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Professor Matin Qaim Quelle: Matin Qaim
30.09.2010
Forschung & Technik

Gentechnik lindert Armut in Indien

Größere Ernten steigern Einkommen der Kleinbauern und schaffen Arbeitsplätze

In Indien pflanzen immer mehr Bauern gentechnisch veränderte Baumwolle.

Nicht ohne Grund, wie die Studien von Professor Dr. Matin Qaim, Ag­rarökonom an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen, zeigen. Innerhalb von acht Jahren stiegen die Gewinne beim Baumwollanbau um 90 Prozent. Die Beschäftigung nahm um 40 Prozent zu. Es profitieren insbesondere Kleinbauern und Landarbeiterinnen. Profil Online – das IVA-Magazin sprach mit Professor Qaim über Vorteile und Risiken der gentechnisch veränderten Sorten.

Nach Ihrer Studie wirkt sich der Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle sehr positiv auf die arme Landbevölkerung in Indien aus – auf welchen Daten beruhen diese Erkenntnisse? 

Es handelt sich um die Ergebnisse von Untersuchungen, die wir mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2002 in Indien durchführen. Heute liegen genügend Daten vor, dass wir solche Aussagen treffen können. Ziel der Untersuchungen ist es, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Bio- und Gentechnik in Entwicklungsländern zu untersuchen. Vergleichbare Studien haben wir auch in Ostafrika und in Argentinien durchgeführt. 

Wie sind Sie in Indien vorgegangen? 

Seit 2002 haben wir alle zwei Jahre rund 350 Bauern in vier Bundesstaaten besucht und befragt. Wir haben Fragen zur allgemeinen Situation der Familien, zur Betriebsgröße, zur Vermarktung der Produkte und natürlich zu Details des Baumwoll-Anbaus gestellt, also zu den Sorten, zur Anbaufläche, zum Einsatz von Dünger und Insektiziden. Zu Beginn unserer Befragung pflanzten nur wenige Bauern gentechnisch veränderte Baumwollsorten an. Heute sind es 90 Prozent. 

Wie erklären Sie sich diesen durchschlagenden Erfolg der gentechnisch veränderten Sorten? 

In erster Linie haben die besseren Ernten die Bauern überzeugt. Im Vergleich mit konventionellen Sorten erzielen die gentechnisch veränderten, insektenresistenten Sorten in Indien rund 40 Prozent höhere Erträge. Außerdem wurden in den vergangenen acht Jahren viele Probleme aus der Anfangszeit des Anbaus gentechnisch veränderter Baumwolle überwunden. So standen den Bauern vor acht Jahren nur drei so genannte Bt-Sorten* zur Verfügung, die sich auch nicht für alle Standorte eigneten. Einige Bauern, die die neuen Sorten ausprobiert hatten, gaben den Anbau wieder auf, weil sie keine Erfolge erzielten. Heute sind 600 Bt-Sorten auf dem Markt und es gibt Varianten für die unterschiedlichsten Bodentypen und klimatischen Verhältnisse. Die Gewinne im Baumwollanbau konnten auch deshalb gesteigert werden, weil die Bauern deutlich weniger Geld für Pflanzenschutzmittel aufwenden. Im Schnitt wird beim Anbau von Bt-Sorten nur noch die Hälfte an chemischen Insektiziden ausgebracht. Wir haben auch festgestellt, dass mittlerweile sogar im konventionellen Anbau weniger behandelt wird. Das erklären wir damit, dass der Schädlingsdruck insgesamt durch den Anbau der Bt-Sorten zurückgegangen ist. 

Es wird befürchtet, dass der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen die Resistenzbildung von Schädlingen und die massenhafte Vermehrung von Sekundärschädlingen beschleunigt. Gibt es dafür in Indien Hinweise? 

Resistenzbildung kann prinzipiell auftreten, aber wir haben dies in Indien bisher nicht beobachtet. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass die Landwirtschaft von Kleinbauern mit kleinen Parzellen geprägt ist. Die meisten Bauern bewirtschaften weniger als fünf Hektar. Sie pflanzen neben Baumwolle verschiedene andere Kulturen an, die zum Teil auch von den gleichen Schädlingen befallen werden. Zu nennen sind hier vor allem Sorghum, Soja, Mais, Hülsenfrüchte und verschiedene Gemüsearten. Aus diesem Grund gibt es viele Refugien ohne Bt-Sorten. Resistenzen entwickeln sich schneller in großen Monokulturen. 

Wird der Baumwollanbau jetzt nicht ausgedehnt, weil er so erfolgreich ist? 

Doch, das ist bereits geschehen. Aber davon profitieren nicht nur die Bauern, sondern die gesamte Region. Die größeren Ernten haben dazu geführt, dass mehr Landarbeiter, mehr Erntehelferinnen, mehr Transporte und mehr Textilien verarbeitende Betriebe benötigt werden. Nach unseren Berechnungen schafft in Indien jeder Dollar, der in der Baumwollproduktion erwirtschaftet wird, eine zusätzliche Wertschöpfung von einem weiteren Dollar in anderen Bereichen. Die Beschäftigung in der Baumwollproduktion und nachgelagerten Sektoren stieg durch den Einsatz der gentechnisch veränderten Baumwollsorten um 40 Prozent. Am meisten profitieren Frauen; bei ihnen stieg die Beschäftigung sogar um 55 Prozent. 

Sind die Ergebnisse Ihrer Studien auf andere Länder übertragbar? 

Die Ergebnisse können nicht pauschal auf andere Länder übertragen werden, denn die Auswirkungen einer Technologie hängen immer von den jeweiligen Bedingungen ab. Die Grundaussage, dass geeignete gentechnische Anwendungen die Erträge und Einkommen im Kleinbauernsektor steigern können und dass höhere Ernten zu mehr Beschäftigung führen, halte ich dagegen für übertragbar. Gentechnik sollte nicht als Allheilmittel missverstanden werden, aber auf Basis unserer Forschung bin ich überzeugt davon, dass sie einen Beitrag zur Armutslinderung und nachhaltigen Entwicklung leisten kann.

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