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Dieses Blatt hat den Kampf gegen Pathogene verloren. Foto: istock
12.05.2020
Forschung & Technik

Der heilige Gral: Chitosane als „Pflanzen-Impfstoff“

Pflanzliche Immunität gegen Krankheiten, Schädlinge und Stressfaktoren

Pflanzen durch „Impfen“ vor Krankheiten schützen? Was bisher nicht ging, kann in Zukunft möglich werden. Wissenschaftler der Universität Münster konnten Pflanzen durch einen aus Pilzen gewonnenen Zucker „immunisieren“. Dabei fanden sie heraus, welche Moleküle für die Immunisierung verantwortlich sind. Ein Durchbruch in der Pflanzenimmunitätsforschung.

Jeder Organismus hat Schutzmechanismen, die ihm helfen, Krankheitserreger zu bekämpfen. Durch eine überstandene Krankheit oder durch eine Impfung produzieren Tiere und Menschen Antikörper, die beim nächsten Kontakt mit dem Erreger zu einer schnellen Abwehrreaktion führen. Wissenschaftler der Universität Münster haben bei ihren Forschungen herausgefunden, dass Pflanzen durch die aus Pilzen stammenden Chitosane (Vielfachzucker) „immunisiert“ werden können. Die geimpften Pflanzen reagieren dann bei einem Befall mit Krankheitserregern schneller und stärker auf diese als die ungeimpften.

Der Begriff Chitosan leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet Panzer oder Hülle. Es ist ein Polyaminosaccharid und wird auch als Polyglucosamin bezeichnet. Die pflanzliche Immunität gegen Krankheiten, Schädlinge und abiotische Stressfaktoren gezielt zu stärken wäre der heilige Gral der Pflanzenforschung. Solchermaßen immunisierte Pflanzen können auch mit wechselnden oder ungünstigen Umweltbedingungen klarkommen. Das pilzliche Chitosan wird von Pflanzen selten als krankmachend (pathogen) erkannt.

Unterschiedlicher Aufbau, unterschiedliche Wirkung

„Es gibt sehr viele verschiedene Chitosane, und für jede Anwendung muss genau das richtige Mittel gefunden werden, damit es wirkt. Bislang wussten wir noch viel zu wenig über ihre Wirkung und wie sie effektiv eingesetzt werden können. Mit unserer Forschung sind wir diesem Verständnis nun ein ganzes Stück nähergekommen“, erklärt Studienleiter Professor Bruno Moerschbacher von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Schon vor 15 Jahren hatten die Biologen der Uni Münster vermutet, dass die Anordnung der Essigsäurereste (Acetylgruppen) auf der Zuckerkette die Bioaktivität von Chitosanen entscheidend bestimmen könnte. Aber sie konnten diese Hypothese nicht überprüfen, weil man keine Chitosane mit definierten Mustern herstellen konnte. Die Anordnung war mit den zur Verfügung stehenden Mitteln immer zufällig.

Vor zehn Jahren stellten die Forscher dann fest, dass die biologische Aktivität der Chitosane von dem für ihre Herstellung verwendeten Enzym abhängt. Interessanterweise konnten bakterielle Chitosanasen die Chitosane zu immunstimulierenden Wirkstoffen umwandeln. Bakterielle Chitinase sind dazu nicht in der Lage. Die Wissenschaftler identifizierten nun diejenigen Chitosan-Moleküle (Tetrameren), die Immunreaktionen an Pflanzen hervorrufen. Dafür behandelten sie Reiszellen in einer Zellkultur zuerst mit den Chitosan-Tetrameren und anschließend mit pathogenen Elicitoren.

Das Team überprüfte daraufhin, wie viel Wasserstoffperoxid (H2O2) die Zellen produzierten. Das ist ein Zeichen, dass die Pflanze ihre Verteidigung gestartet hat. Das Forschungsteam entdeckte, dass Moleküle, die ihre Acetylgruppe an der ersten Stelle der Zuckerkette tragen, die höchste stimulierende Aktivität aufweisen. Die anderen drei Tetramere waren deutlich weniger aktiv oder inaktiv. Dies ist der erste experimentelle Beweis dafür, dass sich auch die Lage der Acetylgruppe auf die Bioaktivität von Chitosanen auswirkt. Es ist also nicht nur entscheidend, wie lang ein Molekül ist und wie viele Essigsäurereste es besitzt, sondern auch, wo genau sich die Essigsäurereste befinden. Mit den neuen Erkenntnissen wollen die Forscher nun eine Art „Impfung für Pflanzen“ entwickeln.

Quelle: pflanzenforschung.de

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