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e. V. (UNIKA), sowie Vorsitzender des Fachausschusses Kartoffeln im Deutschen Bauernverband e. V. (DBV), Ende Juni 2024, dass es insbesondere in Dänemark und den Niederlanden zu regelrechten Krautfäule-Epidemien mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden gekommen sei: „Die Gefahr massiver Krautfäule-Ausbrüche ist so groß wie schon lange nicht mehr“.
Die Ursache: Immer mehr Fungizide sind nicht mehr wirksam gegenüber dem Erreger, weil sich neue resistente Genotypen europaweit ausbreiten. Ein mehr oder weniger hausgemachtes Problem: Mit Verschärfung der Zulassungsvoraussetzungen für chemische Pflanzenschutzmittel durch die EU stehen immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung. Diese müssen zudem in immer geringeren Ausbringmengen angewendet werden. Die Folge ist, dass der Erreger gegen die wenigen noch zur Verfügung stehenden Mittel schneller Resistenzen entwickeln kann.
Genauso schnell überwindet das anpassungsfähige Pathogen die natürlichen Resistenzmechanismen der Kartoffeln. Hinzu kommt der Klimawandel: Warme und feuchte Wetterperioden, wie im Jahr 2024, sind die idealen Vermehrungsbedingungen für Phytophthora infestans. Der Erreger kann sich auf einen Schlag innerhalb weniger Tage ausbreiten und die ganze Ernte vernichten.
Ohne chemischen Pflanzenschutz geht es nicht
Eine schnelle Lösung dieses Problems ist nicht in Sicht. Als Präventivmaßnahmen haben sich die Verwendung von gesundem Saatgut und die Entfernung aller Kartoffeln aus dem Vorjahr etabliert, um das Infektionsrisiko zu verringern. Doch der Erreger lässt sich so nicht stoppen, vor allem nicht in Jahren mit so „perfekten“ Ausgangsbedingungen wie 2024. Aktuell bleibt nur die Option, noch häufiger Fungizide anzuwenden, die noch eine Wirkung haben.
Robustere Sorten durch herkömmliche Züchtung: ein Zeitproblem
Eine Alternative ist die Züchtung widerstandsfähigerer Sorten. Es gibt aber aktuell nur wenige Kartoffelsorten auf dem Markt, die dank konventioneller Züchtung eine höhere Widerstandskraft gegen die Krautfäule haben. Auch sie müssen mit Fungiziden vor der Krankheit geschützt werden – wenn auch weniger häufig. Zusätzlich besteht auch bei ihnen jederzeit die Gefahr der Resistenzbrechung durch den Erreger. Zudem ist die konventionelle Züchtung Phytophthora-resistenter Sorten langwierig. Die nötigen Resistenzgene stammen in der Regel aus Wildkartoffeln, deren unerwünschte, aber mitübertragene Gene mühsam wieder herausgezüchtet werden müssen. Zehn bis 15 Jahre sind hier ein normaler Züchtungszeitraum.
Turbo-Züchtung mit der Genschere
Doch es gäbe einen Weg, schneller an Phytophthora-resistente Sorten zu kommen: neue Züchtungstechniken wie die Genom-Editierung mit der Genschere CRISPR/Cas. Mit CRISPR/Cas können Gene in der Kartoffel gezielt abgeschaltet werden, die Phytophthora für die Infektion braucht - die sogenannten Suszeptibilitätsgene oder Anfälligkeitsgene (im Englischen „susceptibility genes“). Dass dieser elegante Weg funktioniert, haben Wissenschaftler bereits bewiesen. Zusätzlich könnten verschiedene Resistenzmechanismen kombiniert werden, um Phytophthora die Überwindung der Resistenz schwerer zu machen.
Mittels Genom-Editierung könnten also Sorten, die sich auf dem Markt bewährt haben, in relativ kurzer Zeit resistent gemacht werden. Könnten. Denn die Sache hat einen Haken: Noch unterliegen genomeditierte Pflanzen in der EU einem langen, komplexen und teuren Zulassungsprozess und sind herkömmlichen transgenen Pflanzen gleichgestellt. Unter diesen Bedingungen können sie praktisch nicht angebaut werden. Doch zurzeit laufen auf europäischer Ebene Bemühungen, für genomeditierte Pflanzen Ausnahmeregelungen zu erlassen. Das wäre gut für den Kartoffelanbau und für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.
Quelle: pflanzenforschung.de
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