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Bodentemperaturmesssystem (Controller Area Network Busmodulsystem) am Versuchsstandort Jena. Foto: Karl Kübler / Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena
10.03.2024
Forschung & Technik

Das Klimaschild der Natur

Pflanzenvielfalt stabilisiert die Bodentemperatur

Ein mitteldeutsches Wissenschaftlerteam hat aus Daten des langjährigen Jena Experiments nachgewiesen, wie Auswirkungen des Klimawandels abgeschwächt werden können. Sie fanden heraus, dass eine vielfältige Pflanzenwelt als Puffer gegen Schwankungen der Bodentemperatur wirkt – und extreme Wetterereignisse ausgleichen kann.

Forschende der Universität Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena und anderer Forschungseinrichtungen haben gemeinsam bewiesen, dass eine vielfältige Pflanzenwelt als Puffer gegen Schwankungen der Bodentemperatur wirkt. Dieser Puffer kann einen entscheidenden Einfluss auf wichtige Ökosystemprozesse haben, schrieben sie im Fachjournal Nature Geoscience. Erstautorin Dr. Yuanyuan Huang erklärt: „Die Bodentemperatur spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung wichtiger Ökosystemprozesse in Bezug auf Wasser-, Kohlenstoff- und Nährstoffdynamik, mikrobielle Aktivität und landwirtschaftliche Produktivität.“ Allerdings wurde bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht, ob gerade die Pflanzenvielfalt als Puffer gegen Schwankungen der Bodentemperatur wirken kann.

Huang und ihr Team haben deshalb für ihre Studie Ergebnisse ausgewertet, die von 2004 bis 2021 im groß angelegten Grasland-Biodiversitätsexperiment – dem Jena Experiment – gesammelt wurden. Das Versuchsgelände umfasste 80 Parzellen mit einer unterschiedlichen Pflanzenvielfalt von einer bis zu 60 Arten. Außerdem lieferten vier Parzellen mit unbedecktem Boden und zwei Parzellen mit unkontrolliertem Bewuchs wichtige Bezugspunkte. Die Bodentemperatur wurde automatisch in 5 und 15 Zentimetern Tiefe minütlich über einen Zeitraum von 18 Jahren aufgezeichnet – was eine erhebliche Klimavariabilität abdeckt.

Historische Ereignisse finden sich in Studiendaten wieder

Die wissenschaftliche Koordinatorin des Experiments, Dr. Anne Ebeling, sagt: „Wir haben gerade das 20-jährige Bestehen des Jena Experiments gefeiert. In diesen zwei Jahrzehnten haben wir eine Reihe von extremen Wetterereignissen erlebt, darunter langanhaltende Dürren, ein großes Hochwasser im Jahr 2013 und außergewöhnlich kalte Frühlinge.“ Gideon Stein, zweiter Autor der Studie und verantwortlich für die Datenaufbereitung, ergänzt: „Es ist wirklich interessant zu sehen, wie viele historische Ereignisse in den Temperaturdaten des Jena-Experiments wiederzufinden sind.“

„Diese beispiellose Analyse langfristiger, hochauflösender Daten liefert überzeugende Beweise dafür, dass die Pflanzenvielfalt als natürlicher Puffer fungiert und angesichts klimatischer Extreme für Stabilität sorgt“, betont Erstautorin Huang. Während des gesamten 18-jährigen Zeitraums habe die Pflanzenvielfalt ihre bemerkenswerte Fähigkeit gezeigt, den Boden bei sengender Hitze vor Überhitzung zu schützen und in kälteren Perioden Wärme zu speichern.

Fünf Grad Temperaturunterschied

Im Sommer, an Tagen mit besonders hoher Lufttemperatur, lag die Bodentemperatur in Pflanzengemeinschaften mit 60 Arten um 5,04 Grad Celsius niedriger als unter den unbedeckten Parzellen. Zum Vergleich: Dieser Unterschied ist mehr als doppelt so hoch wie der Unterschied zwischen Monokulturen und unbepflanztem Boden zum gleichen Zeitpunkt. An Tagen mit besonders niedriger Lufttemperatur war wiederum die Bodentemperatur in der 60-Arten-Pflanzengemeinschaft um 1,48 Grad Celsius höher als unter unbedeckten Parzellen. Das war fast fünfmal so hoch wie der Unterschied zwischen Monokulturen und unbepflanztem Boden.

Die Forschenden kamen zu dem Schluss, dass Pflanzenvielfalt die Bodentemperatur das ganze Jahr über stabilisieren kann. Die Auswirkungen verstärkten sich mit zunehmendem Alter der Versuchsgemeinschaften und sind gerade unter den härtesten klimatischen Bedingungen wie sengend heißen Tagen und trockenen Jahren noch prägnanter.

Vielfalt stabilisiert

In einem zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler die Ursachen für die stabilisierende Wirkung der Pflanzenvielfalt. Diese erhöhte nicht nur die Gesamtheit an Blattflächen der Pflanzen, was zu einer stärkeren Beschattung führte; sondern auch den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden: „Wir waren überrascht, wie sehr der organische Bodenkohlenstoff die Stabilität der Bodentemperatur beeinflusst. Er überstieg sogar die Bedeutung der Beschattung“, erklärt Markus Lange, Co-Autor vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Die stabilisierende Wirkung der Pflanzenvielfalt zeigte sich durch eine Reduktion der Wärmeleitung in den oberen 60 Zentimetern des Bodens. Infolgedessen blieb die Bodentemperatur in Gemeinschaften mit einer höheren Pflanzendiversität das ganze Jahr über und durch den kompletten Oberboden hinweg stabiler.

Diese Ergebnisse haben weitreichende Auswirkungen. In Graslandschaften der gemäßigten Zonen und darüber hinaus könnte die durch Pflanzenvielfalt bewirkte Stabilisierung der Bodentemperatur entscheidend sein, um negative Auswirkungen extremer klimatischer Ereignisse abzuschwächen. Dazu gehört auch der Abbau von Kohlenstoff im Boden und dessen Freisetzung in die Atmosphäre.

Dieser natürliche Mechanismus habe nach Ansicht der Forschenden das Potenzial, den Prozess der globalen Erwärmung zu verlangsamen: „Unsere Forschung zeigt die bemerkenswerte Fähigkeit der Pflanzenvielfalt, als Schutzschild gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wirken. Sie erinnert uns eindringlich daran, wie wichtig es ist, die biologische Vielfalt in unseren Ökosystemen zu erhalten und zu fördern, um die Umwelt zu schützen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern“, sagt Professor Dr. Nico Eisenhauer, Leiter der Studie und Sprecher des Jena-Experiments. „Die Studie erweitert nicht nur unser Verständnis der lebenswichtigen Rolle der biologischen Vielfalt, sondern bietet auch einen Hoffnungsschimmer im laufenden Kampf gegen den Klimawandel.“

Quelle: Max-Planck-Institut für Biogeochemie

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