Obst und Gemüse: Was bleibt an Pflanzenschutzmitteln?
Verfasser: Uwe Harzer, Pflanzenschutzberatung Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße
Das EU-Parlament, Ministerrat und Kommission haben beschlossen, Pflanzenschutz-Wirkstoffe mit cancerogenen, mutagenen, reproduktionstoxischen und endokrinen Effekten künftig von der Zulassung auszuschließen. Hinzu kommen Ausschlusskriterien mit Bezug auf die Umwelt. Das EU-Parlament hat noch weiter gehende Wünsche. Es will auch neurotoxische und immuntoxische Wirkungen sowie die Bienentoxizität einbezogen wissen.Das Pesticides Safety Directorate (PSD) mit Sitz in York, UK, hat für die Landwirtschaft und den Gartenbau des Vereinigten Königreichs bewertet, wie sich diese Vorhaben auswirken würden. Es hat 286 Wirkstoffe untersucht, die derzeit in Pflanzenschutzmitteln im Vereinigten Königreich zugelassen sind. Die Ergebnisse wurden im Mai dieses Jahres veröffentlicht. Die Studie benennt die Wirkstoffe, die nach den neuen Kriterien wegfallen würden oder nach einer Übergangszeit von fünf Jahren ersetzt werden müssten.
Auf der Basis dieser PSD-Studie wurden die möglichen Folgen für den deutschen Obst- und Gemüsebau untersucht. An den wichtigsten Kulturen des Obstbaus, dem Apfel und der Erdbeere, und für den Gemüsebau am Beispiel Kopfsalat und Zwiebeln wird dargestellt, welche Pflanzenschutzmittel künftig noch eingesetzt werden könnten.
Bei den vier betrachteten Kulturen stehen den deutschen Erzeugern zur Kontrolle der wichtigsten Schaderreger derzeit 138 Wirkstoffe zur Verfügung. Manche davon sind für mehrere oder alle vier Kulturen ausgewiesen. Von den 138 Substanzen entfallen 30 auf die Gruppe der Herbizide, 53 auf die Fungizide und 55 auf Insektizide.
Nach dem Votum des EU-Parlamentes würden ein Drittel der Herbizide und Insektizide und gut die Hälfte der Fungizide wegfallen. Auch der ökologische Anbau wäre betroffen. Er würde die dort nicht ersetzbaren Kupfer-Mittel und das Insektizid Spinosad verlieren, das erst kürzlich in der EU für diese Anbauform genehmigt wurde!
Es stellt sich auch die Frage, wie alle diese Substanzen ersetzt werden sollen. Die Entwicklung neuer und innovativer Wirkstoffe wird immer schwieriger. Nicht zuletzt durch mehr oder weniger berechtigte immer höhere Hürden bei der Zulassung kommen aussichtsreiche Substanzen häufig nicht mehr in das Stadium der Vermarktung. Die Entdeckung des letzten herbiziden Wirkstoffs mit neuem Wirkungsmodus zum Beispiel liegt mehr als 25 Jahre zurück.
Ackerfrüchte wie Getreide, Raps oder Mais werden in Deutschland auf Flächen von mehreren Hunderttausend bis Millionen Hektar angebaut. Im Obst- und Gemüsebau verteilen sich die rund 170 000 Hektar Anbaufläche auf eine große Vielfalt von Kulturen. Trotzdem können von den 250 derzeit zugelassenen Wirkstoffen im Obstbau nur 77 und im Gemüsebau 102 genutzt werden. Was passiert, wenn die inkriminierten Wirkstoffe nicht mehr zur Verfügung stehen? Eine sichere und nachhaltige Kontrolle von Unkräutern, Krankheiten und Schädlingen ist dann nicht mehr möglich. Selbst ein Verbot von nur wenigen Wirkstoffen trifft den Obst- und Gemüsebau hart. Dabei geht es nicht nur um den völligen Wegfall von Behandlungsmöglichkeiten; mindestens ebenso gravierend sind die Einschnitte beim Resistenzmanagement.
Das internationale Resistance Action Committee (RAC) hat zur Aufgabe, die Resistenzentwicklung von Schaderregern abzuschätzen. Es postuliert, dass je nach Typ drei bis fünf Wirkstoffe gebraucht werden, und zwar mit unterschiedlicher Wirkungsweise. Nur dann können langfristig Resistenzen vermieden werden. Diese Voraussetzung wird aber bei den Kleinkulturen des Obst- und Gemüsebaus schon jetzt nicht erfüllt.
Bei einer drastischen Beschränkung der verfügbaren Pflanzenschutzmittel müssten die wenigen verbliebenen Produkte in weit größerer Menge eingesetzt werden als heute. Jede Übermaßanwendung weniger Substanzen wirkt sich aber negativ für die Erzeugung und die Umwelt aus.
Der Obst- und Gemüseanbau in Deutschland braucht deshalb eine große Vielfalt verschiedener Wirkstoffe und Mittel. Nur dann kann er sichere Produkte von hoher Qualität in ausreichender Menge und zu akzeptablen Preisen erzeugen.
Zusammenfassend ist festzuhalten:
Falls die Vorstellungen des EU-Parlaments in die Praxis umgesetzt werden,
- werden sowohl die Mengen als auch die Qualitäten in der Obst- und Gemüseproduktion zurückgehen;
- können mache Kulturen nicht mehr angebaut werden;
- wird eine „Zwangsökologisierung“ des Anbaus eingeleitet;
- sind drastisch höhere Preise für den Verbraucher bei geringerer Qualität die Folge;
- steigt der Importbedarf und wächst die Abhängigkeit von Drittländern in Fernost und auf der südlichen Hemisphäre.
 
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